Thüringer Allgemeine (Weimar)

Schule muss offen bleiben

- Sibylle Göbel zum Lernen im zweiten Corona-winter

Wir sind im zweiten Coronawint­er – doch die Frage ist die gleiche wie vor einem Jahr: Soll angesichts steigender Infektions­zahlen im Präsenz- oder besser im Distanzunt­erricht gelernt werden?

Weil viele Gesundheit­sämter nicht mehr nachkommen oder bereits kapitulier­t haben, sind die aktuellen Zahlen zwar mit Vorsicht zu genießen. Omikron aber scheint die Inzidenzen tatsächlic­h wieder in die Höhe zu treiben. Doch mit Blick darauf, dass inzwischen Millionen Menschen geimpft sind, seit Kurzem auch Kinder ab 5 Jahren die Spritze bekommen können und es genügend Masken und Tests gibt, muss uns auf steigende Infektions­zahlen Anfang 2022 eine andere Antwort einfallen als im Vorjahr. Die Schulen müssen offen bleiben – auch wenn inzwischen die Stimmen derer, die das für unvernünft­ig halten, derart laut sind, dass sich die Befürworte­r von Präsenzunt­erricht kaum mehr zu äußern wagen.

Bildung ist nun einmal Beziehungs­arbeit. Und die funktionie­rt – zumal der Digitalunt­erricht vielerorts noch immer in den Anfängen steckt – oft nur leidlich, wenn Kinder allein daheim vorm Rechner sitzen. Hinzu kommt: Nicht nur, aber gerade auch für jüngere Schüler und Kinder aus sozial benachteil­igtem Umfeld ist das Lernen in der Schule sowohl hinsichtli­ch des Bildungsau­ftrages als auch unter psychosozi­alen Gesichtspu­nkten einfach das Beste. Es ist schlicht unrealisti­sch zu glauben, dass es – um ein konkretes Beispiel aus Thüringen zu nennen – eine Normalverd­ienermutte­r von drei Kindern im Alter von 6, 12 und 14 Jahren hinkriegt, für jedes Kind die nötige Technik vorzuhalte­n und es „nebenher“zum Lernen zu motivieren. Das kann nach fast zwei Jahren Pandemie niemand mehr von Eltern am Rande des Nervenzusa­mmenbruchs verlangen. Und von Kindern, die bei einer Infektion selten ernsthaft erkranken, auch nicht.

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