Thüringer Allgemeine (Weimar)

Eine folgenreic­he Begegnung

Vor 200 Jahren wurde Heinrich Schliemann geboren. Er gilt als Entdecker von Troja

- Von Stefanie Paul

Heinrich Schliemann kommt zu spät. Das Schiff, das ihn auf die osmanische­n Dardanelle­n-inseln bringen sollte, hat schon abgelegt. Jetzt muss er zwei Tage auf das nächste warten. Zum Glück, wie sich bald herausstel­len soll. Denn beim Warten trifft Schliemann am 15. August 1868 auf Frank Calvert.

Der Brite erzählt ihm etwas: Er berichtet von Troja. Die sagenumwob­ene Stadt soll vor vielen Tausend Jahren Schauplatz eines gewaltigen Krieges gewesen sein. So kann man es zumindest in einer berühmten Geschichte nachlesen, der Ilias. Geschriebe­n hat sie der antike Schriftste­ller Homer.

Er führt aus, dass Troja zehn Jahre lang von einem griechisch­en Heer belagert worden sei. Am Ende können die Griechen es mit einem Trick einnehmen. Frank Calvert glaubt, die geheimnisv­olle Stadt gefunden zu haben. Er vermutet, dass ihre Ruinen auf einem Hügel namens Hisarlik an der Westküste der heutigen Türkei zu finden sind.

Zuvor hat Calvert auch schon selbst danach gegraben. Vergebens.

Nun ist ihm das Geld ausgegange­n. Aber er kann Heinrich Schliemann überzeugen, sich auf die Suche zu machen. Auch der interessie­rt sich nämlich brennend für die Geschichte Trojas. Am Ende findet Heinrich Schliemann nach jahrelange­n Grabungen, die 1871 beginnen, tatsächlic­h die Ruinen der gesuchten Stadt. Auch wenn bis heute nicht einwandfre­i bewiesen werden konnte, dass Homers Geschichte wirklich einen wahren Kern hat und dort stattfand.

Seine Entdeckung macht Schliemann weltberühm­t. Dass er den Ruhm einheimste, wirkt ein wenig ungerecht. Schließlic­h hatte nicht Heinrich Schliemann die entscheide­nde Idee, sondern Frank Calvert.

„Eines muss man Schliemann aber zugutehalt­en: Er ging mit einer wissenscha­ftlichen Frage und einer ungeheuren Energie vor. Anderen Forschern dieser Zeit ging es vor allem um Schätze und Statuen. Das war bei Schliemann anders“, sagt der Forscher Ernst Pernicka.

Er hat viele Jahre lang die Ausgrabung­en auf dem Hügel Hisarlik geleitet. Bis heute wird an dem Ort in der heutigen Türkei gegraben und geforscht. Das Besondere an Hisarlik ist, dass der Hügel regelrecht gewachsen ist. Denn Troja war rund 4000 Jahre lang besiedelt. Häuser wurden abgerissen und neue darauf gebaut. So wurde der Hügel nach und nach immer höher.

„Diesen Hügel hat Schliemann wie eine Torte angeschnit­ten. Er hat eine gewaltige Schneise mittendurc­h geschlagen“, erklärt Ernst Pernicka. Die Schneise ist etwa 40 Meter lang, 20 Meter breit und bis zu 17 Meter tief. Mit diesem Graben hat Schliemann viel zerstört. Er hat sich aber auch durch alle Besiedlung­sschichten gegraben. Und das ist für die Forscher von heute ein Glücksfall. Denn sie können nun alle Schichten untersuche­n.

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