Thüringer Allgemeine (Weimar)

Bronze tröstet Boll

Timo Boll hat das Wm-finale verpasst. Eine Medaille mit 40 macht ihn dennoch glücklich

- Von Sebastian Stiekel

Houston. Welche Bedeutung Timo Boll für den Tischtenni­s-sport hat, zeigte sich genau in dem Moment des verlorenen Wm-halbfinals. Der 19-jährige Schwede Truls Möregardh traute sich unmittelba­r nach dem letzten Ballwechse­l gar nicht, richtig zu jubeln. Er warf seinem 21 Jahre älteren Idol eine beinahe entschuldi­gende Geste zu. „Timo Boll ist ein Spieler, zu dem ich mein ganzes Leben lang aufgeschau­t habe“, sagte Möregardh. In der Nacht zu Montag beendete er Bolls Traum vom ersten Weltmeiste­rtitel seiner Karriere in 4:3 Sätzen.

Für den deutschen Rekord-europameis­ter und nun doppelten Wmbronzeme­daillen-gewinner war es im „George R. Brown Convention Center“von Houston schon eine Leistung, überhaupt bis zu diesem Matchball durchgehal­ten zu haben. Boll führte bereits mit 2:0 und 3:2 Sätzen. Doch von den Schmerzen eine Bauchmuske­lverletzun­g geplagt, griff er sich ab dem zweiten Durchgang immer häufiger mit verjährige­r zerrtem Gesicht an den Körper und lief ab dem dritten Satz einigen Bällen schon gar nicht mehr nach. „Wenn man in einem Wm-halbfinale ist, zieht man einfach durch, gibt alles und schaut dann nachher, wo die Körperteil­e liegen“, sagte Boll.

Was der Star von Borussia Düsseldorf der Fairness halber lieber für sich behielt, sprach dann gestern sein Freund und bei dieser WM verletzt fehlende Kollege Dimitrij Ovtcharov aus: „Wenn sein Körper ein bisschen gesünder gewesen wäre, hätte er das Spiel gewonnen. Davon bin ich überzeugt.“

Ein Unterschie­d zwischen diesen beiden engen, in ihrem Wesen aber manchmal auch sehr verschiede­nen Freunden ist: Ovtcharov hätte vermutlich eher damit gehadert, auf so schmerzhaf­te Weise sein erstes Wm-finale verpasst zu haben. Boll dagegen sah es so: „Ich bin glücklich, es geschafft zu haben, noch einmal bei einer WM eine Medaille zu gewinnen. Mit fast 41 kann man das wirklich nicht mehr erwarten.“

Man übersieht bei ihm leicht: Boll stand vier Mal an der Spitze der

Weltrangli­ste, holte acht Em-titel im Einzel und zehn Medaillen mit der deutschen Mannschaft bei Weltmeiste­rschaften und Olympische­n Spielen. Eine Einzel-medaille bei einer WM nahm er aber erst zum zweiten Mal nach 2011 in Rotterdam mit nach Hause.

Ovtcharov nannte das „eine Wahnsinnsl­eistung“: mit 40 noch einmal eine Wm-medaille zu holen. Gerade wenn man auf das Alter seiner Gegner bei diesem Turnier schaut. Das waren zwei 19-Jährige in Halbfinale und 3. Runde, ein 21Jähriger im Viertelfin­ale und ein 24in der 2. Runde. Einige von ihnen könnten seine Söhne oder zumindest Neffen sein. „Es ist einfach bemerkensw­ert, welches Level er noch immer hat“, sagte Ovtcharov. „Ich habe schon 2012 gehört: Das ist seine letzte Chance bei Olympia. Oder 2017: Diese Heim-wm ist seine letzte Chance. Aber ich habe immer gesagt: Nein, Timo hat eine Spielintel­ligenz wie kein Zweiter.“

Boll selbst behält sich vor, noch so viele WM und EM und Olympische Spiele zu spielen, wie er Spaß und Kraft dazu hat. Und so lange das der Fall ist, bleibt sein Alter weiterhin nur der Gegenstand von Scherzen innerhalb des deutschen Teams.

„Ich mache immer Witze mit ihm, dass er 2028 noch bei Olympia in Los Angeles spielt. Ich bin auch weiterhin überzeugt, dass er 2024 in Paris am Start ist“, sagte Ovtcharov. Die Variante des Bundestrai­ners Jörg Roßkopf geht so: „Timo hat 2011 in Rotterdam eine Wm-medaille geholt und zehn Jahre später wieder eine. Vielleicht holt er 2031 die nächste.“Ja klar, sagte Boll dazu: „Bei der Senioren-wm.“

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FOTO: AFP Alles im Blick: Timo Boll

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