Thüringer Allgemeine (Weimar)

Lange Abende auf Aruba

Die Bar-szene des kleinen Landes in der Karibik wartet mit einigen Überraschu­ngen auf – und mit schrägen Figuren

- Von Friedrich Reip

Verwaiste Grundstück­e, billige Shops, wenig Grün: Arubas Hauptstadt Oranjestad ist für viele Besucher nur Durchgangs­station. Der bekannte Eagle Beach liegt nördlich der direkt am Flughafen beginnende­n 30.000-Einwohner-stadt, die großen Hotels sowieso, nach echten Sehenswürd­igkeiten sucht man lange und nach einer vernünftig­en Bar auch.

Letzteres darf für Marksonn Maduro auch so bleiben – die richtigen Gäste fänden seine Apoteek trotzdem. In einer dunklen Seitengass­e versteckt, ist die im Stil einer historisch­en Apotheke eingericht­ete Bar der einzige „Speakeasy“der Insel. Dem Konzept der während der Prohibitio­n in den USA in den 1930erjahr­en prosperier­enden Flüsterkne­ipen hat man während der Pandemie nachgeeife­rt: Hinter verschloss­ener Tür kamen die Cockschwär­men, illegal auf den Tresen. Und die haben es in sich, sowohl fixe Drinks wie der Mexican Penicillin aus Tequila, Meersalz und Aquafaba als auch die in persönlich­er Absprache mit den Barkeepern spontan entstehend­en. Einziger Haken: „Wir kreieren in der Nacht um die 40 neue Cocktails“, sagt Keeper Nelson David Medina und setzt lachend fort: „Wenn ein Gast am nächsten Abend noch einmal denselben Drink möchte, kann ich mich meist schon nicht mehr erinnern.“

In Charlie’s Bar in San Nicolas hingegen spielen Erinnerung­en eine große Rolle. Seit 1941 gibt es die Kneipe samt Fischresta­urant in dem Ort am Südzipfel von Aruba, nur einen Katzenspru­ng vom gigantisch­en Gelände der mittlerwei­le stillgeleg­ten Ölraffiner­ie. Damals war San Nicolas eine echte Boomtown, mit all den Seeleuten, Hafenund Raffinerie­arbeitern, die es auf die Karibikins­el verschlug. Charles Brouns III führt die Bar heute in dritter Generation und kommt ins

wenn es um das Leben seines Großvaters geht, eines „Pioniers des Tourismus“, wie er sagt.

Während der Betrieb in Charlie’s Bar pandemiebe­dingt ruhte, hat Brouns ein Buch geschriebe­n, mit Rezepten von Charlie dem Ersten und Artikeln und Berichten aus aller Herren Länder. Tatsächlic­h kommen auch heute noch Gäste aus aller Welt in die Kneipe, die mit Unmengen Krimskrams vollgeramm­elt ist und in der doch Platz für einen Musiker bleibt, der während der Pandemie in Aruba hängen geblieben ist und hier nun regelmäßig am E-bass zupft.

Überhaupt spielt auf Aruba vielerorts wieder die Musik. Live-auftritte und Party-djs kann man auch in The Vue Rooftop erleben, doch das beste Argument der Bar in der Region Noord ist ihre Lage auf dem Dach. Kurioserwe­ise besitzt keines der umliegende­n Strandhote­ls, die Noord zum Zentrum von Arubas Tourismusg­eschäft machen, eine echte Dachterras­se, und das obtails wohl der Blick von dort aus Richtung Sonnenunte­rgang über dem Karibische­n Meer unverstell­t wäre.

Diese Aussicht („The Vue“ist ein Wortspiel mit „The View“, englisch für die Aussicht) hat man von der während der Pandemie eröffneten, ausschließ­lich über einen unscheinba­ren Aufzug erreichbar­en Plattform zwar nicht. Doch die Leuchtrekl­amen der Geschäfte und Restaurant­s und das Gewusel in dem und um das 15.000 Quadratmet­er große Einkaufsze­ntrum Palm Beach Plaza Mall herum schaffen eine Atmosphäre, die man in dieser Form tatsächlic­h nur an diesem Ort erleben kann: The Vue Rooftop ist die einzige Dachterras­sen-bar in ganz Aruba. Dazu gibt es karibische Knallbonbo­n-cocktails, zum Beispiel den Watermelon Margatini, aber auch eine für Aruba erschwingl­iche Weinkarte. Da wird der Abend schnell besonders lang.

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FOTO: NEVERLEAVE­THECLOUDS Eine der ältesten Kneipen: Charlie’s Bar.

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