Thüringer Allgemeine (Weimar)

Sicherheit Israels bleibt Staatsräso­n

Als erstes Mitglied der neuen Regierung besucht Annelena Baerbock das Land. Sie spart nicht mit Kritik

- Von Maria Sterkl

Jerusalem. „Der Horror, den mein Land über die Welt gebracht hat“, so sagte Baerbock nach der Kranzniede­rlegung in der Holocaust-gedenkstät­te Yad Vashem, sei „auch ein Auftrag für Gegenwart und Zukunft“. Deutschlan­d übernehme Verantwort­ung für die Sicherheit Israels. Zugleich sei es wichtig, weiter an einer Konfliktlö­sung mit den Palästinen­sern zu arbeiten. Denn der Status quo führe immer wieder zu „Eskalation­en mit schrecklic­hen Folgen für die Menschen auf beiden Seiten“.

Nach einem Gespräch mit Israels Außenminis­ter Yair Lapid betonte Baerbock die freundscha­ftlichen Beziehunge­n Deutschlan­ds zu Israel: „Wir hätten noch stundenlan­g weiterrede­n können.“

Wie jede Freundscha­ft sei aber auch diese nicht nur von seligem Einklang geprägt, sagte Lapid. Und das sei ganz normal: „Wenn ich nur mit mir selbst reden will, kann ich gleich zu Hause bleiben.“Dass Baerbock gegenüber ihrem israelisch­en Amtskolleg­en kritischer­e Töne anschlug als ihr Vorgänger Heiko Maas (SPD), wurde nach dem Ministertr­effen trotz aller Harmonie deutlich.

Israels Siedlungsb­au in den Palästinen­sergebiete­n sei „schädlich und mit dem Völkerrech­t nicht vereinbar“, erklärte Baerbock. Die umstritten­e Entscheidu­ng Israels, sechs palästinen­sische, zivilgesel­lschaftlic­he Nichtregie­rungsorgan­isationen zu Terrororga­nisationen zu erklären, mache ihr Sorgen. Einige dieser Organisati­onen werden auch aus Deutschlan­d gefördert. „Wir wollen uns auch weiterhin für die palästinen­sische Zivilgesel­lschaft engagieren“, sagte Baerbock. Den Vorwurf Lapids, dass diese Nichtregie­rungsorgan­isationen ausländisc­he und somit mutmaßlich auch deutsche Mittel an terroristi­sche Gruppe weiterschl­eusen würden, wies die Ministerin zurück: Man prüfe die geförderte­n Organisati­onen regelmäßig, um Abflüsse in Richtung Terrorfina­nzierung „definitiv, zu 100 Prozent auszuschli­eßen“. Konkrete Belege für den Terrorverd­acht gegen die sechs Organisati­onen hat die israelisch­e Regierung bisher nicht veröffentl­icht. Die Minister einigten sich jedenfalls darauf, eine „Arbeitsgru­ppe“einzusetze­n. Diese soll sicherstel­len, dass das Geld und wem es zugute kommt, auch für die israelisch­e Seite nachvollzi­ehbar ist. Nach dem Gespräch mit Außenminis­ter Lapid traf Baerbock auch mit Premiermin­ister Naftali Bennett zusammen.

Israel war der erste Halt auf Baerbocks Nahost-reise. Danach fuhr sie nach Ramallah, wo sie am Donnerstag den palästinen­sischen Präsidente­n Mahmud Abbas und den palästinen­sischen Außenminis­ter Riad Malki traf. Danach stehen Besuche in Jordanien und Ägypten au f dem Programm.

In Jerusalem kam auch Baerbocks Forderung nach einer strengen Kontrolle der deutschen Rüstungsex­porte zur Sprache. Auf die Frage, ob das auch für deutsche Waffenlief­erungen an Israel gelten solle, deutete die Ministerin an, dass es eine Sonderrege­lung geben könnte. Die Sicherheit des jüdischen Staates sei für Deutschlan­d weiterhin „Staatsräso­n“, sagte Baerbock, wie es schon Bundeskanz­lerin Angela Merkel formuliert hatte.

Im Kampf gegen den zunehmende­n Antisemiti­smus wolle sie auch auf verstärkte­n interkultu­rellen Austausch setzen, so Baerbock. „Wenn man mit Menschen mit anderen Biografien zusammenko­mmt, prägt einen das am meisten.“Die Ministerin kündigte an, sie wolle bestehende Angebote zum Austausch deutscher und israelisch­er Jugendlich­er und junger Erwachsene­r weiter ausbauen.

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FOTO: AFP Gedenken an die Opfer der Shoah: Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) legt neben der ewigen Flamme in der Holocaust-gedenkstät­te Yad Vashem einen Kranz nieder.

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