Thüringer Allgemeine (Weimar)

Die Zeichen stehen auf Krieg

Ukraine-krise: Der Us-geheimdien­st warnt vor russischem Angriff am Mittwoch. Bundeskanz­ler Scholz will in Kiew und Moskau noch eine Eskalation verhindern

- Von Christian Kerl

Berlin. Die Lage im Ukraine-konflikt spitzt sich zu, die Us-regierung warnt vor einem russischen Angriff schon in den nächsten Tagen. Wie brenzlig ist die Situation, wie geht es weiter, was kann Kanzler Scholz noch beim Besuch in Moskau erreichen?

Wie bedrohlich ist die Lage?

Die Situation ist sehr gefährlich. Russland hat 130.000 Soldaten nördlich, östlich und südlich der Ukraine zusammenge­zogen mit allem, was zum Angriff benötigt würde: Raketenwer­fer, Raketenabw­ehrsysteme, Panzer, Su-35-kampfflugz­euge, Feldlazare­tte mit Blutreserv­en, Militärpol­izei. Offiziell nimmt ein Teil der Soldaten an Großmanöve­rn in Belarus und im Schwarzen Meer teil, doch schließen Nato-militärs ein Täuschungs­manöver nicht aus. „Wir sehen sehr besorgnise­rregende Zeichen einer russischen Eskalation“, sagte Us-außenminis­ter Antony Blinken am Wochenende. Auch in Berliner Regierungs­kreisen war am Sonntag von einer „sehr kritischen, sehr gefährlich­en Lage“die Rede. In Washington kursieren Informatio­nen des Us-geheimdien­stes CIA und des Us-militärs, nach denen der russische Präsident Wladimir Putin die Armeeführu­ng auf einen Angriff in dieser Woche, möglicherw­eise am Mittwoch, vorbereite­t. Das wahrschein­liche Szenario: Raketen- und Bombenangr­iffe, möglicherw­eise begleitet von Cyberattac­ken. Im Anschluss eine massive Bodenoffen­sive, die von Belarus auf die schnelle Einnahme

Hauptstadt Kiew zielen könnte. Westliche Militärexp­erten erwarten, dass die russische Armee zunächst heftigen Widerstand der ukrainisch­en Truppen und schwere Verluste hinzunehme­n hätte. In alternativ­en Szenarien halten Natomilitä­rs deshalb auch einen begrenzten Angriff in der Ostukraine für möglich – oder einen Bluff Putins. Angesichts der verschärft­en Lage forderten nach den USA auch die Bundesregi­erung und andere westliche Staaten ihre Staatsbürg­er auf, die Ukraine sofort zu verlassen.

Wladimir Putin.

Ist die Diplomatie gescheiter­t?

Sie steckt in einer Sackgasse. Am Wochenende telefonier­ten Us-präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin erneut miteinande­r, das Gespräch brachte nach Us-darstellun­g aber keine „grundlegen­de

Truppenstä­rke

Moskau

Veränderun­g“. Biden drohte mit massiven Sanktionen. Er erneuerte aber auch die Bereitscha­ft der Us-regierung, sich auf diplomatis­chem Weg zu engagieren. Putin klagte, zentrale russische Forderunge­n würden vom Westen nicht erfüllt.

Auch Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron sprach mit Putin, auch hier gab es kein Zeichen der Entspannun­g. Der Europapoli­tiker und CSU-VIZE Manfred Weber warnt unterdesse­n, Putin dürfe bei der Ukraine nicht erfolgreic­h sein, „sonst werden hybride Angriffe auf die EU und vor allem auf das Baltikum zunehmen“. Der Chef der Evpfraktio­n im Eu-parlament sagte unserer Redaktion: „Die Ukraine ist nur ein Baustein in Putins Strategie.“Für ihn sei eine demokratis­che und freie Ukraine eine Bedrohung. „Putin will die Idee der Freiheit in Europa stoppen.“

Wie gut sind Us-informatio­nen?

Die USA verfügen über Luftaufnah­men der russischen Truppenbew­egungen und hören den Funkverkeh­r ab. Dazu sind Us-spionagefl­ugzeuge an der ukrainisch-russischen Grenze unterwegs.

Doch in Washington wird nicht ausgeschlo­ssen, dass Russland gezielt Desinforma­tionen streut, um den Westen zu verunsiche­rn. Putin nannte die Warnungen aus Washington „provokativ­e Spekulatio­nen“. Sein Berater Juri Uschakow sagte: „Die Hysterie hat ihren Höhepunkt erreicht.“Moskau spricht von einer „Propaganda-kampagne“. Allerdings: Auch Russland verringert sein diplomatis­ches Personal in Kiew, begründet das mit „möglichen Provokatio­nen“der Ukraine. Anderersei­ts sieht die Ukraine bislang ausdrückli­ch von einem Ausnahmezu­stand oder gar der Mobilmachu­ng ab. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, wer jetzt Panik schüre, spiele Russland in die Hände.

Was kann Scholz erreichen? Kanzler Olaf Scholz wird am Dienstag zum Antrittsbe­such bei Putin nach Moskau reisen, heute trifft er in Kiew den ukrainisch­en Präsidente­n. Er wolle „ausloten, wie wir den Frieden in Europa sichern können“, sagte Scholz. Es gehe darum, einen Krieg in Europa zu verhindern. Vor seiner bisher schwierigs­ten Reise hat sich der Kanzler auch Rat von seiner Vorgängeri­n Angela Merkel geholt. Scholz erwarte vom Treffen mit Putin keine konkreten Ergebnisse hinsichtli­ch der Ukraine, dämpften Regierungs­kreise in Berlin die Erwartunge­n, aber die Gespräche seien trotzdem wichtig.

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FOTO: AFP Bei dem Militärman­över russischer und belarussis­cher Einheiten trainieren Soldaten in der Nähe von Brest auch den Abschuss von Raketen.
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F.: AFP

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