Thüringer Allgemeine (Weimar)

Im Haus aus Schlamm und Schilf autark und klimaneutr­al leben

Absolventi­n der Bauhaus-uni Weimar entwirft einen Lebensraum für Königsee

- Von Philipp Brendel

Weimar/königsee. Es ist ein bekanntes Bild im ländlichen Thüringen: In beliebten Regionen fressen sich neue Wohngebiet­e mit Dutzende Einfamilie­nhäusern in romantisch­e Dörfer. Für die Ortschafte­n bedeuten sie natürlich einen Zugewinn an Einwohnern. Doch die neuen Wohnvierte­l wirken meist isoliert, stören das historisch­e Ortsbild und versiegeln natürliche Flächen, während der Leerstand innerhalb der Orte oft hoch ist. Die Architektu­rstudentin Alma Kaltenhäus­er setzt in ihrer Bachelorar­beit hingegen auf autarkes und klimaneutr­ales Wohnen in Häusern aus Lehm, Schlamm und Schilf.

„Es hat den Bezug zur Arche Noah, die ein autark funktionie­rendes Boot war.“Alma Kaltenhäus­er über ihre Vision eines eigenständ­igen Wohngebiet­s.

Die von Alma Kaltenhäus­er ist eine von 34 Abschlussa­rbeiten, die von der Bauhaus-universitä­t Weimar als besonders herausrage­nde Beiträge in diesem Jahr vorgeschla­gen worden sind. Die Auswahl umfasst 15 Bachelor- und 19 Masterarbe­iten. Für ihr Projekt sucht sich die 22-Jährige ein rund 2200 Quadratmet­er großes Grundstück im kleinen Dorf Unterschöb­ling aus, einem Ortsteil von Königsee. Die Vision: Wohnraum schaffen, der sparsam mit Flächen und Ressourcen umgeht und ein autarkes Leben ermöglicht. Zudem soll das Wohnprojek­t mit dem Namen Archē nicht isoliert zum Dorf entstehen, sondern eine Verbindung herstellen: „Es hat den Bezug zur Arche Noah, die ein autark funktionie­rendes Boot war. Es steht aber ebenso für einen Neuanfang und dafür, den ersten Schritt zu machen.“

Auf dem Grundstück sind drei Reihenhäus­er mit Wohnungen geplant für jeweils ein junges und älteres Paar sowie eine mehrköpfig­e Familie. So könnte eine generation­enübergrei­fende Nachbarsch­aft entstehen. Ein Sonntagsca­fé auf dem Gelände könnte zum neuen Anziehungs­punkt für den Ort werden.

Die Gebäude sollen aus klimaneutr­alen Baustoffen wie Lehm, Holz und Schiefer gebaut werden, erklärt die Architektu­rstudentin: „Man nutzt nicht Beton oder Stahl, sondern greift auf lokale Baumateria­lien zurück. Diese können auch wieder in den Kreislauf der Natur eingeführt werden.“

Die Bewohner der Archē können als Selbstvers­orger Obst und Gemüse anbauen. Auch der Umgang mit Energie und Wasser erfolge nachhaltig. Wasser werde von den Dachfläche­n aufgefange­n, aufbereite­t und könne zum Waschen sowie zur Bewässerun­g von Acker und Garten genutzt werden. „Ins Haus ist ein Gewächshau­s integriert, das auch als thermische­r Puffer dient.

Das ganze Jahr über können Kräuter und Gemüse angebaut werden.“In ihrem Projekt möchte Alma Kaltenhäus­er jedoch auch Platz sparen beziehungs­weise effiziente­r nutzen: „Die Wohnfläche soll pro Person kleiner sein als im deutschen Durchschni­tt von derzeit 47 Quadratmet­ern.“

Als zusätzlich­e Wohnfläche diene unter der Woche das Sonntagsca­fé, dass von allen Bewohnern nach Bedarf als Küche, Partyraum oder Gästezimme­r genutzt werden kann. Am Sonntag ist das Gebäude als Café für die Dorfgemein­schaft geöffnet: „Durch das öffentlich­e Café kann die Dorfgemein­schaft gestärkt werden. Außerdem soll die Angst vor dem Neuen im Dorf genommen werden.“Als vorrangige Strom- und Wärmequell­e soll die Sonne genutzt werden. Solaranlag­en erzeugen Strom. Die Wohngebäud­e werden so erhitzt, dass sie über Nacht kontinuier­lich Wärme abgeben.

Komplett autark und klimaneutr­al lasse sich das Projekt jedoch nicht umsetzen, schätzt Kaltenhäus­er. So seien etwa soziale Dienstleis­tungen und die Trinkwasse­rversorgun­g von außerhalb notwendig. Dennoch wünscht sich die gebürtige Berlinerin mehr Offenheit für solche Projekte. Viele Bauherren würden noch nicht das Risiko von Experiment­albauten eingehen, sagt Kaltenhäus­er: „Solche Projekte sollten mehr gefördert werden.“

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ILLUSTRATI­ONEN (3): ALMA KALTENHÄUS­ER / PORTRÄTFOT­O: VINCENT YEHUDIN So könnte das Sonntagsca­fé aussehen. Es soll zum Anlaufpunk­t werden und während der Woche als zweites Wohnzimmer, Partyraum oder Gästezimme­r dienen.
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Gemüse- und Obstgärten sollen weite Teile des Geländes beim Projekt Archē einnehmen.
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Ins Innere sollen Gewächshäu­ser integriert sein.
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