Auf verwaisten Konten liegen Milliarden
Vergessenes Vermögen bei der Bank fällt nach 30 Jahren an die Bank. Wie Hinterbliebene es aufspüren können
Berlin/hamburg. Die Antwort der Commerzbank fällt denkbar knapp aus. Offenbar betreffen die Fragen unserer Redaktion zu Bankkonten, die seit längerer Zeit nicht mehr genutzt werden, einen sensiblen Bereich bei dem Geldinstitut, über den man nicht gern spricht. Zwar räumt die Commerzbank ein, dass sie Kunden im Bestand hat, „die ihr Konto über einen längeren Zeitraum unbewegt lassen“. Doch damit erschöpft sich die Auskunftsbereitschaft auch schon: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen keine Fallzahlen oder weitere Details nennen“, heißt es. Fast identisch reagiert die Comdirect mit Verweis auf die einheitliche Vorgehensweise im Commerzbank-konzern.
Deutschlands größte Sparkasse, die Hamburger Sparkasse (Haspa), die Postbank, die Hypovereinsbank und die Deutsche Bank antworten zwar ausführlicher, aber die Zahl der „nachrichtenlosen Konten“, wie sie im Fachjargon heißen, will kein Geldinstitut preisgeben. Andere Banken, darunter die PSD-BANK, wollen sich an der Umfrage erst gar nicht beteiligen.
Dabei geht es um Milliarden Euro, die auf verwaisten Konten schlummern, weil Erben davon nichts wissen oder es keine Nachkommen gibt. Schätzungen zufolge liegen in Deutschland zwei bis neun Milliarden Euro auf verwaisten Konten. Die erste Zahl stammt vom früheren Nrw-finanzminister und jetzigen Spd-vorsitzenden Norbert Walter-borjans. Die zweite Schätzung kommt vom Verband Deutscher Erbenermittler.
Nur wenige Kreditinstitute nennen konkrete Zahlen
„Meist sind die Besitzer tot, manchmal sind die Konten auch nur bei einem Umzug vergessen worden“, sagt Beate Schön vom Verbraucherportal Finanztip. Lediglich von der Sparkasse Dortmund wurde in der Vergangenheit eine Zahl bekannt, die deutlich macht, wie groß das Problem solcher Konten bei Geldinstituten sein kann. Knapp 250.000 nachrichtenlose Konten wurden danach 2019 bei dem Geldinstitut gezählt, die auf der Rangliste der Sparkassen den 20. Platz einnimmt, heißt es bei Finanztip.
Onlinebanking kann das Problem nur bedingt lösen. Zwar gibt es regelmäßige Abfragen, ob die Anschrift oder die Telefonnummer noch stimmt. Reagiert der Kunde über längere Zeit nicht, ist das für das Geldinstitut zumindest ein Warnsignal. Experten sehen allerdings im wachsenden Onlinebanking eine Gefahr, wenn der Kontoinhaber verstirbt und seine Erben nicht wissen, wo überall Konten existieren. Allein von den annähernd 110 Millionen Girokonten in Deutschland werden inzwischen mehr als 70 Prozent online geführt.
Hinterlässt ein Verstorbener keine weiteren Hinweise auf ihm gehörende Onlinekonten, so ist es für Erben ungemein schwer, diesen Teil des Nachlasses zu ergründen. Auskunftsersuchen privater Personen ins Blaue hinein steht das Bankgeheimnis entgegen.
Machen Erben keine Ansprüche geltend, fällt das Geld den Banken zu. „Nach 30 Jahren müssen sie das Geld ausbuchen und als Gewinn versteuern, so verlangen es die Finanzämter“, sagt Verbraucherexpertin Schön. Die Ansprüche der Kundinnen und Kunden oder der Erben sind davon unberührt, heißt es bei der Haspa. Guthaben verfallen auch nach 30 Jahren nicht.
Die Hypovereinsbank verweist darauf, dass auch nach 30 Jahren keine Girokontoschließung erfolge. Bei der Postbank wird ein Girokonto gelöscht, wenn dieses durch Abbuchungen von Kontoführungsgebühren ins Minus rutscht.
Nachkommen müssen bei den einzelnen Bankenverbänden selbst nachforschen, wenn sie unentdeckte Konten vermuten oder es darauf Hinweise gibt. „Sofern in Nachlassfällen unbekannte Konten, Wertpapierdepots oder Schließfächer bei einer privaten Bank vermutet werden, führt der Bundesverband deutscher Banken das Suchverfahren durch“, sagt Kathleen Altmann vom Bundesverband.
Die Suche berücksichtigt dabei nur aktuell bestehende und auf den Namen des Verstorbenen lautende Konten. Nach bereits aufgelösten Konten kann nicht mehr gesucht werden. Findet sich eine Bank, bei der noch ein Vermögenswert schlummert, setzt sich diese mit den Erbberechtigten direkt in Verbindung. Das Nachforschungsverfahren bezieht sich auf das ganze Bundesgebiet.
Das Nachforschungsverfahren beim Bankenverband ist kostenlos. „Um die Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, müssen Sie aber nachweisen, dass Sie erbberechtigt sind“, sagt Altmann. Für die Legitimation reiche es aus, eine Kopie des Erbscheins oder des vom Gericht eröffneten Testaments vorzulegen. Wie die privaten Banken haben auch die Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken entsprechende Nachforschungsverfahren.