Hirtes taktischer Rückzug
Warum der Cdu-landeschef auf den Sitz in der Bundesspitze verzichtet – und wer nervt
Erfurt. Als sich am Dienstagabend, 18 Uhr, das Präsidium der Thüringer CDU per Video zusammenschaltete, teilte Christian Hirte Erstaunliches mit. Er werde, sagte er, nun doch nicht auf dem anstehenden Bundesparteitag für den Bundesvorstand kandidieren.
Stattdessen schlug er neben seinem Amtsvorgänger Mike Mohring, der bereits in dem Gremium sitzt, die Greizer Landrätin Martina Schweinsburg vor. Sie soll die frühere Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski ersetzen, die freiwillig ausscheidet.
Die Mehrheit der Präsidiumsmitglieder wurde von der Wendung überrascht. Schließlich hatte Hirte bis zuletzt signalisiert, gerne auch formal dem Bundesvorstand angehören zu wollen. Dabei gab es mindestens drei Argumente dagegen. Erstens dürfte der kleine Landesverband kaum mit zwei männlichen Kandidaten Erfolg haben, da stets mehr Männer als Frauen für die Spitze kandidieren.
Zweitens würde Mohring, der nach seinem Scheitern als Bundestagskandidat seine letzte politische Anbindung an Berlin halten will, nie freiwillig verzichten. Und drittens sitzt Hirte als Landeschef, wenn er will, im Konrad-adenauerhaus sowieso als Gast mit dabei. Dass er kein Stimmrecht besitzt, fiel bislang nahezu nie ins Gewicht.
Hinzu kam, dass Hirte zuletzt als Bundestagsabgeordneter bei der Wahl der Vizefraktionschefs, für die er kandidierte, eine bittere Niederlage erlitten hatte. Sogar in der auf drei Mitglieder geschrumpften Landesgruppe konnte er erst nach Kampfabstimmungen seine Führung durchsetzen.
Doch das alles hatte Hirte ignoriert, bis er nun kurz vor der entden scheidenden Gremiensitzung den taktischen Rückzug antrat. Die Logik, dass ein Durchfallen auf dem Parteitag ihn als Landeschef irreparabel beschädigt hätte, war offenkundig zu klar.
Doch warum Martina Schweinsburg als Ersatzkandidatin? Dies fragte in der Präsidiumsschalte nicht nur der Ehrenvorsitzende Bernhard Vogel. Ja, sie hat als Frau größere Chancen, aber sie ist auch in der Partei umstritten. Warum also nicht die Europaabgeordnete Marion Walsmann oder die Bundestagsabgeordnete Antje Tillmann? Als dienstälteste Kommunalpolitikerin Deutschlands mit klarem Profil
habe Schweinsburg
Chancen, erwiderte Hirte.
Immerhin: Er hat damit eine potenzielle Blamage für sich abgewendet. Das Präsidium stimmte also zu, genauso wie der Landesvorstand, der mit den Kreisvorsitzenden ab 19 Uhr zugeschaltet wurde. Zwar sagten viele noch vieles, aber Streit oder gar Gegenkandidaturen gab es nicht.
Damit war nur noch ein missliches Thema abzuarbeiten: Hansgeorg Maaßen, Ex-bundesverfassungsschutzchef und gescheiterter Bundestagskandidat in Südthüringen, der in unregelmäßigen Abständen auf Twitter und rechtslehnenbessere Medien die eigene Partei provoziert. So griff er Angela Merkel zum Abschied nochmals frontal an und schien zuletzt gar ein Impfverbot zu fordern – wobei er, wie er danach erklärte, wieder einmal missverstanden worden sei.
Für Hirte und Landtagsfraktionschef Mario Voigt, die ihn seit der Bundestagswahl nur noch ignorieren wollen, bleibt Maaßen damit ein nerviges Problem. Schließlich ist er seit Sommer 2021 Mitglied im Kreisverband Schmalkalden-meiningen und gerade dabei, in den Verband nach Suhl zu wechseln, wo er einen Nebenwohnsitz unterhält.
Und so ließ sich Hirte vom Vorstand einige kritische Sätze absegnen. Sie lauten: „Wir distanzieren uns scharf von den Inhalten, die Hans-georg Maaßen in den sozialen Medien geteilt hat. Sie widersprechen vollkommen der Position unseres Landesverbands.“
Wichtiger noch für den Landeschef: Auch die vier Thüringer Kreisverbände, die im Frühjahr 2021 Maaßen gegen seinen Willen nominiert hatten, teilen die Erklärung.
Überhaupt scheint Maaßen in der Landesspitze endgültig unten durch zu sein. Der Mann sei „verbrannt“und bettle „nur noch um Aufmerksamkeit“sind noch die freundlicheren Formulierungen. Der Altenburger Cdu-oberbürgermeister André Neumann, der auch im Landesvorstand sitzt, twitterte gar: „Ein charakterloser Brunnenvergifter.“
Allerdings, ein Parteiausschlussverfahren, wie es die Kieler Cduministerin Katja Prien forderte, will niemand. Die rechtlichen Hürden seien zu hoch, heißt es übereinstimmend. Martin Kummer, der kommissarische Cdu-kreischef von Suhl, der Maaßen jetzt aufnehmen soll, formulierte es so: „Wir müssen auch irre Meinungen ertragen.“