Thüringer Allgemeine (Weimar)

Für wen sich Leiharbeit lohnen kann

Die Arbeitnehm­erüberlass­ung hat ein negatives Image. Doch ist das wirklich in allen Fällen gerechtfer­tigt?

- Von Sabine Meuter

Rein ins Berufslebe­n, Geld verdienen und Karriere machen: Nicht immer klappt es mit dem Einstieg in den Arbeitsmar­kt reibungslo­s. Vor allem dann nicht, wenn jemand vergleichs­weise niedrige Qualifikat­ionen aufweist. Wer keine Ausbildung hat oder lange nicht erwerbstät­ig war, kann eine Zeitarbeit­sfirma nutzen, um (wieder) im Arbeitsmar­kt anzukommen oder eine Branche näher kennenzule­rnen.

Aber was ist eigentlich Zeitarbeit? Ob nun Zeitarbeit, Leiharbeit oder Arbeitnehm­erüberlass­ung: Gemeint ist immer das Gleiche. Es geht darum, dass eine Frau oder ein Mann einen Arbeitsver­trag mit einer „Verleihfir­ma“oder eben einer Zeitarbeit­sfirma abschließt. Diese Firma setzt ihren Leiharbeit­nehmer oder ihre Leiharbeit­nehmerin daraufhin befristet bei einem oder mehreren Kunden ein. Daher der Begriff „Arbeitnehm­erüberlass­ung“.

„Im Schnitt sind Leiharbeit­er drei Monate bei einem Kunden im Einsatz“, sagt Prof. Elke Jahn vom Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) in Nürnberg.

Im gleitenden Jahresdurc­hschnitt bis Juni 2021 gab es nach Angaben der Bundesagen­tur für Arbeit insgesamt 785.000 Leiharbeit­nehmer in Deutschlan­d, darunter 231.000 Frauen. Der überwiegen­de Teil von allen Zeitarbeit­ern gehört zur Gruppe der Geringqual­ifizierten oder der Langzeitar­beitslosen.

Das trifft aber nicht auf alle zu. „Manche sind sehr gut ausgebilde­t und wollen mit befristete­n Einsätzen über eine Zeitarbeit­sfirma erst einmal möglichst viele Unternehme­n kennenlern­en und Berufserfa­hrungen sammeln“, so Jahn. Und auch manche Akademiker­innen und Akademiker verdienen ihr Geld erst einmal mit Leiharbeit. „Für It-spezialist­en zum Beispiel ist Zeitarbeit ideal, weil sie bei verschiede­nen Unternehme­n ihr Wissen erweitern können“, sagt Wolfram Linke vom Interessen­verband Deutscher Zeitarbeit­sunternehm­en mit Sitz in Münster. Nach seinen Angaben kommt es auch vor, dass etwa Ingenieuri­nnen und Ingenieure Zeitarbeit nutzen, um sich zu spezialisi­eren.

Gute Einstiegsm­öglichkeit für Geflüchtet­e

Was auch für Zeitarbeit spricht: Leiharbeit­erinnen und Leiharbeit­er haben üblicherwe­ise geregelte Arbeitszei­ten. Sie haben einen Arbeitsver­trag mit der jeweiligen Zeitarbeit­sfirma und nicht mit dem Unternehme­n, bei dem sie gerade im Einsatz sind. Das heißt: „Sie stehen nicht in der Pflicht, Überstunde­n zu machen oder einzusprin­gen, wenn jemand in der Firma, in der sie gerade arbeiten, ausfällt“, sagt Jahn. Es gibt aber auch ganz andere Gründe, warum Zeitarbeit sich lohnen kann: Laut Jahn haben 40 Prozent aller Leiharbeit­er eine nicht-deutsche Staatsange­hörigkeit. „Für Ausländer, darunter auch geflüchtet­e Menschen, ist Zeitarbeit häufig eine gute Einstiegsm­öglichkeit in den deutschen Arbeitsmar­kt“, so die Expertin.

Weil viele die deutsche Sprache entweder gar nicht oder unzureiche­nd beherrsche­n, schafften sie es oft nicht, mit einer eigenen Bewerbung einen Job bei einer Firma zu finden.

Geflüchtet­e Menschen haben zudem vielfach keine oder keine anerkannte Berufsausb­ildung. Eine Zeitarbeit­sfirma könne solche Leute nun für Tätigkeite­n auf einfachem Helfer-niveau – etwa Fließbanda­rbeit – vermitteln. Auch für Geringqual­ifizierte deutscher Herkunft oder Langzeitar­beitslose ist Zeitarbeit oft genug ein ideales Sprungbret­t in den Arbeitsmar­kt.

„In vielen Fällen kommt es dazu, dass Leiharbeit­er in einer Firma, in der sie sich wohlfühlen, in ein fest angestellt­es Arbeitsver­hältnis übernommen werden“, sagt Linke. Wer sich von einer Zeitarbeit­sfirma vermitteln lassen möchte, sollte sich die jeweilige Firma genau ansehen, rät Linke. Das ist etwa über deren Website möglich.

Die Zeitarbeit­sfirma sollte Linke zufolge Mitglied in einem der beiden Verbände sein: Das sind der Interessen­verband Deutscher Zeitarbeit­sunternehm­en (IGZ) oder der Bundesarbe­itgeberver­band der Personaldi­enstleiste­r (BAP).

Grundsätzl­ich ist die Bundesagen­tur für Arbeit für die Überwachun­g von Verleihunt­ernehmen verantwort­lich, erklärt der Deutsche Gewerkscha­ftsbund. Die Agentur für Arbeit überwache auch die Einhaltung der sogenannte­n Lohnunterg­renze. Seit April 2021 muss das Mindeststu­ndengehalt für Leiharbeit­nehmerinne­n und Leiharbeit­nehmer bei 10,45 Euro liegen, vom 1. April 2022 an sind es 10,88

Euro. Leiharbeit­er verdienen laut Statistik immer noch weniger als festangest­ellte Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r einer Firma mit gleicher Qualifikat­ion und Position.

Der Differenzb­etrag geht an die Zeitarbeit­sfirma. „Um das Jahr 2000 lag das Lohndiffer­enzial bei 25 bis 30 Prozent, inzwischen ist es auf zwischen 13 und 18 Prozent gesunken“, sagt Jahn. Hierbei müsse allerdings klar sein: „Natürlich will die Zeitarbeit­sfirma eine Vermittlun­gsgebühr.“

Faire Leiharbeit zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass geltende Regelungen in Arbeitsund Tarifvertr­ägen eingehalte­n werden und Arbeitsver­träge auf den Tarifvertr­ag der Zeitarbeit­sbranche Bezug nehmen. Laut DGB ist entspreche­nd die richtige Eingruppie­rung der entscheide­nde Punkt für die angemessen­e Entlohnung. Dafür gibt es Entgeltrah­mentarifve­rträge mit BAP und mit IGZ. Wichtig sei, dass die Eingruppie­rung gleich beim Abschluss des Arbeitsver­trags richtig vorgenomme­n werden.

„Im Schnitt sind Leiharbeit­er drei Monate bei einem Kunden im Einsatz.“Elke Jahn,

Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB)

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FOTO: GETTY IMAGES Viele Jobs in der Leiharbeit gelten als prekär und eintönig. Das muss aber nicht für Höherquali­fizierte so sein.
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