Eine Chance zum Dialog
Die Landesregierung zieht die Notbremse. Endlich, möchte man anfügen. Die Monate mit Einschränkungen eines wichtigen Grundrechts sollen der Vergangenheit angehören; corona-bedingte Restriktionen bei Versammlungen fallen weg, waren ohnehin stets umstritten und sind seit Wochen nicht mehr zu rechtfertigen.
Dass sich die Landesregierung in Form eines Machtwortes des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) mit einigem zeitlichen Versatz bewegt, dürfte der Erkenntnis geschuldet sein, dass die Lage immer unkontrollierbarer wurde. Zehntausende Menschen versammelten sich unangemeldet auf den Straßen – und spielten mit der Polizei Katz und Maus. Die wiederum plante ihre Einsätze oftmals auf wackeligen Erkenntnissen aus irgendwelchen Telegram-chats.
Wenn jetzt die Rückkehr zum regulären Versammlungsrecht gelingt, birgt das eine Chance für die überlastete Thüringer Polizei. Angemeldete Demonstrationen geben die Möglichkeit, Kräfte gezielter zu steuern – um die grundgesetzlich geschützten Versammlungen abzusichern und zu schützen, die auf der Basis des Versammlungsrechts angemeldet sind. Denn das normiert das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Demonstrationsfreiheit.
Wer aber auch in Zukunft meint, seine Demonstrationen nicht anzumelden aber dafür zu mobilisieren, der steht richtigerweise nicht unter dem Schutz des Versammlungsrechts. Denn diese Menschen zeigen dann, dass es ihnen nicht um die Corona-politik, sondern um die Delegitimierung des Staates geht.
Die Rückkehr zum regulären Versammlungsrecht in Thüringen ist zu begrüßen und sollte als Chance unter Demokraten begriffen werden, Lager mit unterschiedlichen Ansichten zu versöhnen und zum Dialog zurückzufinden – auf einer sachlichen Ebene ohne Aggressionen. Das wäre ein echter Gewinn.