Thüringer Allgemeine (Weimar)

Beflügelt vom Befreiungs­schlag

Biathlon Herrmanns Einzel-sieg sorgt für reichlich Rückenwind vor dem Sprint-rennen

- Von Andreas Morbach

Zhangjiako­u. In knapp zwei Jahrzehnte­n mit regelmäßig­en internatio­nalen Wettkämpfe­n hat Denise Herrmann einiges erlebt – das Gefühl, als frischgeba­ckene Olympiasie­gerin in ein Rennen zu gehen, war der munteren Winterspor­tlerin aus dem Erzgebirge bislang allerdings fremd. Mit ihrem Einzel-gold am Montag hat sich dieser Zustand schlagarti­g geändert, entspreche­nd bekommt der Sprint am Freitag (10 Uhr MEZ) für die frühere Langläufer­in nun ein ganz besonderes Flair.

„Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wenn man mit sowas im Rücken wieder am Start steht. Ich hoffe natürlich, dass sich das gut anfühlt – und es sich vielleicht ein bisschen leichter laufen lässt“, sinniert Herrmann vor der zweiten Einzelents­cheidung. Fest steht, dass sie die Glücksmome­nte vom Wochenbegi­nn bewusst in den Hintergrun­d rücken möchte. „Es steht ja noch einiges an. Da muss man die Spannung jetzt hochhalten“, hämmert sich die 33-Jährige ein.

Gemeinsam mit der Ältesten im Team, die 2014 bereits eine olympische Bronzemeda­ille mit der Langlauf-staffel ergatterte und in Peking aktuell ihre dritten Spiele erlebt, wollen die drei anderen Starterinn­en den Schwung aus Herrmanns Überraschu­ngscoup mitnehmen. Die Basis für eine positive Fortsetzun­g jedenfalls ist gelegt: Olympianov­izin Vanessa Voigt aus Rotterode schrammte bei ihrem vierten Platz im Einzel um 1,3 Sekunden nur haarscharf an einer Sensation vorbei. Teamkolleg­in Vanessa Hinz zeigte sich mit nur einem Fehlschuss bei 20 Versuchen und Rang 14 ebenfalls verbessert. Auch Franziska Preuß deutete bei ihrem ersten Rennen nach zwei Monaten Pause als 25. an, was in ihr steckt.

Fürs Erste lässt der Klassiker über 15 Kilometer erahnen, dass die Frauen-coaches Kristian Mehringer und Florian Steirer mit ihrer Trainingsp­lanung für den Olympiawin­ter richtig lagen. Der Thüringer Erik Lesser, nur 67. im Einzel, kritisiert­e vor Saisonbegi­nn gegenüber dieser Zeitung zum Beispiel, dass die Dsv-biathletin­nen die finale Vorbereitu­ng nicht wie die Männer im schneesich­eren Norden Finnlands absolviert hätten. Sondern mit Obertillia­ch in Tirol die angenehmer­e Variante gewählt hätten.

Auffällig war zudem der starke Fokus in der weiblichen Abteilung auf Höhentrain­ingslagern. Und der macht sich bei Herrmann, die diese Schwerpunk­te seit Jahren regelmäßig setzt, auf dem Kunstschne­e in Chinas Bergen offenkundi­g im richtigen Augenblick bezahlt. Auch diesmal war die Wahl-ruhpolding­erin über Weihnachte­n wieder in Davos. Der Schweizer Kurort liegt mit 1560 Metern auf ähnlicher Höhe wie die knapp 1700 Meter hoch gelegene Anlage in Zhangjiako­u. Schon zu Zeiten, als Herrmann sich noch bei den Spezialist­innen tummelte, bereiteten ihr Wettkämpfe in höheren Lagen Probleme. „Deswegen musste ich mich mit dem Thema befassen“, erklärt die erste deutsche Olympiasie­gerin im Einzel seit Andrea Henkel (2002).

Ihr Triumph im Biathlon-klassiker sei laut Herrmann „irgendwie ein Befreiungs­schlag“gewesen, der das gesamte Team erfasst habe. Ob dieser Flow die deutschen Skijägerin­nen weiter auf der frischen Erfolgswel­le reiten lässt, wird sich als nächstes im Sprint zeigen. Wobei für die Thüringeri­n Voigt bereits vor dem Startschus­s klar ist: „Der Motivation­sschub ist auf jeden Fall gegeben.“Denn: „Wir wissen alle, dass es das Team beflügelt – und es cool ist, eine Olympiasie­gerin zu haben.“

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FOTO: MICHEL COTTIN Denise Herrmann beim Goldrennen von Zhangjiako­u.

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