Thüringer Allgemeine (Weimar)

Macrons zwiespälti­ge Corona-politik

Frankreich­s Präsident will Omikron eindämmen – aber so, dass ihm die Bürger das vor der Wahl nicht übel nehmen

- Von Peter Heusch

Paris. Es sind nur noch knapp 100 Tage bis zur ersten Runde der Präsidente­nwahlen in Frankreich. Amtsinhabe­r Emmanuel Macron jedoch, so beteuern seine Minister und Vertrauten, habe Wichtigere­s zu tun, als sich im Wahlkampf zu verausgabe­n. Die Eindämmung der Pandemie, die Wirtschaft und die am 1. Januar übernommen­e Eu-ratspräsid­entschaft würden seine gesamte Aufmerksam­keit in Beschlag nehmen. „Ich werde mein Mandat bis zur letzten Minute 100-prozentig ausüben, alles andere ist in der derzeitige­n Situation zweitrangi­g“, pflegt Macron die ihm immer wieder gestellte Frage abzuwiegel­n, ob er sich zur Wiederwahl stellen wird.

Eingestieg­en in das Ringen um die Wiederwahl ist er dennoch, allerdings indirekt. Seine Strategie: Macron will die Franzosen als Corona-krisenmana­ger und als „Europapräs­ident“davon überzeugen, dass er der Geeignetst­e ist, das Land weitere fünf Jahre lang zu regieren. Wobei ohnehin klar ist, dass er, der bereits vor 18 Monaten die Rolle des „Obervirolo­gen“übernommen hat, im Kampf gegen die Pandemie nicht scheitern darf. Allein die

Omikron-variante könnte ihm hier noch seine Bilanz vermasseln.

Frankreich­s Impfquote etwa – 90 Prozent der Einwohner über zwölf Jahre sind vollständi­g geimpft, und 42 Prozent haben bereits die Auffrischu­ng erhalten – kann sich sehen lassen. Zu verdanken ist das in erster Linie dem Präsidente­n, der sich im vergangene­n Frühsommer entschloss, die impfskepti­schen Franzosen mit der Einführung eines Gesundheit­spasses quasi zur Spritze zu verpflicht­en. Denn seitdem gilt, dass nur noch jene Menschen Restaurant­s, Museen, Kinos oder Einkaufsze­ntren besuchen oder mit dem Zug reisen dürfen, die nachweisli­ch genesen, geimpft oder negativ getestet sind.

Doch weil Omikron die Inzidenz in den letzten Wochen regelrecht explodiere­n ließ (sie liegt derzeit bei 1730) und mittlerwei­le auch wieder die Krankenhäu­ser füllt, zieht Macron erneut die Zügel an: Ab Mitte Januar sollen nur noch vollständi­g geimpfte Personen am öffentlich­en Leben teilhaben dürfen. Schulen sollen offen bleiben – aber mit Maskenpfli­cht. Die Maske wird auch Pflicht auf Straßen der Großstädte.

Einen erneuten Stillstand des Landes indes will Macron um jeden Preis vermeiden. Ausgangssp­erren oder gar ein Lockdown stehen nicht zur Diskussion. Zu Beginn der Woche wurden sogar die Quarantäne­regeln gelockert, um massenhaft­e Arbeitsaus­fälle zu verhindern.

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FOTO: MARIN / AFP Macht Druck auf Ungeimpfte: Emmanuel Macron.

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