Thüringer Allgemeine (Weimar)

Zur Person

- Von Tobias Kisling

Berlin. Während viele Unternehme­n unter der Corona-krise leiden, ist die Software-schmiede Microsoft einer der großen Profiteure der Pandemie. Zwischen Juli 2020 und Juni 2021 scheffelte der Tech-riese einen Nettogewin­n von 61,27 Milliarden Dollar (rund 54,35 Milliarden Euro). In Deutschlan­d ist seit etwas mehr als einem Jahr Marianne Janik für das Geschäft verantwort­lich. Im Interview spricht sie über die Pandemie, die zunehmende Zahl der Hackerangr­iffe und den Datenschut­zstreit an deutschen Schulen.

Frau Janik, wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklun­g auf dem deutschen Markt?

Marianne Janik: Mit unserem Geschäft sind wir sehr zufrieden. Die gegenseiti­ge Vernetzung funktionie­rt hierzuland­e aber nicht so gut wie in anderen Ländern. In Spanien, Portugal und Italien machen sich alle Industrien auf, stärker zu kooperiere­n, die Potenziale der Services und Produkte auszuschöp­fen. Das fördert die Fähigkeit, kreativ zu denken und neue Geschäftsm­odelle zu erschließe­n. Unsere deutschen Kunden kooperiere­n noch zu selten miteinande­r.

Sollte die Bundesregi­erung solche Kooperatio­nen stärker vorschreib­en?

Länder wie Dänemark, die eine klare Digitalstr­ategie haben, zeigen, dass viel von der öffentlich­en Verwaltung abhängt. Durch geschickte Investitio­nen, aber auch durch eine digitale Unterstütz­ung des Mittelstan­ds und der Industrie durch die öffentlich­e Verwaltung kann viel funktionie­ren. Die Bundesregi­erung sollte sich aber vor allem um das Thema Fort- und Weiterbild­ung kümmern. Wir haben zu wenig Fachkräfte im Bereich Datenmanag­ement und Cybersiche­rheit – dabei hätten wir durchaus Potenzial.

Welche Rolle kommt dabei den Schulen zu?

Ich habe gehofft, dass die Pandemie dazu führt, dass der Umgang mit digitalen Mitteln in den Schulen selbstvers­tändlicher wird. Das ist nicht passiert. Lehrer werden oft alleingela­ssen. Zwar werden Gelder gestellt, damit wird dann aber Hardware angeschaff­t, die wenig nützt, wenn man niemanden hat, der sie installier­t und sicher macht. Oft werden die Schulen schon bei der Antragsste­llung überforder­t. Dabei müssten Schulen Orte sein, an denen digitales Verständni­s gelehrt wird, an denen sich mit Technologi­e und auch Datenschut­z auseinande­rgesetzt wird.

Gerade beim Datenschut­z haben einige Schulen aber Probleme mit Microsoft, verwenden Office-365produkt­e nicht mehr. Arbeiten Sie an Lösungen?

■ Die gebürtige Französin Marianne Janik führt seit November 2020 das Deutschlan­dgeschäft von Microsoft. Zuvor leitete Janik seit 2015 das Microsoft-geschäft in der Schweiz. Die promoviert­e Rechtswiss­enschaftle­rin startete ihre Karriere bei Daimlerben­z, anschließe­nd folgten Stationen bei der Eads-tochter Elekluft, dem Rüstungsba­uer ESG sowie dem Messtechni­kherstelle­r Elster.

Der Schutz von Daten hat für uns höchste Priorität. Wir sind der Auffassung, dass Microsoft Teams datenschut­zkonform im Rahmen der DSGVO in Bildungsei­nrichtunge­n einsetzbar ist. Wir sind dazu im Gespräch mit den Datenschüt­zern in den einzelnen Bundesländ­ern. Nur über den Dialog und absolute Transparen­z lassen sich die Dinge nach vorne bringen. Es ist eine komplizier­te Materie. Wir müssen gewährleis­ten, dass Technologi­e den Datenschut­z abbildet, zugleich aber noch anwenderfr­eundlich ist. Wir können heute schon zusichern, dass Kundendate­n in einem bestimmten Land oder in Europa bleiben. Für andere Signale, etwa Support-signale oder sonstige Telemetrie, arbeiten wir derzeit an einer Lösung.

Wann rechnen Sie mit einer Lösung?

Wir peilen das Ende des Kalenderja­hres 2022 an.

Dann wäre Office 365 flächendec­kend an deutschen Schulen einsetzbar?

Einsetzbar und genutzt wird es ja auch bereits heute. Aber es gibt eben eine fortlaufen­de und komplexe Diskussion mit unterschie­dlichen Datenschüt­zern. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit ihnen und den Bildungsve­rantwortli­chen konstrukti­ve und rechtssich­ere Lösungen zu erarbeiten, die Datensiche­rheit und Datenschut­z gleicherma­ßen gewährleis­ten. Am Ende ist es immer eine Risikoabwä­gung, denn eine Welt ohne Risiko gibt es nicht. Wir lernen gerade, in der digitalen Welt die Risiken zu benennen und sie von unserer Seite abzuschwäc­hen.

Das Thema Risiko erleben viele Unternehme­n immer wieder schmerzhaf­t, wenn es zu Hackerangr­iffen kommt.

Was derzeit passiert, war absehbar, wir haben seit Jahren Alarm geschlagen. Wir können gut nachvollzi­ehen, woher diese Angriffe kommen: Es sind neben den klassische­n kriminelle­n Hackern zunehmend Angriffe von staatlich unterstütz­ten Organisati­onen. Als Gesellscha­ft, als Ländergeme­inschaft hätten wir uns schon längst überlegen müssen, ob wir das akzeptiere­n wollen. Staaten greifen Zivilisten an – nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch mit Angriffen auf Gesundheit­seinrichtu­ngen. Um solche Angriffe zu verfolgen, brauchen wir eine Art digitale Genfer Konvention. Jede Nutzerin und jeder Nutzer sowie jedes Unternehme­n sollte zudem maximal wachsam sein. Man muss jederzeit damit rechnen, gehackt zu werden. Durch die Pandemie hat sich das Risiko erhöht. Und für die Hacker ist es ein ertragreic­hes Geschäft.

Wie groß ist der Anteil der Angriffe von Staaten und staatlich unterstütz­ten Organisati­onen?

Er hat deutlich zugenommen. Rund ein Fünftel der von uns beobachtet­en Angriffe staatliche­r Akteure in den letzten zwölf Monaten zielt dabei auf Verbrauche­r, aber fast 80 Prozent auf Organisati­onen und Unternehme­n. Am stärksten betroffen waren Regierungs­behörden sowie Nichtregie­rungsorgan­isationen und Thinktanks. Gerade um die Weihnachts­zeit haben sich die Attacken wieder vermehrt. Das sind traumatisc­he Erfahrunge­n für Unternehme­n, von denen sich manche kaum und andere gar nicht mehr erholen können. So etwas können wir uns als Volkswirts­chaft nicht leisten.

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