Wirkstoff-transport exakt zur kranken Zelle
Smart-dye-livery öffnet per Nanopartikel die Tür für vielfach zielgenauere Therapie
Jena. Im Kleinen steckt Großes. Das Team der Jenaer Smart-dye-livery Gmbh hat sein Augenmerk gerichtet auf Partikel im Nano-bereich; da klingt der Anspruch auf Sichtbarkeit für Laien ein bisschen verrückt. Schließlich stehen ein Nanometer und ein Meter im selben Größenverhältnis wie die Durchmesser einer Ein-cent-münze und des Erdballs. Und doch haben die kleinen Nano-dinger Großes drauf. Der bei Smart-dye-livery entwickelten Plattform sei Dank!
Wahre Spediteursprobleme
Sie ermögliche es, Wirkstoffe in eine Hülle – einen „Container“– zu verpacken, so dass sie im Körper ein bestimmtes Ziel finden, sagt Marc Lehmann, promovierter Mikrobiologe und heute Geschäftsführer der 2014 gegründeten Firma. Der Clou dabei: Die Partikel tragen einen Farbstoff; diese Oberflächenmarkierung wirkt an der Zielzelle wie ein Schlüssel. So öffnet sich das Schloss der Zielzelle allein für den verpackten Wirkstoff. Dabei liegt der Fokus auf einer Therapie gegen das Versagen der Leber bei Sepsis.
Marc Lehmann betont, dass die Entwicklungsarbeit bei Smart-dyelivery nicht den Wirkstoffen gewidmet ist, sondern deren Transport.
„Wir sind die Spediteure.“Das heißt: Soll der Wirkstoff schnell, soll er langsam freigesetzt werden? Und es klingen wahre Spediteursprobleme an, wenn Marc Lehmann über „gut und weniger gut verpackbare“Wirkstoffe redet und damit im Zusammenhang über deren Grad der Wasserlöslichkeit. Kriterium sei neben der Ziel-zelle die gute Verfügbarkeit in der Zelle – die „Bioverfügbarkeit“.
Und im Vergleich zum unverpackten Wirkstoff? – Im Partikel verpackt werde mit nur einem Achtel des Wirkstoffes eine bessere therapeutische Wirkung erreicht. „Weil er zielgerichtet hinkommt, kann ich eine geringere Dosis einsetzen“, sagt Marc Lehmann.
Das sei etwa auch für die Krebstherapie interessant. So lasse sich vermeiden, dass Zellen, die man gar nicht behandeln will, den Wirkstoff aufnehmen und schwere Nebenwirkungen hervorrufen. Vorrang hat für Smart-dye-livery derzeit, die
Technologie einzusetzen gegen das von der Sepsis herrührende Leberversagen. Clever, Farbe, Leber und Lieferung: Die englischen Fragmente im Kunstwort-namen der Firma seien also bewusst gesetzt. Die Sterblichkeit bei jener Art Leberausfall belaufe sich auf über 90 Prozent; aktuell gebe es keine Therapieoptionen, sagt Lehmann. Dabei sei ein Wirkstoff mit Verbesserungspotenzial verfügbar. Er greife in die Kaskade der Zelle ein, die fehlreguliert ist, und könne sie auf Normalniveau bringen.
Und jetzt im Tonnen-maßstab Nachdem die Partikel in der Gründungsphase der Firma in kleinen Mengen herstellbar waren, geht es nach Lehmanns Worten jetzt darum, sie in identischen Eigenschaften und größeren Mengen zu produzieren; das System entsprechend robust auszugestalten.
Nach dem Start mit 50-Milliliterlaborglas werde heute per 50-Literreaktor gearbeitet. So sei vergangenes Jahr im Reinraum „im Tonnenmaßstab“produziert worden. Parallel seien die Blicke gerichtet auf prä-klinische Versuche und die Frage, ob die Partikel toxische Eigenschaften zeigen. In der zweiten Jahreshälfte wolle Smart-dye-livery die Pase 1: die klinische Untersuchung der Verträglichkeit an gesunden Probanden in Angriff nehmen. Erste Hinweise gebe es, dass die präklinische Phase keine toxischen Effekte erkennen ließ, „die die Phase 1 ausschließen“. Smart-dye-livery kann „in erster Linie auf Versuche ohne Tiere“bauen. Hier kooperiert man mit der Jenaer Firma Dynamic42, die komplexe Organmodelle einsetzt. Die Therapiereife: Der Smartdye-livery-chef beschreibt die bis zur Phase 4 nötigen Studien, die gemeinhin mehrere Jahre erfordern. Klar, das Unternehmen hat „ein paar andere Gebiete“im Blick für ihr Transportsystem, zum Beispiel schwere Nieren- wie auch Krebs-erkrankungen oder antiinfektiöse Therapien. Und nicht zu vergessen: der Farbstoff, den Smartdyelivery von der Jenaer Biotechfirma Dyomics bezieht, was eine „lokale Erfolgsstory“darstelle. Ein zusätzlicher Effekt sei, dass man die Farbstoffe gut nachverfolgen und diagnostisch nutzen könne.
Lehmann bezeichnet den Nanopartikel-einsatz als „absolute Zukunftstherapie“. Das sehen offenkundig die Risikokapitalgeber ebenso: die bm-t Beteiligungsmanagement Thüringen Gmbh als Tochter der Thüringer Aufbaubank, die Sparkasse Jena, die Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen (STIFT) sowie eine Gruppe privater Investoren.