Die Zeichen stehen auf Krieg
Ukraine-krise: Der Us-geheimdienst warnt vor russischem Angriff am Mittwoch. Bundeskanzler Scholz will in Kiew und Moskau noch eine Eskalation verhindern
Berlin. Die Lage im Ukraine-konflikt spitzt sich zu, die Us-regierung warnt vor einem russischen Angriff schon in den nächsten Tagen. Wie brenzlig ist die Situation, wie geht es weiter, was kann Kanzler Scholz noch beim Besuch in Moskau erreichen?
Wie bedrohlich ist die Lage?
Die Situation ist sehr gefährlich. Russland hat 130.000 Soldaten nördlich, östlich und südlich der Ukraine zusammengezogen mit allem, was zum Angriff benötigt würde: Raketenwerfer, Raketenabwehrsysteme, Panzer, Su-35-kampfflugzeuge, Feldlazarette mit Blutreserven, Militärpolizei. Offiziell nimmt ein Teil der Soldaten an Großmanövern in Belarus und im Schwarzen Meer teil, doch schließen Nato-militärs ein Täuschungsmanöver nicht aus. „Wir sehen sehr besorgniserregende Zeichen einer russischen Eskalation“, sagte Us-außenminister Antony Blinken am Wochenende. Auch in Berliner Regierungskreisen war am Sonntag von einer „sehr kritischen, sehr gefährlichen Lage“die Rede. In Washington kursieren Informationen des Us-geheimdienstes CIA und des Us-militärs, nach denen der russische Präsident Wladimir Putin die Armeeführung auf einen Angriff in dieser Woche, möglicherweise am Mittwoch, vorbereitet. Das wahrscheinliche Szenario: Raketen- und Bombenangriffe, möglicherweise begleitet von Cyberattacken. Im Anschluss eine massive Bodenoffensive, die von Belarus auf die schnelle Einnahme
Hauptstadt Kiew zielen könnte. Westliche Militärexperten erwarten, dass die russische Armee zunächst heftigen Widerstand der ukrainischen Truppen und schwere Verluste hinzunehmen hätte. In alternativen Szenarien halten Natomilitärs deshalb auch einen begrenzten Angriff in der Ostukraine für möglich – oder einen Bluff Putins. Angesichts der verschärften Lage forderten nach den USA auch die Bundesregierung und andere westliche Staaten ihre Staatsbürger auf, die Ukraine sofort zu verlassen.
Wladimir Putin.
Ist die Diplomatie gescheitert?
Sie steckt in einer Sackgasse. Am Wochenende telefonierten Us-präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin erneut miteinander, das Gespräch brachte nach Us-darstellung aber keine „grundlegende
Truppenstärke
Moskau
Veränderung“. Biden drohte mit massiven Sanktionen. Er erneuerte aber auch die Bereitschaft der Us-regierung, sich auf diplomatischem Weg zu engagieren. Putin klagte, zentrale russische Forderungen würden vom Westen nicht erfüllt.
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach mit Putin, auch hier gab es kein Zeichen der Entspannung. Der Europapolitiker und CSU-VIZE Manfred Weber warnt unterdessen, Putin dürfe bei der Ukraine nicht erfolgreich sein, „sonst werden hybride Angriffe auf die EU und vor allem auf das Baltikum zunehmen“. Der Chef der Evpfraktion im Eu-parlament sagte unserer Redaktion: „Die Ukraine ist nur ein Baustein in Putins Strategie.“Für ihn sei eine demokratische und freie Ukraine eine Bedrohung. „Putin will die Idee der Freiheit in Europa stoppen.“
Wie gut sind Us-informationen?
Die USA verfügen über Luftaufnahmen der russischen Truppenbewegungen und hören den Funkverkehr ab. Dazu sind Us-spionageflugzeuge an der ukrainisch-russischen Grenze unterwegs.
Doch in Washington wird nicht ausgeschlossen, dass Russland gezielt Desinformationen streut, um den Westen zu verunsichern. Putin nannte die Warnungen aus Washington „provokative Spekulationen“. Sein Berater Juri Uschakow sagte: „Die Hysterie hat ihren Höhepunkt erreicht.“Moskau spricht von einer „Propaganda-kampagne“. Allerdings: Auch Russland verringert sein diplomatisches Personal in Kiew, begründet das mit „möglichen Provokationen“der Ukraine. Andererseits sieht die Ukraine bislang ausdrücklich von einem Ausnahmezustand oder gar der Mobilmachung ab. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, wer jetzt Panik schüre, spiele Russland in die Hände.
Was kann Scholz erreichen? Kanzler Olaf Scholz wird am Dienstag zum Antrittsbesuch bei Putin nach Moskau reisen, heute trifft er in Kiew den ukrainischen Präsidenten. Er wolle „ausloten, wie wir den Frieden in Europa sichern können“, sagte Scholz. Es gehe darum, einen Krieg in Europa zu verhindern. Vor seiner bisher schwierigsten Reise hat sich der Kanzler auch Rat von seiner Vorgängerin Angela Merkel geholt. Scholz erwarte vom Treffen mit Putin keine konkreten Ergebnisse hinsichtlich der Ukraine, dämpften Regierungskreise in Berlin die Erwartungen, aber die Gespräche seien trotzdem wichtig.