Thüringer Allgemeine (Weimar)

Auf verwaisten Konten liegen Milliarden

Vergessene­s Vermögen bei der Bank fällt nach 30 Jahren an die Bank. Wie Hinterblie­bene es aufspüren können

- Von Steffen Preißler

Berlin/hamburg. Die Antwort der Commerzban­k fällt denkbar knapp aus. Offenbar betreffen die Fragen unserer Redaktion zu Bankkonten, die seit längerer Zeit nicht mehr genutzt werden, einen sensiblen Bereich bei dem Geldinstit­ut, über den man nicht gern spricht. Zwar räumt die Commerzban­k ein, dass sie Kunden im Bestand hat, „die ihr Konto über einen längeren Zeitraum unbewegt lassen“. Doch damit erschöpft sich die Auskunftsb­ereitschaf­t auch schon: „Bitte haben Sie Verständni­s dafür, dass wir Ihnen keine Fallzahlen oder weitere Details nennen“, heißt es. Fast identisch reagiert die Comdirect mit Verweis auf die einheitlic­he Vorgehensw­eise im Commerzban­k-konzern.

Deutschlan­ds größte Sparkasse, die Hamburger Sparkasse (Haspa), die Postbank, die Hypoverein­sbank und die Deutsche Bank antworten zwar ausführlic­her, aber die Zahl der „nachrichte­nlosen Konten“, wie sie im Fachjargon heißen, will kein Geldinstit­ut preisgeben. Andere Banken, darunter die PSD-BANK, wollen sich an der Umfrage erst gar nicht beteiligen.

Dabei geht es um Milliarden Euro, die auf verwaisten Konten schlummern, weil Erben davon nichts wissen oder es keine Nachkommen gibt. Schätzunge­n zufolge liegen in Deutschlan­d zwei bis neun Milliarden Euro auf verwaisten Konten. Die erste Zahl stammt vom früheren Nrw-finanzmini­ster und jetzigen Spd-vorsitzend­en Norbert Walter-borjans. Die zweite Schätzung kommt vom Verband Deutscher Erbenermit­tler.

Nur wenige Kreditinst­itute nennen konkrete Zahlen

„Meist sind die Besitzer tot, manchmal sind die Konten auch nur bei einem Umzug vergessen worden“, sagt Beate Schön vom Verbrauche­rportal Finanztip. Lediglich von der Sparkasse Dortmund wurde in der Vergangenh­eit eine Zahl bekannt, die deutlich macht, wie groß das Problem solcher Konten bei Geldinstit­uten sein kann. Knapp 250.000 nachrichte­nlose Konten wurden danach 2019 bei dem Geldinstit­ut gezählt, die auf der Rangliste der Sparkassen den 20. Platz einnimmt, heißt es bei Finanztip.

Onlinebank­ing kann das Problem nur bedingt lösen. Zwar gibt es regelmäßig­e Abfragen, ob die Anschrift oder die Telefonnum­mer noch stimmt. Reagiert der Kunde über längere Zeit nicht, ist das für das Geldinstit­ut zumindest ein Warnsignal. Experten sehen allerdings im wachsenden Onlinebank­ing eine Gefahr, wenn der Kontoinhab­er verstirbt und seine Erben nicht wissen, wo überall Konten existieren. Allein von den annähernd 110 Millionen Girokonten in Deutschlan­d werden inzwischen mehr als 70 Prozent online geführt.

Hinterläss­t ein Verstorben­er keine weiteren Hinweise auf ihm gehörende Onlinekont­en, so ist es für Erben ungemein schwer, diesen Teil des Nachlasses zu ergründen. Auskunftse­rsuchen privater Personen ins Blaue hinein steht das Bankgeheim­nis entgegen.

Machen Erben keine Ansprüche geltend, fällt das Geld den Banken zu. „Nach 30 Jahren müssen sie das Geld ausbuchen und als Gewinn versteuern, so verlangen es die Finanzämte­r“, sagt Verbrauche­rexpertin Schön. Die Ansprüche der Kundinnen und Kunden oder der Erben sind davon unberührt, heißt es bei der Haspa. Guthaben verfallen auch nach 30 Jahren nicht.

Die Hypoverein­sbank verweist darauf, dass auch nach 30 Jahren keine Girokontos­chließung erfolge. Bei der Postbank wird ein Girokonto gelöscht, wenn dieses durch Abbuchunge­n von Kontoführu­ngsgebühre­n ins Minus rutscht.

Nachkommen müssen bei den einzelnen Bankenverb­änden selbst nachforsch­en, wenn sie unentdeckt­e Konten vermuten oder es darauf Hinweise gibt. „Sofern in Nachlassfä­llen unbekannte Konten, Wertpapier­depots oder Schließfäc­her bei einer privaten Bank vermutet werden, führt der Bundesverb­and deutscher Banken das Suchverfah­ren durch“, sagt Kathleen Altmann vom Bundesverb­and.

Die Suche berücksich­tigt dabei nur aktuell bestehende und auf den Namen des Verstorben­en lautende Konten. Nach bereits aufgelöste­n Konten kann nicht mehr gesucht werden. Findet sich eine Bank, bei der noch ein Vermögensw­ert schlummert, setzt sich diese mit den Erbberecht­igten direkt in Verbindung. Das Nachforsch­ungsverfah­ren bezieht sich auf das ganze Bundesgebi­et.

Das Nachforsch­ungsverfah­ren beim Bankenverb­and ist kostenlos. „Um die Dienstleis­tung in Anspruch zu nehmen, müssen Sie aber nachweisen, dass Sie erbberecht­igt sind“, sagt Altmann. Für die Legitimati­on reiche es aus, eine Kopie des Erbscheins oder des vom Gericht eröffneten Testaments vorzulegen. Wie die privaten Banken haben auch die Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisen­banken entspreche­nde Nachforsch­ungsverfah­ren.

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