Sicherheit Israels bleibt Staatsräson
Als erstes Mitglied der neuen Regierung besucht Annelena Baerbock das Land. Sie spart nicht mit Kritik
Jerusalem. „Der Horror, den mein Land über die Welt gebracht hat“, so sagte Baerbock nach der Kranzniederlegung in der Holocaust-gedenkstätte Yad Vashem, sei „auch ein Auftrag für Gegenwart und Zukunft“. Deutschland übernehme Verantwortung für die Sicherheit Israels. Zugleich sei es wichtig, weiter an einer Konfliktlösung mit den Palästinensern zu arbeiten. Denn der Status quo führe immer wieder zu „Eskalationen mit schrecklichen Folgen für die Menschen auf beiden Seiten“.
Nach einem Gespräch mit Israels Außenminister Yair Lapid betonte Baerbock die freundschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu Israel: „Wir hätten noch stundenlang weiterreden können.“
Wie jede Freundschaft sei aber auch diese nicht nur von seligem Einklang geprägt, sagte Lapid. Und das sei ganz normal: „Wenn ich nur mit mir selbst reden will, kann ich gleich zu Hause bleiben.“Dass Baerbock gegenüber ihrem israelischen Amtskollegen kritischere Töne anschlug als ihr Vorgänger Heiko Maas (SPD), wurde nach dem Ministertreffen trotz aller Harmonie deutlich.
Israels Siedlungsbau in den Palästinensergebieten sei „schädlich und mit dem Völkerrecht nicht vereinbar“, erklärte Baerbock. Die umstrittene Entscheidung Israels, sechs palästinensische, zivilgesellschaftliche Nichtregierungsorganisationen zu Terrororganisationen zu erklären, mache ihr Sorgen. Einige dieser Organisationen werden auch aus Deutschland gefördert. „Wir wollen uns auch weiterhin für die palästinensische Zivilgesellschaft engagieren“, sagte Baerbock. Den Vorwurf Lapids, dass diese Nichtregierungsorganisationen ausländische und somit mutmaßlich auch deutsche Mittel an terroristische Gruppe weiterschleusen würden, wies die Ministerin zurück: Man prüfe die geförderten Organisationen regelmäßig, um Abflüsse in Richtung Terrorfinanzierung „definitiv, zu 100 Prozent auszuschließen“. Konkrete Belege für den Terrorverdacht gegen die sechs Organisationen hat die israelische Regierung bisher nicht veröffentlicht. Die Minister einigten sich jedenfalls darauf, eine „Arbeitsgruppe“einzusetzen. Diese soll sicherstellen, dass das Geld und wem es zugute kommt, auch für die israelische Seite nachvollziehbar ist. Nach dem Gespräch mit Außenminister Lapid traf Baerbock auch mit Premierminister Naftali Bennett zusammen.
Israel war der erste Halt auf Baerbocks Nahost-reise. Danach fuhr sie nach Ramallah, wo sie am Donnerstag den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und den palästinensischen Außenminister Riad Malki traf. Danach stehen Besuche in Jordanien und Ägypten au f dem Programm.
In Jerusalem kam auch Baerbocks Forderung nach einer strengen Kontrolle der deutschen Rüstungsexporte zur Sprache. Auf die Frage, ob das auch für deutsche Waffenlieferungen an Israel gelten solle, deutete die Ministerin an, dass es eine Sonderregelung geben könnte. Die Sicherheit des jüdischen Staates sei für Deutschland weiterhin „Staatsräson“, sagte Baerbock, wie es schon Bundeskanzlerin Angela Merkel formuliert hatte.
Im Kampf gegen den zunehmenden Antisemitismus wolle sie auch auf verstärkten interkulturellen Austausch setzen, so Baerbock. „Wenn man mit Menschen mit anderen Biografien zusammenkommt, prägt einen das am meisten.“Die Ministerin kündigte an, sie wolle bestehende Angebote zum Austausch deutscher und israelischer Jugendlicher und junger Erwachsener weiter ausbauen.