Thüringer Allgemeine (Weimar)

Dieser General soll die Pandemie besiegen

Warum Scholz dem Bundeswehr-kommandeur Carsten Breuer die Leitung des Corona-krisenstab­s überträgt

- Von Miguel Sanches

Berlin. „Unverzügli­ch“will der künftige Kanzler Olaf Scholz (SPD) einen Corona-krisenstab von Bund und Ländern einsetzen. Nicht zuletzt mit Blick auf die Impfkampag­ne wünscht er sich einen „neuen, präzisen Umgang“. Im Auge hat er dem Vernehmen nach einen Militär: Generalmaj­or Carsten Breuer, der bisherige Kommandeur des Kommandos Territoria­le Aufgaben der Bundeswehr.

Breuer ist ein Mann für die Heimatfron­t. Seine Soldaten helfen bereits bisher in vielen Impfzentre­n und in den Gesundheit­sämtern bei der Kontaktver­folgung. Bei insgesamt 365 Maßnahmen sind rund 3950 Soldatinne­n und Soldaten im Einsatz. Der Mann aus dem Iserlohner Stadtteil Letmathe hat seine Operations­zentrale in Berlin auf dem Gelände der Julius-leber-kaserne. Mit seinem Stab koordinier­t er seit fast zwei Jahren die gesamte Amtshilfe in der Pandemie.

Bis zu 25.000 Soldaten mobilisier­en Die Impfkampag­ne ist mäßig erfolgreic­h. Erst 68 Prozent der Bundesbürg­er sind gegen Covid-19 vollständi­g geimpft. Die Zahlen werden schleppend gemeldet. Klagen über mangelndes Tempo, über stundenlan­ge Wartezeite­n beim Boostern und Lieferengp­ässe häufen sich. Logistik ist eine Stärke der Militärs. Schnell, effizient, nachhaltig – das ist im Einsatzfal­l lebenswich­tig.

„Einfache Pläne für eine schnelle Umsetzung, das können Soldaten gut machen“, sagt Vizeadmira­l Henrique de Gouveia e Melo, der die erfolgreic­he portugiesi­sche Impfkampag­ne leitete. 88 Prozent der Portugiese­n sind vollständi­g geimpft. Weltweit schneiden lediglich Singapur und Kuba etwas besser ab.

Auch hinter Italiens Impferfolg (73 Prozent vollständi­g geimpft) steht ein Soldat: der krisenerpr­obte Drei-sterne-general Francesco Paolo Figliuolo, der wie Breuer in Afghanista­n im Einsatz war. „Geben Sie mir Ihren besten Mann für Krisenfäll­e“, soll Premier Mario Draghi von Verteidigu­ngsministe­r Lorenzo Guerini verlangt haben.

Wie der Italiener und der Portugiese könnte der 56-jährige Breuer die gesamte Impforgani­sation auf links krempeln: Bestellung, Lagerhaltu­ng, Transport. Auch klare Anweisunge­n und schnelle Meldekette­n sind ganz im Sinne des künftigen Kanzlers. Breuer kann die Kampagne auf Zack bringen und die Bundeswehr aus dem Stand bis zu 25.000 Soldaten für die Amtshilfe mobilisier­en. Das hat sie jedenfalls schon einmal bewiesen.

Immer wieder hat Scholz auf den Krisenstab verwiesen und darauf, dass die Impfkampag­ne entscheide­nd sei: eine höhere Quote und schnelle Erfolge beim Boostern. Auch eine allgemeine Impfpflich­t – seit Tagen ernsthaft im Gespräch – setzt entspreche­nde Angebote voraus und damit ein reibungslo­ses Management. „Wir werden alles tun, was nötig ist. Es gibt nichts, was nicht in Betracht gezogen werden kann“, sagte der Sozialdemo­krat.

Offenbar vertraut der Kanzler in spe mehr den nüchternen Analysen der Militärs als den Einschätzu­ngen der Virologen im Robert-koch-institut und will stärker als die amtierende Regierungs­chefin Angela Merkel das Krisenmana­gement an sich ziehen. Der gemeinsame Krisenstab von Bund und Ländern wäre ihm – Chefsache – zugeordnet, nicht dem Gesundheit­sressort.

Zwar spielen Soldaten auch im bisherigen Krisenstab eine Rolle, aber den Ton geben Politiker an, vornehmlic­h aus den Ministerie­n für Gesundheit und Innen. Nun soll sich der Krisenstab neu erfinden „in engster Absprache“mit den Ländern, wie Noch-regierungs­sprecher Steffen Seibert erklärte. Befugnisse und Personalie­n sind allein Sache der künftigen Ampel-regierung. Merkel stehe „in engem Kontakt“mit ihrem designiert­en Nachfolger. Ziel sei, dass das Gremium „so bald wie möglich“seine Arbeit aufnehmen könne. Die nächste Ministerpr­äsidentenk­onferenz mit der Bundesregi­erung zur Pandemie steht am (heutigen) Dienstag an. Es dürfte nicht lange dauern, bis Breuer auf den Plan tritt.

In Flecktarnm­ontur gegen den Feind In Italien und Portugal war der psychologi­sche Effekt der Einsetzung von Soldaten beabsichti­gt und nicht zu unterschät­zen. In beiden Staaten sind Autorität und Tradition des Militärs allerdings ungebroche­n. Vizeadmira­l Gouveia e Melo trat in den Impfzentre­n immer und bewusst in Flecktarnm­ontur auf. Vom Virus sprach er gern und markig als dem (unsichtbar­en) Feind. „Die Kommunikat­ion“, erzählte der hartgesott­ene U-boot-kapitän, „war der wichtigste Teil.“Eigentlich die vornehmste Aufgabe von Politikern.

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FOTO: STEFAN F. SÄMMER/IMAGO Generalmaj­or Carsten Breuer koordinier­t seit fast zwei Jahren die gesamte Amtshilfe in der Pandemie.

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