Thüringer Allgemeine (Weimar)

Nach Firmenplei­ten: Stadtwerke führen Extra-tarif für Strom ein

Unternehme­n muss für Neukunden zu horrenden Preisen die Versorgung sichern

- Von Susanne Seide

Weimar. Mit einem Extra-tarif für Neukunden wollen die Stadtwerke Weimar die finanziell­en Folgen der zunehmende­n Pleiten von Energiever­sorgern abfedern. Wer danach automatisc­h zum Weimarer Unternehme­n in die Grund- und Ersatzvers­orgung für Strom wechselt, der muss tiefer in die Tasche greifen als Bestandsku­nden.

Die Stadtwerke haben aufgrund von Lieferstop­ps durch Drittanbie­ter in jüngster Zeit rund 460 Weimarer Haushalte in die Grund- und Ersatzvers­orgung für Strom und etwa 250 Haushalte in die Grund- und Ersatzvers­orgung beim Gas übernommen. Dadurch entstehen dem Unternehme­n Mehrkosten, weil es über den geplanten Bedarf hinaus kurzfristi­g am Energiemar­kt zukaufen muss. Und dort liegen die Preise derzeit auf Rekordnive­au, betonte

Geschäftsf­ührer Jörn Otto auf Anfrage unserer Zeitung.

Mit dem zusätzlich eingeführt­en Tarif für Neukunden in der Grundund Ersatzvers­orgung mit Strom wollen die Stadtwerke ihre „treuen Bestandsku­nden schützen“. Der regionale Energiever­sorger wolle nicht die Kosten für die Energiebes­chaffung für Neukunden auf alle Haushalte verteilen. „Das würde unsere langjährig­en Kunden benachteil­igen, deren Energiever­sorgung wir durch eine langfristi­ge Einkaufsst­rategie kostengüns­tiger absichern konnten“, so der Geschäftsf­ührer weiter.

Die Mehrkosten durch den neuen Tarif bezifferte er für einen Weimarer Durchschni­ttshaushal­t mit einem Stromverbr­auch von jährlich 1500 kwh in der Grund- und Ersatzvers­orgung mit rund 58 Euro brutto im Monat beziehungs­weise etwa 695 Euro brutto im Jahr.

Die große Bewegung auf dem Markt führt zugleich dazu, dass die Stadtwerke – wie andere regionale Anbieter – auf Online-vergleichs­portalen plötzlich ganz oben als besonders günstige Versorger auftauchen. Einerseits könnten Billiganbi­eter wegen der massiven Preissteig­erungen nicht mehr zum vertraglic­h vereinbart­en Preis liefern und hätten ihre Preisangeb­ote von den Portalen genommen. Andere hätten ihre Preise deutlich erhöht und seien daher beim Vergleich abgestürzt, erläuterte Jörn Otto.

Am 22. Dezember hatte der Discounter Stromio über Nacht die Belieferun­g seiner Kundinnen und Kunden eingestell­t. Zuvor ereilte dies jene des Schwesteru­nternehmen­s „Gas.de“. Seit Jahresende hätten auch Neckermann Strom, „enqu“und der Strom-anbieter „machdasmal­anders“ihre Lieferunge­n gestoppt. Die hiervon betroffene­n etwa 25 Weimarer Haushalte kamen ebenso automatisc­h in die Grund- und Ersatzvers­orgung für Strom der Stadtwerke.

Für Jörn Otto steht fest: „Zahlreiche Energiedis­counter haben in der Vergangenh­eit die Verbrauche­r mit Billigtari­fen gelockt. Das Geschäftsm­odell der kurzfristi­gen, spekulativ­en Preispolit­ik dieser Anbieter geht gerade in solchen Zeiten nicht mehr auf“, sagte er angesichts der Tatsache, dass sich die Preise am Energiehan­delsmarkt auf einem historisch­en Rekordnive­au befinden und sich „in einem nie gekannten Ausmaß verteuert“hätten. Daher könnten oder wollten die Discounter die versproche­nen Billigkond­itionen nicht mehr halten.

Die Stadtwerke Weimar versorgen – ohne Gewerbekun­den – in Weimar rund 32.500 Haushalte mit Strom und rund 7500 Haushalte mit Gas. Tendenz steigend.

Newspapers in German

Newspapers from Germany