Digitales Lobbyregister
Zu Beginn meines heutigen Beitrages nehme ich Sie mit in die „Vorhalle“– in die ausgedehnten Räumlichkeiten speziell von Parlamenten oder Volksvertretungen der ältesten Demokratien. „Lobia“hieß die Vorhalle des römischen Senats, davon abgeleitet „Lobby“der entsprechende Gebäudeteil vor dem britischen Unterhaus und vor dem Us-amerikanischen Kongress. Schon vor Jahrhunderten, als die genannten Vertretungen bereits Gesetze verhandelten und erließen, tummelten sich in der „Lobby“Akteure von Interessengruppen, die dort versuchten, Einfluss auf die Entscheidungen der Politiker zu nehmen. Das ist heute gar nicht so anders, nur dass in einer modernen Demokratie eine viel größere Anzahl an Interessenvertretern auf die Politik einwirkt, und dies durchaus, wie viele Kritiker sagen, nicht wirklich transparent, sondern oft im Verborgenen.
Von „Lobbyarbeit“und „Lobbyisten“spricht man noch heute, verwendet also den alten Begriff, obwohl so vieles neu ist. Und um die Lobbyarbeit nachvollziehbarer zu machen, um Missbrauch, Korruption und ähnliches auszuschließen, gibt es seit Neuestem ein Digitales Lobbyregister. Noch von der Großen Koalition in die Wege geleitet, verpflichtet es alle Interessenvertreter, also etwa Verbände, Vereine und Organisationen, die Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen wollen, sich bis zum 1. März zu registrieren. Anliegen der Neuerung ist es, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Politik zu stärken. Professionelle Interessenvertreter müssen Angaben über ihre Auftraggeber sowie zum personellen und finanziellen Aufwand ihrer Lobbytätigkeit bei Bundestag und Bundesregierung machen. Dabei dürfen die jährlichen Kosten für die Kontaktaufnahme mit Abgeordneten und Ministeriumsmitarbeitern nicht nur geschätzt, sondern müssen relativ exakt angegeben werden. Ebenfalls darzustellen sind der Interessenbereich und die Tätigkeit.
Mit dem Digitalen Lobbyregister verbunden ist ein Verhaltenskodex.
Die Lobbyisten sollen auf der Basis von Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Integrität tätig sein. Es ist untersagt, Informationen auf unlautere Weise, zum Beispiel durch finanzielle Anreize, zu erlangen. Mit Bußgeld wird bestraft, wer sich nicht an die Regeln hält.
Kaum ist das Digitale Lobbyregister am Start, gibt es schon Kritik, wonach das neue „Schwert“zu „stumpf“sei und „nachgeschärft“werden müsse. Ein Kritikpunkt lautet, die Unterstellung des neuen Registers unter dem jeweiligen Bundestagspräsidenten bzw. der Bundestagspräsidentin sei eine Fehlkonstruktion; plädiert wird hier die Unterstellung unter eine neutrale Instanz, ähnlich wie dem Datenschutzbeauftragten. Ferner wird bemängelt, dass ausgerechnet mit Gewerkschaften, Arbeitnehmervertretern und Kirchen große Organisationen und Akteure von der Eintragungspflicht ausgenommen sind. Weitere Kritiker fordern, dass zusätzlich zum Register ein sogenannter „legislativer Fußabdruck“eingeführt wird. Dieser würde übersichtlich dokumentieren, welche Interessenvertreter Einfluss auf welche Gesetze ausgeübt haben.
Die neue Ampelkoalition hat bereits angekündigt, die Regelungen „nachschärfen“zu wollen. Genannt wurde diesbezüglich bereits der „legislative Fußabdruck“, zudem soll der Kreis der Lobbyisten, die sich registrieren müssen, erweitert werden. Auch die Anzahl der offenzulegenden Treffen soll steigen: Nicht nur Treffen mit Unterabteilungsleitern in Ministerien, sondern auch schon mit Referenten sollen erfasst werden.
Die „Vorhalle“hat ausgedient, heute findet Lobbyarbeit an verschiedensten Orten und auf diversen Kanälen statt. Umso wichtiger ist das Digitale Lobbyregister, sorgt es doch mit zeitgemäßer Technologie für mehr Transparenz und Sichtbarkeit im Politikbetrieb.
Heiko Kahl ist Geschäftsführer der Digitalagentur Thüringen. Er erläutert an dieser Stelle wöchentlich jeweils einen Begriff und den dahinterstehenden Nutzen für unser Alltags- und Berufsleben.