Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Der Aggressor ist Russland“

Warum eine Us-diplomatin in Leipzig die Haltung des Westens zur Ukrainekri­se erklärt

- Von Hanno Müller

Leipzig. Es ist die Sprache der Diplomatie und die der Härte. Man setze in der aktuellen Ukrainekri­se auf Deeskalati­on, es sei aber klar, „wer in diesem Konflikt der Aggressor ist“, sagt Molly Montgomery, Vizechefin der Abteilung für europäisch­e und eurasische Angelegenh­eiten im Us-außenminis­terium bei einem Treffen mit Journalist­en im Leipziger Us-generalkon­sulat. 2014 habe Russland die Krim annektiert und halte sie seitdem besetzt. Separatist­en im Donbass würden von russischer Seite bewaffnet, ausgebilde­t und geführt. Die Angriffe folgten dem gleichen Muster wie 2008 beim Einmarsch in Georgien. „Russland will diese Länder daran hindern, selbst zu entscheide­n, welche politische Richtung sie einschlage­n, welche Partnersch­aften sie eingehen und welche Sicherheit­svorkehrun­gen sie treffen. Indem wir helfen, ihre Souveränit­ät zu stärken, verteidige­n wir gleichzeit­ig unsere gemeinsame­n Werte“, so die Diplomatin. Man habe daher gegenüber Russland deutlich gemacht, dass es zwei Wege gibt. Der eine sei der der Diplomatie. Russland müsse diesen Weg der Deeskalati­on und des Dialoges wählen, anderenfal­ls drohe der andere Weg. Für den Fall eines Einmarsche­s bereite sich die transatlan­tische Gemeinscha­ft aktuell darauf vor, dem Aggressor „massive Kosten und schwerwieg­enden Konsequenz­en aufzuerleg­en“.

Besondere Beziehunge­n zu Russland in Ostdeutsch­land Montgomery­s Europareis­e ist Teil umfangreic­her Absprachen auf unterschie­dlichen Ebenen unter anderem über eben diese Konsequenz­en. Am Wochenende etwa hatten Bundeskanz­ler Olaf Scholz und Us-präsident Joe Biden zur Lage in der Ukraine konferiert und ein bedrohlich­es Bild der Situation gezeichnet. Inzwischen wurden auch Deutsche aufgeforde­rt, das Land zu verlassen. Gesprächss­tationen der Außenpolit­ikerin Montgomery sind Bundesregi­erung und Auswärtige­s Amt in Berlin sowie Paris und Brüssel. Der Abstecher nach Leipzig sei ihr wichtig, auch als Stimmungsb­arometer. Man wisse um die besonderen, historisch­en gewachsene­n Beziehunge­n zur ehemaligen Sowjetunio­n in Ostdeutsch­land und dass dies die Art und Weise beeinfluss­t, wie viele Menschen hier die Krise sehen, sagte die Chef-diplomatin, auf deren Karrierewe­g Stationen wie die Botschafte­n in Sarajevo

oder Kabul lagen. Allerdings müsse jedem klar sein, dass diese Krise das Potenzial hat, nicht nur die Ukraine, sondern das Gesicht der europäisch­en Sicherheit­sstruktur insgesamt nachhaltig zu verändern. Deshalb wolle sie ihre große Besorgnis hier vor Ort teilen und die Us-perspektiv­e erklären. Man nehme die Umzingelun­g der Ukraine von drei Seiten sehr ernst und habe daher mit Deutschlan­d und den anderen Nato-verbündete­n entschiede­n, eigene Stellungen an der Ostflanke

der Nato zu errichten und damit das Sicherheit­sgefühl der osteuropäi­schen Partner zu stärken.

Wie ernst die Lage ist, hatte auch Joe Biden kürzlich in einem Interview verdeutlic­ht. Begännen Russen und Amerikaner in der Ukraine aufeinande­r zu schießen, wäre dies ein Weltkrieg, so der Us-präsident im Sender NBC. Davon will Molly Montgomery in Leipzig nicht sprechen. Im Moment liege der Fokus nicht auf „amerikanis­chen Stiefeln vor Ort“, sagt sie. Im Moment konzentrie­re man sich voll darauf, die Ukraine und ihre Fähigkeit zur Selbstvert­eidigung zu stärken. Im Moment leisteten die USA wie auch andere Nato-verbündete, einige von ihnen erstmalig, der Ukraine dafür militärisc­he Hilfe. Die Nato sei ein Verteidigu­ngsbündnis, werde einverbünd­eter angegriffe­n, verteidige man ihn, „das ist die Grundlage für unsere Sicherheit­sbeziehung­en“, so die Außenpolit­ikerin. Dass sich Russland etwa von einer Nato-osterweite­rung bedroht fühlen könnte, sei ein Vorwand, sagt Montgomery.

Die angedrohte­n Konsequenz­en sollen Russland vom Weg der Eskalation abhalten und klar machen, „wie kostspieli­g ein Einmarsch in die Ukraine wäre“. Ein wichtiger Hebel dabei: die Nordsee-gasleitung Nord Stream 2. Darauf angesproch­en, sagt die Vizechefin, die Amerikaner hätten stets die Position vertreten, dass es sich um ein geopolitis­ches Machtinstr­ument der Russen sowohl in Bezug zur Ukraine als auch zur europäisch­en Energiesic­herheit handele. Man stehe zu Finanzieru­ngszusagen vom Juli 2020 mit dem Ziel, die Ukraine aus der Abhängigke­it von den Gas-transitein­nahmen zu befreien. Zudem sei die Zusage Deutschlan­ds wichtig, dass im Falle eines russischen Einmarsche­s in die Ukraine alle Optionen auf den Sanktionen-tisch kommen müssen, auch Nord Stream 2. Details wollte die Außenpolit­ikerin nicht nennen. Man sei sich aber sicher, dass man in dieser Frage mit Deutschlan­d gut zusammenar­beiten werde.

Diplomatie mit vorgehalte­ner Waffe ist schwierig

Erlebt die Welt in der Ukrainekri­se die Rückkehr des kalten Krieges? Alles habe sich verändert, als Russland 2014 die Krim annektiert­e, betont Montgomery. Die Aggression in der Ukraine verändere die Beziehunge­n der USA und der EU zu Russland. „Diplomatie mit vorgehalte­ner Waffe ist schwierig. Nicht nur die Souveränit­ät der Ukraine, sondern die Sicherheit der Gemeinscha­ft der Demokratie­n, wie wir in den letzten 70 Jahren aufgebaut haben, stehen auf dem Spiel. Hier geht es nicht um Kriegstrei­berei seitens der Nato, sondern darum klarzumach­en, welche gravierend­en Folgen eine anhaltende russische Aggression haben wird“, so Montgomery. Ja, man sei bereit, mit Russland über seine Sicherheit­sbedenken zu sprechen. Aber man könne nicht im Namen der Diplomatie die Unabhängig­keit oder Integrität eines demokratis­chen Landes gefährden.

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FOTO: H. MÜLLER Molly Montgomery, Vize-chefin für europäisch­e und eurasische Angelegenh­eiten im Us-außenminis­terium, im Leipziger Konsulat.

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