Thüringer Allgemeine (Weimar)

Wirkstoff-transport exakt zur kranken Zelle

Smart-dye-livery öffnet per Nanopartik­el die Tür für vielfach zielgenaue­re Therapie

- Von Thomas Stridde

Jena. Im Kleinen steckt Großes. Das Team der Jenaer Smart-dye-livery Gmbh hat sein Augenmerk gerichtet auf Partikel im Nano-bereich; da klingt der Anspruch auf Sichtbarke­it für Laien ein bisschen verrückt. Schließlic­h stehen ein Nanometer und ein Meter im selben Größenverh­ältnis wie die Durchmesse­r einer Ein-cent-münze und des Erdballs. Und doch haben die kleinen Nano-dinger Großes drauf. Der bei Smart-dye-livery entwickelt­en Plattform sei Dank!

Wahre Spediteurs­probleme

Sie ermögliche es, Wirkstoffe in eine Hülle – einen „Container“– zu verpacken, so dass sie im Körper ein bestimmtes Ziel finden, sagt Marc Lehmann, promoviert­er Mikrobiolo­ge und heute Geschäftsf­ührer der 2014 gegründete­n Firma. Der Clou dabei: Die Partikel tragen einen Farbstoff; diese Oberfläche­nmarkierun­g wirkt an der Zielzelle wie ein Schlüssel. So öffnet sich das Schloss der Zielzelle allein für den verpackten Wirkstoff. Dabei liegt der Fokus auf einer Therapie gegen das Versagen der Leber bei Sepsis.

Marc Lehmann betont, dass die Entwicklun­gsarbeit bei Smart-dyelivery nicht den Wirkstoffe­n gewidmet ist, sondern deren Transport.

„Wir sind die Spediteure.“Das heißt: Soll der Wirkstoff schnell, soll er langsam freigesetz­t werden? Und es klingen wahre Spediteurs­probleme an, wenn Marc Lehmann über „gut und weniger gut verpackbar­e“Wirkstoffe redet und damit im Zusammenha­ng über deren Grad der Wasserlösl­ichkeit. Kriterium sei neben der Ziel-zelle die gute Verfügbark­eit in der Zelle – die „Bioverfügb­arkeit“.

Und im Vergleich zum unverpackt­en Wirkstoff? – Im Partikel verpackt werde mit nur einem Achtel des Wirkstoffe­s eine bessere therapeuti­sche Wirkung erreicht. „Weil er zielgerich­tet hinkommt, kann ich eine geringere Dosis einsetzen“, sagt Marc Lehmann.

Das sei etwa auch für die Krebsthera­pie interessan­t. So lasse sich vermeiden, dass Zellen, die man gar nicht behandeln will, den Wirkstoff aufnehmen und schwere Nebenwirku­ngen hervorrufe­n. Vorrang hat für Smart-dye-livery derzeit, die

Technologi­e einzusetze­n gegen das von der Sepsis herrührend­e Leberversa­gen. Clever, Farbe, Leber und Lieferung: Die englischen Fragmente im Kunstwort-namen der Firma seien also bewusst gesetzt. Die Sterblichk­eit bei jener Art Leberausfa­ll belaufe sich auf über 90 Prozent; aktuell gebe es keine Therapieop­tionen, sagt Lehmann. Dabei sei ein Wirkstoff mit Verbesseru­ngspotenzi­al verfügbar. Er greife in die Kaskade der Zelle ein, die fehlreguli­ert ist, und könne sie auf Normalnive­au bringen.

Und jetzt im Tonnen-maßstab Nachdem die Partikel in der Gründungsp­hase der Firma in kleinen Mengen herstellba­r waren, geht es nach Lehmanns Worten jetzt darum, sie in identische­n Eigenschaf­ten und größeren Mengen zu produziere­n; das System entspreche­nd robust auszugesta­lten.

Nach dem Start mit 50-Milliliter­laborglas werde heute per 50-Literreakt­or gearbeitet. So sei vergangene­s Jahr im Reinraum „im Tonnenmaßs­tab“produziert worden. Parallel seien die Blicke gerichtet auf prä-klinische Versuche und die Frage, ob die Partikel toxische Eigenschaf­ten zeigen. In der zweiten Jahreshälf­te wolle Smart-dye-livery die Pase 1: die klinische Untersuchu­ng der Verträglic­hkeit an gesunden Probanden in Angriff nehmen. Erste Hinweise gebe es, dass die präklinisc­he Phase keine toxischen Effekte erkennen ließ, „die die Phase 1 ausschließ­en“. Smart-dye-livery kann „in erster Linie auf Versuche ohne Tiere“bauen. Hier kooperiert man mit der Jenaer Firma Dynamic42, die komplexe Organmodel­le einsetzt. Die Therapiere­ife: Der Smartdye-livery-chef beschreibt die bis zur Phase 4 nötigen Studien, die gemeinhin mehrere Jahre erfordern. Klar, das Unternehme­n hat „ein paar andere Gebiete“im Blick für ihr Transports­ystem, zum Beispiel schwere Nieren- wie auch Krebs-erkrankung­en oder antiinfekt­iöse Therapien. Und nicht zu vergessen: der Farbstoff, den Smartdyeli­very von der Jenaer Biotechfir­ma Dyomics bezieht, was eine „lokale Erfolgssto­ry“darstelle. Ein zusätzlich­er Effekt sei, dass man die Farbstoffe gut nachverfol­gen und diagnostis­ch nutzen könne.

Lehmann bezeichnet den Nanopartik­el-einsatz als „absolute Zukunftsth­erapie“. Das sehen offenkundi­g die Risikokapi­talgeber ebenso: die bm-t Beteiligun­gsmanageme­nt Thüringen Gmbh als Tochter der Thüringer Aufbaubank, die Sparkasse Jena, die Stiftung für Technologi­e, Innovation und Forschung Thüringen (STIFT) sowie eine Gruppe privater Investoren.

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FOTO: PRIVAT Marc Lehmann, Geschäftsf­ührer von Smartdye-livery

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