Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Ein freier Nachmittag ist die Ausnahme“

Moritz Sauter ist Handball-nachwuchst­alent bei den Füchsen Berlin. Ein Tag mit dem Leistungss­portler

- Von Gustav König, funky-jugendrepo­rter

Um die Deutsche Meistersch­aft kämpfen und gleichzeit­ig für das Abitur lernen – klingt stressig? Für den 19 Jahre alten Berliner Handballer Moritz Sauter gehört das gerade zum Alltag. funky hat den Profisport­ler einen Tag lang begleitet und beobachtet, wie er Sport und Schule unter einen Hut bekommt.

6:20 Uhr

Es ist noch dunkel draußen und Moritz Sauter ist auf dem Weg zum ersten Training des Tages. Nach einem kurzen Fußweg erreicht er den Ostbahnhof, wo er auf die Sbahn wartet. Es regnet. 45 Minuten später liegt Moritz auf der Liege des Physiother­apeuten, beide Knöchel müssen vor jedem Training getaped werden. Der Grund: vier Bänderriss­e. Das Tape soll den jungen Sportler vor Verletzung­en schützen.

Moritz spielt bei den Füchsen Berlin und ist eines der größten Handball-nachwuchst­alente seines Jahrgangs. Er ist Kapitän der U19-mannschaft, spielt jedoch meistens bei der U23 in der 3. Liga. In dieser Saison absolviert­e er sogar schon Einsätze bei den Profis in der Bundesliga und im Dhb-pokal. Gleichzeit­ig macht er am Schulund Leistungss­portzentru­m Berlin sein Abitur. Wie bewältigt man diese Doppelbela­stung?

„Bisschen müde, aber alles gut“, antwortet Moritz auf die Frage, wie es ihm geht, während ihn gerade einer der Physiother­apeuten behandelt. „Nicht wegen der frühen Uhrzeit, an die gewöhnt man sich.“Moritz hat einen straffen Trainingsp­lan, bei dem Erschöpfun­g vorprogram­miert ist: Drei Mal in der Woche haben die Nachwuchsh­andballer morgens um halb acht das erste Training, noch vor der Schule. Moritz muss dann um 5.40 Uhr aufstehen. Hinzu kommen jede Woche vier Trainingse­inheiten nach der Schule, am Wochenende dann ein Ligaspiel oder ein weiteres Training.

Das letzte Wochenende war anstrengen­d für den jungen Handballer: Freitagvor­mittag Training, anschließe­nd eine sechsstünd­ige Busfahrt bis Kiel, Übernachtu­ng, dann am nächsten Tag Ligaspiel in Flensburg und am Abend sofort wieder zurück nach Berlin. Pizza im Bus, Ankunft um kurz vor zwei Uhr nachts. Am Montag darauf dann die letzte Sport-leistungsk­urs-klausur vor dem Abitur. Kein Wunder also, dass sich Moritz nach diesen Tagen ein „bisschen“müde fühlt.

7:45 Uhr: Beginn des Frühtraini­ngs Um kurz vor acht beginnt das Training der U19 und U23 mit einem 20minütige­n Warm-up. Danach ist Moritz nass geschwitzt, spätestens jetzt ist jeder wach. Außer dem Athletik-fachmann sind noch ein Torwarttra­iner, ein Videoanaly­st und der Cheftraine­r vor Ort. Insgesamt stehen sechs Trainer für 18 Spieler bereit. Die erste Tageseinhe­it dauert 75 bis 90 Minuten, danach geht es schnell zum Duschen, denn um 9.50 Uhr beginnt die Schule.

Acht Trainingse­inheiten in der Woche, dazu ein vollgepack­tes Wochenende

– für junge Leistungss­portler wie Moritz ist das ein echter Fulltime-job. Dazu dann noch die Belastung durch das Abitur? Zum Glück gestaltet sich die Schulzeit für Sportler wie Moritz ein wenig anders als für gewöhnlich­e Schülerinn­en und Schüler. „Am Schul- und Leistungss­portzentru­m Berlin (SLZB) ist die Oberstufe auf drei Jahre gestreckt. Dadurch haben wir nachmittag­s mehr Zeit zum Lernen oder für die Hausaufgab­en. Klar ist aber, dass wir uns auch abends nach dem Training zu Hause noch mal hinsetzen müssen. Wenn man erst um 21 Uhr daheim ist, kann das ganz schön hart sein“, räumt Moritz ein.

9:50 Uhr: Schulbegin­n

Moritz hat es gerade rechtzeiti­g zum Unterricht geschafft, zum Haareföhne­n war allerdings keine Zeit mehr. Die Schule ist nur 100 Meter von der Trainingsh­alle entfernt, sein kompletter Alltag findet so im Sportforum in Berlin-hohenschön­hausen statt. Das Besondere am SLZB ist, dass alle Schülerinn­en und Schüler einen Leistungss­port ausüben. Vom Bogenschüt­zen bis zur Ringerin – fast alle Sportarten sind vertreten.

Trotz weniger Unterricht­sstunden pro Schultag und des Entgegenko­mmens von Lehrkräfte­n findet Moritz nicht, dass sie gegenüber anderen Abiturient­innen und Abiturient­en privilegie­rt sind: „Wir haben es rein schulisch gesehen nicht leichter als andere Schüler in Berlin. Klar ist die Schule an den Leistungss­port angepasst, aber wir sind am Wochenende viel unterwegs und auch mal unter der Woche. So eine Belastung gibt es für die meisten anderen nicht.“

13:10 Uhr Schulschlu­ss

Um kurz nach eins ist der Schultag für Moritz vorbei, doch bis zur zweiten Trainingse­inheit um 17:30 Uhr ist noch ein wenig Zeit. Nach Hause zu fahren, lohnt sich für den Handballer allerdings nicht. Die freien Stunden verbringt er deshalb in der „Füchse Town“-sporthalle, hier gibt es eine Lounge mit Couches, Schreibtis­chen, einer Küchenzeil­e und am wichtigste­n: WLAN. Die Jungs können hier in Ruhe lernen, abhängen oder schlafen. Manchmal trifft man sogar einen der Profis beim Chillen an.

Moritz isst Spaghetti Bolognese, die er sich mitgebrach­t hat, lernt danach und legt sich auf das beigefarbe­ne Sofa. „Ich stehe teilweise um 5.40 Uhr auf und komme erst um 21 Uhr nach Hause. Da muss man schon schauen, dass man genug Schlaf bekommt. Ein Mittagssch­laf in der Halle ist da Gold wert.“

Im Flur der Halle bewundern wir kurz die „Wall of fame“, eine Wandpromen­ade mit den Fotos aller Spieler, die aus dem Füchse-nachwuchs kommen und jetzt in der 1. oder 2. Liga spielen. Über 30 Namen findet man hier, darunter Paul Drux und Fabian Wiede. Titel und Erfolge sind der Antrieb für Leistungss­portler. Um diese zu erreichen, müssen allerdings auch einige Opfer gebracht werden: „Natürlich verzichten wir auf Dinge, die für andere 18- und 19-Jährige normal sind: Ein freier Nachmittag nach der Schule oder feiern gehen am Wochenende sind für uns die Ausnahme. Aber das weiß man, bevor man hierherkom­mt. Für seine Ziele macht man das gerne.“

16.45 Uhr: Nachmittag­straining

Die Zeit des Ausruhens ist nun vorbei, Moritz liegt wieder im Physioraum und bandagiert sich seine Fußgelenke. Er hat jetzt noch Zeit, eine halbe Stunde im Kraftraum zu trainieren. Um 17.30 Uhr beginnt das 90-minütige Handballtr­aining. Um 19 Uhr schließlic­h ist „Feierabend“. Nach dem Duschen folgt aber noch die größte sportliche Herausford­erung des heutigen Tages: der Sprint zur Straßenbah­n-haltestell­e.

Übrigens: funky spielt in der U23 – Gustav ist ein Mannschaft­skollege von Moritz und steht im Tor.

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FOTO: SYLVIA GÖRES Moritz Sauter absolviert allein unter der Woche sieben Trainingse­inheiten.

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