Lange Abende auf Aruba
Die Bar-szene des kleinen Landes in der Karibik wartet mit einigen Überraschungen auf – und mit schrägen Figuren
Verwaiste Grundstücke, billige Shops, wenig Grün: Arubas Hauptstadt Oranjestad ist für viele Besucher nur Durchgangsstation. Der bekannte Eagle Beach liegt nördlich der direkt am Flughafen beginnenden 30.000-Einwohner-stadt, die großen Hotels sowieso, nach echten Sehenswürdigkeiten sucht man lange und nach einer vernünftigen Bar auch.
Letzteres darf für Marksonn Maduro auch so bleiben – die richtigen Gäste fänden seine Apoteek trotzdem. In einer dunklen Seitengasse versteckt, ist die im Stil einer historischen Apotheke eingerichtete Bar der einzige „Speakeasy“der Insel. Dem Konzept der während der Prohibition in den USA in den 1930erjahren prosperierenden Flüsterkneipen hat man während der Pandemie nachgeeifert: Hinter verschlossener Tür kamen die Cockschwärmen, illegal auf den Tresen. Und die haben es in sich, sowohl fixe Drinks wie der Mexican Penicillin aus Tequila, Meersalz und Aquafaba als auch die in persönlicher Absprache mit den Barkeepern spontan entstehenden. Einziger Haken: „Wir kreieren in der Nacht um die 40 neue Cocktails“, sagt Keeper Nelson David Medina und setzt lachend fort: „Wenn ein Gast am nächsten Abend noch einmal denselben Drink möchte, kann ich mich meist schon nicht mehr erinnern.“
In Charlie’s Bar in San Nicolas hingegen spielen Erinnerungen eine große Rolle. Seit 1941 gibt es die Kneipe samt Fischrestaurant in dem Ort am Südzipfel von Aruba, nur einen Katzensprung vom gigantischen Gelände der mittlerweile stillgelegten Ölraffinerie. Damals war San Nicolas eine echte Boomtown, mit all den Seeleuten, Hafenund Raffineriearbeitern, die es auf die Karibikinsel verschlug. Charles Brouns III führt die Bar heute in dritter Generation und kommt ins
wenn es um das Leben seines Großvaters geht, eines „Pioniers des Tourismus“, wie er sagt.
Während der Betrieb in Charlie’s Bar pandemiebedingt ruhte, hat Brouns ein Buch geschrieben, mit Rezepten von Charlie dem Ersten und Artikeln und Berichten aus aller Herren Länder. Tatsächlich kommen auch heute noch Gäste aus aller Welt in die Kneipe, die mit Unmengen Krimskrams vollgerammelt ist und in der doch Platz für einen Musiker bleibt, der während der Pandemie in Aruba hängen geblieben ist und hier nun regelmäßig am E-bass zupft.
Überhaupt spielt auf Aruba vielerorts wieder die Musik. Live-auftritte und Party-djs kann man auch in The Vue Rooftop erleben, doch das beste Argument der Bar in der Region Noord ist ihre Lage auf dem Dach. Kurioserweise besitzt keines der umliegenden Strandhotels, die Noord zum Zentrum von Arubas Tourismusgeschäft machen, eine echte Dachterrasse, und das obtails wohl der Blick von dort aus Richtung Sonnenuntergang über dem Karibischen Meer unverstellt wäre.
Diese Aussicht („The Vue“ist ein Wortspiel mit „The View“, englisch für die Aussicht) hat man von der während der Pandemie eröffneten, ausschließlich über einen unscheinbaren Aufzug erreichbaren Plattform zwar nicht. Doch die Leuchtreklamen der Geschäfte und Restaurants und das Gewusel in dem und um das 15.000 Quadratmeter große Einkaufszentrum Palm Beach Plaza Mall herum schaffen eine Atmosphäre, die man in dieser Form tatsächlich nur an diesem Ort erleben kann: The Vue Rooftop ist die einzige Dachterrassen-bar in ganz Aruba. Dazu gibt es karibische Knallbonbon-cocktails, zum Beispiel den Watermelon Margatini, aber auch eine für Aruba erschwingliche Weinkarte. Da wird der Abend schnell besonders lang.