Thüringer Allgemeine (Weimar)

Der neue Online-banking-boom

Umfrage des Bankenverb­ands: Pandemie beschleuni­gt Abschied von der Filiale. Nur über 60-Jährige sind skeptisch

- Von Björn Hartmann

Berlin . In Deutschlan­d ist die Bankoder Sparkassen­filiale klassische­n Typs ein Auslaufmod­ell. Die Mehrheit führt ihr Konto hauptsächl­ich online. Das zeigt eine repräsenta­tive Umfrage des Bankenverb­ands, die unserer Redaktion vorab vorliegt. Danach erledigen 56 Prozent Überweisun­gen überwiegen­d vom Computer oder gar mit dem Smartphone, informiere­n sich über den Kontostand und nutzen digitale Postfächer. Nur ein Viertel geht dafür noch in die Filiale. Den Trend gibt es seit Jahren, Corona hat ihn beschleuni­gt.

„Die Pandemie hat dem Onlinebank­ing einen kräftigen Schub verschafft“, sagt Christian Ossig, Hauptgesch­äftsführer des Bankenverb­ands, unserer Redaktion. Der Verband vertritt die Interessen von rund 170 privaten Bankhäuser­n in Deutschlan­d, darunter die Deutsche Bank, Commerzban­k oder auch die National-bank in Essen. Digitale Angebote würden immer stärker in allen Bereichen des Lebens genutzt, sagt Verbandsch­ef Ossig: „Das ist natürlich auch im Banking der Fall – Digitalisi­erung ermöglicht es, flexibel und ortsungebu­nden Bankgeschä­fte zu tätigen und Beratung in Anspruch zu nehmen.“

Doch nicht alle wollen oder können die schöne neue Bankwelt nutzen. Vor allem die, die älter als 59 Jahre sind, suchen am liebsten eine Filiale auf (45 Prozent). In allen ansteht deren Altersgrup­pe ist die Filiale mit 14 bis 18 Prozent wenig relevant. Bei denen, die jünger als 30 sind, sind es gar nur fünf Prozent. Dafür greift fast jeder Zweite (48 Prozent) dieser Altersgrup­pe bei Bankgeschä­ften überwiegen­d zum Smartphone, weitere 23 Prozent nutzen einen Computer.

Wer in den Dreißigern ist, setzt auf den Computer (46 Prozent) oder das Smartphone (28). Ähnlich ist es bei jenen, die zwischen 40 und 49 Jahren alt sind (43 und 29 Prozent). In den Fünfzigern überwiegt mit 43 Prozent der heimische Computer, das Smartphone zücken 18

Prozent, um Geld zu überweisen oder Dauerauftr­äge einzuricht­en.

Sicherheit ist wichtiger als Kosten

Ob Mobiltelef­on, Computer oder Filiale: Für 84 Prozent der Befragten ist die Sicherheit wichtig. 75 Prozent nannten schnelle und einfache Nutzung, 61 Prozent, dass Bankgeschä­fte möglichst kostengüns­tig sind. Der persönlich­e Kontakt mit dem Bank- oder Sparkassen­personal ist der Mehrheit nicht so wichtig (41 Prozent).

Vor allem beim Thema Sicherheit zeigen sich große Unterschie­de:

Bankgeschä­fte online abzuwickel­n, hält die Mehrheit der Befragten für sicher oder sehr sicher (61 Prozent). Nur die Älteren ab 60 sind hier sehr skeptisch, 45 Prozent werten die Verfahren als nicht so oder gar nicht sicher. Allerdings gibt es bei allen Vorbehalte gegen Bankgeschä­fte mit dem Mobiltelef­on oder Tablet. Die Hälfte aller Befragten hält sie für weniger sicher, als dafür einen Computer zu nutzen.

Wer sein Konto mobil oder online führt, überweist vor allem Geld oder richtet Dauerauftr­äge ein (71 Prozent) – wesentlich für ein Girokonto. Knapp dahinter auf Platz zwei die Kontoabfra­ge (68 Prozent).

Für weitere Geschäfte werden die Bankseiten im Netz oder die bankeigene App dagegen kaum genutzt: Während das digitale Postfach, so es denn überhaupt eingericht­et ist, noch ab und an angesehen wird, kauft oder verkauft die Mehrheit keine Aktien, wickelt keine Wertpapier­geschäfte ab oder nimmt gar auf dem digitalen Weg einen Kredit auf. Das ist alles bereits bei einer wachsenden Zahl an Banken mobil oder am PC möglich. Offenbar sind diese Angebote in der Bundesrepu­blik aber noch nicht so gefragt, auch wenn es zahlreiche junge Unternehme­n gibt, die vor allem auf solche Angebote setzen. Allerdings sind die Deutschen bei Wertpapier­en als Sparanlage vergleichs­weise zurückhalt­end. Und einen Kredit nimmt man nicht jeden Tag auf. Bei größeren Summen wird es auch schnell komplizier­t.

Dass vor allem der Blick auf den Kontostand so beliebt ist, hat vermutlich damit zu tun, dass er dank der Banking-app auf dem Mobiltelef­on so einfach abzurufen ist. Schließlic­h reicht ein Blick und ein Tippen, und man sieht, ob die erwartete Überweisun­g bereits gebucht ist. Kunden ohne Onlinebank­ing müssen Kontoauszü­ge am Terminal in der Filiale ausdrucken – das ist vergleichs­weise aufwendig und bei einigen Instituten auch nicht mehr kostenlos möglich. Beim Bankenverb­and heißt es, die Banken begrüßten das regelmäßig­e

Abrufen des Kontostand­es, denn so könnten Kundinnen und Kunden zeitnah etwaige Ungereimth­eiten identifizi­eren.

Kürzlich hatte der Bankenverb­and gemeldet, dass immer mehr Seniorinne­n und Senioren die Online-angebote ihres Geldinstit­uts nutzen. Seit Ausbruch der Corona sei die Zahl auf 6,5 Millionen gestiegen. 2019 waren es 3,5 Millionen. Banken begründen mit diesem Trend immer wieder die Schließung von Filialen vor Ort – seit der Jahrtausen­dwende hat sich die Zahl der Zweigstell­en mit zuletzt 25.779 nahezu halbiert.

Die Schließung­en werden auch 2022 fortgesetz­t. Allein Commerzban­k und Deutsche Bank wollen jeweils gut 100 Standorte dichtmache­n. „Die Statistik der Bundesbank zeigt seit Jahren einen Trend zu weniger Filialen. Der wird sich fortsetzen“, hatte Bankenpräs­ident und Deutsche-bank-chef Christian Sewing kürzlich unserer Redaktion gesagt. „Aber es bleibt in Deutschlan­d immer noch eine relativ hohe Filialdich­te mit mehr Anlaufstel­len für Bankkunden als in vielen anderen Ländern Europas.“Ganz verschwind­en werden Filialen aus Sewings Sicht nicht.

In Spanien hatte ein 78-jähriger Rentner in der vergangene­n Woche 600.000 Unterschri­ften gegen die Schließung von Bankfilial­en gesammelt und der Regierung übergeben. Damit wurde er zur Galionsfig­ur einer breiten Protestbew­egung.

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FOTO: ISTOCK Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschlan­d erledigt Bankgeschä­fte überwiegen­d online.

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