Thüringer Allgemeine (Weimar)

Mehr Respekt in der Pandemie

Netzwerk „Buntes Weimarer Land“wirbt vor Lutherkirc­he fürs Zusammenha­lten

- Von Jens Lehnert

Apolda. „Wir reden zu oft übereinand­er und zu wenig miteinande­r. Es kostet Kraft, das Gespräch zu suchen. Aber wir brauchen den Kompromiss.“Polizei-seelsorger Ulrich Matthias Spengler gehörte am Samstag zu denen, die vor Apoldas Lutherkirc­he das Wort für mehr Solidaritä­t, mehr Respekt und Vernunft in der Corona-krise ergriffen. Das Netzwerk „Buntes Weimarer Land“hatte zur Kundgebung „Zusammenha­lten“eingeladen. Gut 50 Zuhörer folgten dem Ruf.

Das Netzwerk hatte sich 2018 gegründet, um gegen die seinerzeit in Apolda und Magdala angemeldet­en Rechtsrock­konzerte aufzubegeh­ren. In ihm sind Privatpers­onen, Vertreter demokratis­cher Parteien, von Kommunen, Kirche, Vereinen und Verbänden aus dem Landkreis versammelt. Ob der Tatsache, dass inzwischen auch in der Kreisstadt montags bis zu 300 Corona-zweifler zusammenko­mmen und diese Szene augenschei­nlich aggressive­r auftrete, wolle das „Bunte Weimarer Land“deren Argumente nicht unwiderspr­ochen hinnehmen.

„Corona nervt uns alle. Dennoch ist das kein Grund, sich mit Feinden der Gesellscha­ft zu verbünden“, betonte Versammlun­gsleiter Stefan Kuhirt. Aus Sicht des Soziologen bestätigte Axel Salheiser vom Jenaer Institut für Demokratie und Zivilgesel­lschaft aktuelle Spaltungst­endenzen. Schon zu Beginn der Pandemie sei die Unzufriede­nheit mit den Schutzmaßn­ahmen mit antidemokr­atischen Strömungen einher gegangen. Nun habe sich das verstärkt. Unmut, Furcht und Unsicherhe­it

würden gezielt instrument­alisiert, Geschichte relativier­t. Dennoch sei auch für den Wissenscha­ftler nicht jeder Corona-gegner ein Antidemokr­at.

Unerträgli­ch seien für Salheiser Angriffe auf Behördenmi­tarbeiter und medizinisc­hes Personal. Mehr Beachtung und Wertschätz­ung forderte Lilli Reschke ein. „Nachts, wenn andere schlafen, ringen wir um Menschenle­ben“, erklärte die Schwester von der Intensivst­ation des Robert-koch-krankenhau­ses. Corona bringe die Klinikmita­rbeiter an physische und psychische Grenzen der Belastung. „Ich habe viele Menschen sterben sehen. Sie mussten einsam gehen, ohne Angehörige“, schilderte sie. Das Weihnachts­fest habe sie im Nachtdiens­t mit acht Beatmungsp­atienten auf der Intensivst­ation verbracht.

Auch Pfarrer Spengler verbarg keine Emotionen. „Trotz Kontaktbes­chränkunge­n müssen wir für andere da sein und ihnen Mut geben, obwohl man selbst manchmal mutlos ist. Ich höre täglich von Wut, Angst, Enttäuschu­ng und Ohnmacht. Ich finde es wichtig, dass diese Dinge ausgesproc­hen werden.“

Davon, wie Zusammenha­lt in diesen Tagen funktionie­ren kann, erzählte Michael Stolze vom Kreissport­bund. „Die Sportverei­ne sind Abbild der Gesellscha­ft, auch hier sind nicht alle einer Meinung. Dem einen sind die Einschränk­ungen lästig. Anderen reichen sie nicht weit genug. Dennoch ist unsere Vereinslan­dschaft gestärkter denn je. Im zweiten Coronajahr verzeichne­ten wir nennenswer­ten Mitglieder­zuwachs“, so Stolze.

Entscheide­nd sei für ihn, dass die Corona-regeln verständli­ch kommunizie­rt werden: „Beim Lesen der Verordnung­en wissen unsere Ehrenamtle­r manchmal nicht mehr, was sie tun sollen.“

 ?? FOTO: JENS LEHNERT ?? Polizei-seelsorger Ulrich Matthias Spengler (links im Bild) ergriff zur Kundgebung an der Lutherkirc­he ebenso das Wort wie die Bürgermeis­ter von Apolda und Bad Sulza, Rüdiger Eisenbrand und Dirk Schütze.
FOTO: JENS LEHNERT Polizei-seelsorger Ulrich Matthias Spengler (links im Bild) ergriff zur Kundgebung an der Lutherkirc­he ebenso das Wort wie die Bürgermeis­ter von Apolda und Bad Sulza, Rüdiger Eisenbrand und Dirk Schütze.

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