Letzte Ausfahrt Gold
Rennrodeln Deutsche triumphieren in der Teamstaffel. Nächster Olympiasieg für Ludwig
Yanqin. Die Schlittenfahrt ins goldene Glück war tatsächlich erst in der finalen Kurve vollbracht. Mit acht Hundertstelsekunden Vorsprung auf Österreich hatte Deutschland auch den vierten olympischen Rodel-triumph unter Dach und Fach gebracht. Natalie Geisenberger, Johannes Ludwig und die Doppelsitzer Tobias Wendl/tobias Arlt kratzten einmal mehr historische Marken ins Eis. Mit vier Goldenen und zwei Silbernen waren die deutschen Rodler noch erfolgreicher als in Sotschi und Pyeongchang. Und mit ihrer sechsten olympischen Goldmedaille zogen Geisenberger und Wendl/arlt im Olymp der erfolgreichsten deutschen Wintersportler an Claudia Pechstein vorbei.
Dieser Status war der Olympiasiegerin aus Bayern allerdings erst mal reichlich egal. „Das kommt vielleicht, wenn ich älter bin“, sagte
Geisenberger, „jetzt genieße ich erst einmal diesen Moment.“
Die Deutschen mussten tatsächlich lange zittern, Wendl/arlt gingen mit dem Rucksack von einer Zehntelsekunde Rückstand – im Rodeln eine halbe Ewigkeit – in die Bahn. Im österreichischen Quartett hatten vor allem Madeleine Egle und Vize-olympiasieger Wolfgang Kindl mit famosen Läufen vorgelegt: sie waren schneller unterwegs als Geisenberger und Ludwig. Und so sprang die Ampel bei den Zwischenzeiten von Wendl/arlt erst spät auf Grün, signalisierte dann einen hauchdünnen Vorsprung, den die beiden bei einem letzten Schlenker kurz vor dem Ziel fast noch verspielt hätten. Ein Rodel-krimi, der keinen kalt ließ, weil ihn Kommissar Wendl erst mit seinem letzten Fausthieb an das Touchpad klärte – und der zugleich ein Plädoyer dafür war, wie mitreißend der scheinbar unnahbare Kufensport sein kann.
Dass das, was so leicht aussieht, eine ziemliche Last sein kann, verspürte Johannes Ludwig: „Jeder erwartet von uns Gold. Da wird der Druck am Start manchmal ganz schön groß.“Umso glücklicher sei er jetzt, strahlte der Oberhofer.
In der Stunde des kompletten Erfolges wirkte sogar Bundestrainer Norbert Loch berührt wie selten. „Ich bin kein Medaillenzähler“, sagte er, „ich bin fokussiert auf den Höhepunkt. Das haben wir hervorragend gemacht. Ich bin unheimlich stolz auf die Truppe.“Und er lobte ausdrücklich auch noch einmal die gestürzte Julia Taubitz für ihren starken letzten Lauf im Damenrennen.
So logisch der deutsche Kufenerfolg scheint, so hart ist er erarbeitet. Das Geheimnis liegt vor allem in der einzigartigen sportlichen Infrastruktur begründet. Neben intensiver Materialforschung sind es die vier Bahnen, die für einen ungebremsten Quell an Talenten sorgen.
Vom Wissen, das einstige Weltklasserodler wie Andi Langenhan weitergeben, profitieren die Jungen. Max Langenhan (22/Friedrichroda) ist ebenso bereit, die Traditionslinie fortzuziehen wie die gleichaltrige Anna Berreiter aus Berchtesgaden, die mit Silber in Peking schon ein Stück aus dem Schatten der Großen treten konnte.
Vier der olympischen Medaillengewinner erlernten das Rodel-abc am Königssee. Noch steht der Wiederaufbau des durch einen Erdrutsch zerstörten Eislabyrinths in den Sternen. 50 Millionen soll die Sanierung kosten – ein Zehntel der Investitionen von Yanqin. In China mangelt es an Rodlern, am Königssee möglicherweise am Geld. Bezahlen lässt sich die Bahn auch nicht vom Edelmetall, das die Geisenberger & Co. mit heimbringen. Aber einen besseren Grund für den Wiederaufbau kann den Berchtesgadenern niemand liefern.