Ohne Moos nichts los
Manchmal braucht es nur einen Blick über den eigenen Tellerrand, um Dinge richtig einzunorden. Als vor einem Jahr bei den Australian Open der Tennisprofis zahlreiche Spielerinnen und Spieler für 14 Tage im Hotelzimmer ihre Corona-quarantäne absitzen mussten und deshalb viel Kritik äußerten, blieb Alexander Zverev dagegen gelassen. „Für 100.000 Dollar würden andere Menschen noch viel länger in Quarantäne gehen“, sagte der 24-Jährige damals über die Tatsache, dass beim ersten Grand-slam-turnier des Jahres jeder Teilnehmer schon in der ersten Runde ein Preisgeld in dieser Höhe einstreicht.
Jene Summe also, auf die sich der Gesamtsieger der Vierschanzentournee in diesem Jahr freuen darf. Zur 70. Auflage des legendären Skisprung-events über den Jahreswechsel haben sich die Organisatoren entschlossen, die fünffache Prämie auszuschütten. Der Japaner Ryōyū Kobayashi als momentan Führender in der Gesamtwertung darf sich nun im Falle seines Triumphes auf umgerechnet knapp 96.000 Euro freuen.
Aber auch hier lohnt sich eine genaue Betrachtung. Denn die stolze Summe erscheint beim Vergleich mit anderen Wettbewerben in einem anderen Licht. So gab es im Skispringen in der Vergangenheit
nämlich noch wesentlich besser dotierte Veranstaltungen. Bei der Raw-air-tour in Norwegen werden dem Gesamtsieger genau 60.000 Euro überwiesen. Und der Gewinner des berühmten Hahnenkamm-rennens der alpinen Skirennläufer in Kitzbühel kassiert alleine schon 100.000 Euro.
Skisprung-bundestrainer Stefan Horngacher wertete die Preisanpassung als längst überfälligen Schritt: „Endlich hat man begriffen, was die Jungs hier für eine Leistung bringen. In anderen Sportarten war das schon früher so. Man kann drüber diskutieren, ob das eigentlich genug ist, wenn man schaut, welcher Fokus und
Druck dahintersteckt.“Schon einmal lockte ein vergleichsweise hohes Preisgeld bei der Vierschanzentournee der Skispringer. In der Saison 2011/12 wurden einmalig eine Million Schweizer Franken für jenen Athleten ausgelobt, der alle vier Entscheidungen gewinnen sollte. Der Österreicher Gregor Schlierenzauer kam damals aber lediglich auf zwei Tageserfolge.
Der Top-verdiener der Skispringer im vergangenen Winter war übrigens der norwegische Gesamtweltcup-gewinner Halvor Egner Granerud, dem umgerechnet 200.000 Euro ausgezahlt wurden.
Obwohl Skispringen zu den beliebtesten sowie spektakulärsten
Winterdisziplinen zählt und zudem im Fernsehen zum Teil riesige Einschaltquoten zu verzeichnen hat, zeigt man sich in vielen anderen Sportarten weitaus großzügiger. Der neue Darts-weltmeister Peter Wright hat neben der begehrten Sid-waddell-trophy eine recht ansehnliche Summe erhalten – nämlich etwa 546.000 Euro.
Schachweltmeister Magnus Carlsen durfte sich vor wenigen Tagen nicht nur über seine Titelverteidigung freuen, sondern auch über ein stolzes Preisgeld von 1,2 Millionen Euro. Auch im Boxen hat man einen neuen Reiz gesetzt. Bei der WM im Oktober und November in Belgrad wurden zum ersten Mai die Medaillengewinne finanziell belohnt. Jeder Titelträger erhielt etwa 86.000 Euro, für Bronze gab es noch 21.500 Euro. Bezahlt wurden die Gelder vom russischen Hauptsponsor Gazprom.
So lukrativ die Prämien auch sein mögen, jede Menge an Energie müssen die Athleten erst einmal aufbringen, um irgendwann ganz oben in der internationalen Spitze anzukommen – wenn sie es denn überhaupt schaffen. Und: Viele von ihnen legen ihre ganze Kraft in den Leistungssport.
Als die inzwischen zurückgetretene Laura Dahlmeier noch als Weltklasse-biathletin die Szenerie beherrschte, betrachtete sie die Preisgelder als Investitionen in die Zukunft. „Ich versuche schon, Geld für später auf die Seite zu legen. Dann kann ich vielleicht noch einmal etwas ganz Neues beginnen“, sagte sie einst in einem Interview und betonte damals, dass sie noch keine Ausbildung und noch kein Studium abgeschlossen habe: „Wenn ich jetzt mit meinem Sport aufhören würde, stünde ich erst einmal mit leeren Händen da.“