Nach Firmenpleiten: Stadtwerke führen Extra-tarif für Strom ein
Unternehmen muss für Neukunden zu horrenden Preisen die Versorgung sichern
Weimar. Mit einem Extra-tarif für Neukunden wollen die Stadtwerke Weimar die finanziellen Folgen der zunehmenden Pleiten von Energieversorgern abfedern. Wer danach automatisch zum Weimarer Unternehmen in die Grund- und Ersatzversorgung für Strom wechselt, der muss tiefer in die Tasche greifen als Bestandskunden.
Die Stadtwerke haben aufgrund von Lieferstopps durch Drittanbieter in jüngster Zeit rund 460 Weimarer Haushalte in die Grund- und Ersatzversorgung für Strom und etwa 250 Haushalte in die Grund- und Ersatzversorgung beim Gas übernommen. Dadurch entstehen dem Unternehmen Mehrkosten, weil es über den geplanten Bedarf hinaus kurzfristig am Energiemarkt zukaufen muss. Und dort liegen die Preise derzeit auf Rekordniveau, betonte
Geschäftsführer Jörn Otto auf Anfrage unserer Zeitung.
Mit dem zusätzlich eingeführten Tarif für Neukunden in der Grundund Ersatzversorgung mit Strom wollen die Stadtwerke ihre „treuen Bestandskunden schützen“. Der regionale Energieversorger wolle nicht die Kosten für die Energiebeschaffung für Neukunden auf alle Haushalte verteilen. „Das würde unsere langjährigen Kunden benachteiligen, deren Energieversorgung wir durch eine langfristige Einkaufsstrategie kostengünstiger absichern konnten“, so der Geschäftsführer weiter.
Die Mehrkosten durch den neuen Tarif bezifferte er für einen Weimarer Durchschnittshaushalt mit einem Stromverbrauch von jährlich 1500 kwh in der Grund- und Ersatzversorgung mit rund 58 Euro brutto im Monat beziehungsweise etwa 695 Euro brutto im Jahr.
Die große Bewegung auf dem Markt führt zugleich dazu, dass die Stadtwerke – wie andere regionale Anbieter – auf Online-vergleichsportalen plötzlich ganz oben als besonders günstige Versorger auftauchen. Einerseits könnten Billiganbieter wegen der massiven Preissteigerungen nicht mehr zum vertraglich vereinbarten Preis liefern und hätten ihre Preisangebote von den Portalen genommen. Andere hätten ihre Preise deutlich erhöht und seien daher beim Vergleich abgestürzt, erläuterte Jörn Otto.
Am 22. Dezember hatte der Discounter Stromio über Nacht die Belieferung seiner Kundinnen und Kunden eingestellt. Zuvor ereilte dies jene des Schwesterunternehmens „Gas.de“. Seit Jahresende hätten auch Neckermann Strom, „enqu“und der Strom-anbieter „machdasmalanders“ihre Lieferungen gestoppt. Die hiervon betroffenen etwa 25 Weimarer Haushalte kamen ebenso automatisch in die Grund- und Ersatzversorgung für Strom der Stadtwerke.
Für Jörn Otto steht fest: „Zahlreiche Energiediscounter haben in der Vergangenheit die Verbraucher mit Billigtarifen gelockt. Das Geschäftsmodell der kurzfristigen, spekulativen Preispolitik dieser Anbieter geht gerade in solchen Zeiten nicht mehr auf“, sagte er angesichts der Tatsache, dass sich die Preise am Energiehandelsmarkt auf einem historischen Rekordniveau befinden und sich „in einem nie gekannten Ausmaß verteuert“hätten. Daher könnten oder wollten die Discounter die versprochenen Billigkonditionen nicht mehr halten.
Die Stadtwerke Weimar versorgen – ohne Gewerbekunden – in Weimar rund 32.500 Haushalte mit Strom und rund 7500 Haushalte mit Gas. Tendenz steigend.