Macrons zwiespältige Corona-politik
Frankreichs Präsident will Omikron eindämmen – aber so, dass ihm die Bürger das vor der Wahl nicht übel nehmen
Paris. Es sind nur noch knapp 100 Tage bis zur ersten Runde der Präsidentenwahlen in Frankreich. Amtsinhaber Emmanuel Macron jedoch, so beteuern seine Minister und Vertrauten, habe Wichtigeres zu tun, als sich im Wahlkampf zu verausgaben. Die Eindämmung der Pandemie, die Wirtschaft und die am 1. Januar übernommene Eu-ratspräsidentschaft würden seine gesamte Aufmerksamkeit in Beschlag nehmen. „Ich werde mein Mandat bis zur letzten Minute 100-prozentig ausüben, alles andere ist in der derzeitigen Situation zweitrangig“, pflegt Macron die ihm immer wieder gestellte Frage abzuwiegeln, ob er sich zur Wiederwahl stellen wird.
Eingestiegen in das Ringen um die Wiederwahl ist er dennoch, allerdings indirekt. Seine Strategie: Macron will die Franzosen als Corona-krisenmanager und als „Europapräsident“davon überzeugen, dass er der Geeignetste ist, das Land weitere fünf Jahre lang zu regieren. Wobei ohnehin klar ist, dass er, der bereits vor 18 Monaten die Rolle des „Obervirologen“übernommen hat, im Kampf gegen die Pandemie nicht scheitern darf. Allein die
Omikron-variante könnte ihm hier noch seine Bilanz vermasseln.
Frankreichs Impfquote etwa – 90 Prozent der Einwohner über zwölf Jahre sind vollständig geimpft, und 42 Prozent haben bereits die Auffrischung erhalten – kann sich sehen lassen. Zu verdanken ist das in erster Linie dem Präsidenten, der sich im vergangenen Frühsommer entschloss, die impfskeptischen Franzosen mit der Einführung eines Gesundheitspasses quasi zur Spritze zu verpflichten. Denn seitdem gilt, dass nur noch jene Menschen Restaurants, Museen, Kinos oder Einkaufszentren besuchen oder mit dem Zug reisen dürfen, die nachweislich genesen, geimpft oder negativ getestet sind.
Doch weil Omikron die Inzidenz in den letzten Wochen regelrecht explodieren ließ (sie liegt derzeit bei 1730) und mittlerweile auch wieder die Krankenhäuser füllt, zieht Macron erneut die Zügel an: Ab Mitte Januar sollen nur noch vollständig geimpfte Personen am öffentlichen Leben teilhaben dürfen. Schulen sollen offen bleiben – aber mit Maskenpflicht. Die Maske wird auch Pflicht auf Straßen der Großstädte.
Einen erneuten Stillstand des Landes indes will Macron um jeden Preis vermeiden. Ausgangssperren oder gar ein Lockdown stehen nicht zur Diskussion. Zu Beginn der Woche wurden sogar die Quarantäneregeln gelockert, um massenhafte Arbeitsausfälle zu verhindern.