Thüringer Allgemeine (Weimar)

Drei Punkte, drei Bier

Sensatione­lles 4:2 der Bochumer gegen die Bayern erinnert an Spiel des Jahrhunder­ts

- Von Marco Heibel

Bochum. Die Gleichung von Cristian Gamboa war einfach zu plausibel. „Drei Punkte, drei Bier“, rechnete der Verteidige­r des VFL Bochum vor, „ein bisschen Party“müsse nach dem sensatione­llen 4:2 (4:1) gegen die Bundesliga-übermannsc­haft Bayern München drin sein. Bei Thomas Reis rannte der Costarican­er damit offene Türen ein. „Die Truppe darf den Sieg genießen, eineinhalb Tage“, sagte der Vfl-trainer nach dem Coup, auf der Homepage des Aufsteiger­s wurde sogleich ein „Feiertach“ausgerufen.

Besonders die unglaublic­hen ersten 45 Minuten – vier Tore in der ersten Hälfte kassierte der FC Bayern zuletzt 1975 – sorgten für Ekstase im Pott. So entschuldi­gten sich einzelne Fans über die Sozialen Medien beim städtische­n Gesundheit­samt, weil ihnen beim Torjubel die Maske von der Nase rutschte. „Die erste Halbzeit war vom anderen Stern,“schwärmte der überragend­e Gerrit Holtmann, der mit seinem Tempo die Bayern ein ums andere Mal schlecht aussehen ließ und mit einem Traumtor in den Winkel (44.) zum 4:1 die denkwürdig­e erste Hälfte krönte.

Auch Außenverte­idiger Gamboa gelang alles. In der 40. Minute tunnelte er erst frech Kingsley Coman, dann versenkte er den Ball satt im linken Torwinkel. „Es war mein erstes Bundesliga­tor, und das direkt gegen Bayern. Das ist ein Traum. Meine Frau und ich erwarten ein Baby, es ist alles super“, meinte der 32-Jährige. Bochum gegen Bayern, das ist schon eine besondere Verbindung. Da ist einerseits die Fanfreunds­chaft, da sind aber auch mehrere historisch­e Duelle. Als Bochumer „Spiel des Jahrhunder­ts“galt bislang die Partie vom 18. September

1976. Der Underdog führte gegen den hohen Favoriten mit zig 1974er-weltmeiste­rn mit 4:0, Bayern gewann noch 6:5. Im Hinspiel der laufenden Saison – ebenfalls an einem 18. September – kassierte der VFL mit 0:7 seine höchste Bundesliga-niederlage. Nun der Konter für die Geschichts­bücher.

„Es gibt immer mal ein Spiel in der Saison, wo die Bayern vielleicht mal zu packen sind“, sagte Reis nach der Partie -- der ersten in dieser Spielzeit, in der Bochum vier Tore erzielte. Christophe­r Antwi-adjei (14.) hatte den Rückstand durch Robert Lewandowsk­i (9.) egalisiert, Jürgen Locadia (38., Handelfmet­er) drehte die Partie. Lewandowsk­is Anschlusst­reffer zum 4:2 eine Viertelstu­nde vor dem Schlusspfi­ff hatte keinen großen Einfluss mehr.

Bayern-trainer Nagelsmann:

Wut und Fassungslo­sigkeit

Dagegen standen Julian Nagelsmann Wut und Fassungslo­sigkeit ins Gesicht geschriebe­n, seine Analyse fiel entspreche­nd unverblümt aus. Von „Grütze“sprach der Trainer von Bayern München nach dem zweiten unerklärli­chen Blackout der Saison. „Wir haben einen Plan gehabt, der nicht aufging“, hielt Nagelsmann fest -- und rechnete auch mit sich selbst ab. „Ich“, betonte der 34-Jährige, „hätte früher reagieren und umstellen müssen“. Als er das schließlic­h tat und bei Wiederanpf­iff Mittelfeld­spieler Corentin Tolisso für den überforder­ten Abwehrchef Dayot Upamecano brachte, war es schon zu spät.

Mittelfeld-star Joshua Kimmich läutete die Alarmglock­en. „Wir haben unsere schlechtes­te Saisonleis­tung gezeigt“, schimpfte der Nationalsp­ieler: „Wir müssen uns fragen, ob das die Mentalität ist, die der FC Bayern verkörpern will.“

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FOTO: BERND THISSEN / DPA Geballte Freude: Die Bochumer Spieler können nach dem sensatione­llen 4:2 gegen den FC Bayern ihr Glück nicht fassen.

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