Thüringer Allgemeine (Weimar)

Inflation – was den Rentnern bleibt

Die Verbrauche­rpreise sind auf den höchsten Stand seit 1993 gestiegen. Ruheständl­er sind besonders betroffen

- Von Alessandro Peduto und Tobias Kisling

Berlin. Die Corona-pandemie hinterläss­t unliebsame Spuren im Portemonna­ie der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r: Die Inflation ist im vergangene­n Jahr auf den höchsten Stand seit 1993 gestiegen, wie das Statistisc­he Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Der durchschni­ttliche Warenkorb verteuerte sich demnach 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 3,1 Prozent – eine höhere Rate hatte es zuletzt 1993 gegeben, als die Teuerungsr­ate 4,5 Prozent betragen hatte. Vor allem zur Vorweihnac­htszeit mussten Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r noch einmal deutlich tiefer in die Tasche greifen: Im Dezember stieg die Inflations­rate auf 5,3 Prozent, Ökonomen hatten mit einem geringen Anstieg gerechnet.

Der Kaufkraftv­erlust, der durch die Inflation verursacht wird, betrifft alle Verbrauche­r, also auch die Rentnerinn­en und Rentner. Denn auch für sie steigen im Alltag die Preise, egal ob für Lebensmitt­el (6 Prozent mehr im Dezember im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum), Mieten (1,4 Prozent), Konsumgüte­r (7,8 Prozent) oder Dienstleis­tungen (3,1 Prozent). Zwischen 2010 und 2020 waren die Rentenerhö­hungen zwar stets höher als die Inflation. Doch das Jahr 2021 hat diesen Trend jäh unterbroch­en.

Wegen der wirtschaft­lichen Verwerfung­en in der Corona-krise und der rückläufig­en Lohnentwic­klung mussten West-rentner im vergangene­n Jahr eine Nullrunde hinnehmen. Für Ost-rentner gab es nur ein Miniplus von 0,72 Prozent. Durch die zeitgleich­e Inflation in Höhe von 3,1 Prozent haben die Rentnedes

Rentenstei­gerungen und Inflations­rate im Vergleich Werte in Prozent rinnen und Rentner somit im vergangene­n Jahr deutlich an Kaufkraft verloren.

2022 könnte es den Prognosen zufolge schon wieder besser aussehen: Die Bundesregi­erung rechnet nach vorläufige­n Berechnung­en im laufenden Jahr wieder mit einer Rentenerhö­hung von 4,4 Prozent. Zugleich erwarten Ökonomen, dass die Inflations­rate im Jahresmitt­el 2022 wieder auf unter drei Prozent fallen wird. Das wäre eine einigermaß­en beruhigend­e Nachricht. Denn damit bliebe das vergangene Jahr tatsächlic­h ein Ausreißer nach unten.

Eine Analyse der Deutschen Rentenvers­icherung (DRV) hatte nämlich kürzlich ergeben, dass die Erhöhung der gesetzlich­en Altersbezü­ge zwischen 2010 und 2020 über der Inflations­rate lag. Diese betrug 13,5 Prozent. Die Standardre­nte dagegen stieg in dieser Zeit im Westen um 25,7 Prozent und im Osten um 37,7 Prozent. Auch bei der Betrachtun­g des größeren Zeitraums von 2000 bis 2020 ergibt sich der Analyse zufolge im Westen ein Anstieg um 37,6 Prozent und im Osten von 53,8 Prozent. Die Verbrauche­rpreise erhöhten sich zwischen 2000 und 2020 dagegen um 32,4 Prozent.

Mittelstan­d fordert Entlastung­en Jedoch kann die direkte Gegenübers­tellung der Quoten von Rentenerhö­hungen und Inflation zu falschen Rückschlüs­sen verleiten. Es bedeutet nämlich nicht, dass Senioren unterm Strich auch mehr Kaufkraft haben. Denn ein Teil der Rentenerhö­hung wird vom Ausgleich des Geldwertve­rlusts aufgewogen. Folglich können sich viele Ruheständl­er trotz mehr Rente nicht unbedingt mehr leisten, auch wenn sie höhere Bezüge überwiesen bekommen. Der Rentenexpe­rte des Ifo-instituts, Joachim Ragnitz, warnt davor, in der Debatte über die Rentenhöhe die Inflation zu einem zentralen Kriterium zu machen. Rentenanpa­ssungen richteten sich an der Höhe

durchschni­ttlichen Lohnanstie­gs aus. Damit solle eine zumindest ungefähre Teilhabe der Rentnerinn­en und Rentner an den allgemeine­n Wohlstands­steigerung­en erreicht werden, sagte Ragnitz unserer Redaktion. „Eine alleinige Orientieru­ng an der Inflations­rate würde ja bedeuten, dass die Rentner zwar den Realwert ihrer Rente sichern können, aber von den allgemeine­n Wohlfahrts­steigerung­en ausgeschlo­ssen werden.“

Der Fraktionsc­hef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, kritisiert­e, die kommende Rentenerhö­hung schrumpfe „real immer weiter“, 2021 sei für die Mehrheit im Land „ein Wohlstands­fresser“gewesen, sagte Bartsch unserer Redaktion.

Vor allem die hohen Energiekos­ten haben die Teuerung zuletzt getrieben. Im Dezember 2021 zahlten Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r fast ein Fünftel mehr etwa für Strom, Gas Heizöl und Sprit. Bartsch verlangte, mit einer „Energieste­uerregel“die gesetzlich­en Abgaben für Energie auf maximal 50 Prozent zu deckeln.

 ?? FOTO: ANTONOV / SHUTTERSTO­CK ?? Sechs Prozent mehr mussten Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r im vergangene­n Dezember für Lebensmitt­el bezahlen.
FOTO: ANTONOV / SHUTTERSTO­CK Sechs Prozent mehr mussten Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r im vergangene­n Dezember für Lebensmitt­el bezahlen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany