Thüringer Allgemeine (Weimar)

Gratis-tampons in Toilettenr­äumen

2020 wurde die Steuer auf Hygieneart­ikel gesenkt. Die Uni Jena geht einen Schritt weiter

- Von Monia Mersni

Jena/erfurt. Als die Friedrich-schiller-universitä­t Jena 2020 beschloss, Binden und Tampons in Zukunft gratis in ihren Toiletten auszulegen, gab es thüringenw­eit kein Vorbild. „Wir wollten natürlich auch Erfahrunge­n von anderen sammeln“, sagt Axel Burchardt. „Es gab aber nichts.“Genauer: Nur die Hochschule Merseburg in Sachsen-anhalt war früher am Start. Bei den Unis war Jena deutschlan­dweit die erste, die neben Klopapier und Seife auch Menstruati­onsprodukt­e in ihr Standard-klo-repertoire aufnahm.

Seit rund neun Monaten läuft nun die Toiletten-testphase in Jena. In neun Waschräume­n, etwa am Campus und im Zentralgeb­äude der Bibliothek, können Menstruier­ende aus angebracht­en Spendern Binden und Tampons entnehmen. Die Produkte werden wie die anderen Materialie­n zentral bestellt und von den üblichen Lieferante­n gebracht. Das Gebäudeman­agement ist fürs Auffüllen zuständig.

Doch was soll das? Mehrere Tausend Euro geben Frauen und Mädchen und alle anderen Menstruier­enden einer Studie zufolge im Laufe ihres Lebens für Periodenpr­odukte aus. Für die Uni ist es ein weiterer Schritt auf ihrem Weg zur in den Leitlinien verankerte­n Geschlecht­ergerechti­gkeit. Mit der Bereitstel­lung soll die Menstruati­on zudem normalisie­rt werden. Vorbild für die Jenaer Initiative ist Schottland.

Schottland als Vorreiter unter den Ländern

Schottland zählt zu den Vorreitern im Kampf gegen „Perioden-armut“. Die dortige Regierung legte ein Millionen Pfund schweres Programm auf, um Binden und Tampons gratis zur Verfügung zu stellen. Die kostenlose Bereitstel­lung ist seit 2020 für alle öffentlich­en Institutio­nen gesetzlich vorgeschri­eben. So sollen die Gleichheit, Menschenwü­rde und Menschenre­chte der Betroffene­n gewährleis­tet werden. Auch in Frankreich und Neuseeland gibt es solche Ambitionen.

Aber auch in Deutschlan­d ist man vielerorts schon weiter: Viele Städte debattiere­n aktuell über kostenfrei­e Menstruati­onsprodukt­e, in einigen gibt es sie zum Teil schon. So sollen etwa in Potsdamer Einrichtun­gen künftig Tampon- und Bindenspen­der zur kostenlose­n Verwendung stehen. In den weiterführ­enden Schulen in Wiesbaden sollen kostenlos Tampons und Binden angeboten werden. Anfang Februar hat auch der Leipziger Stadtrat beschlosse­n, in 25 öffentlich­en Gebäuden der Stadt Spender in den Waschräume­n anzubringe­n.

Thüringens Gesundheit­sministeri­n Heike Werner (Linke) ist sich sicher: „Die Initiative der Stadt Leipzig ist richtig.“Aus ihrer Sicht sollten Thüringer Städte dem Beispiel folgen. „Ich hoffe, dass sie in Thüringen viele Nachahmer findet“, sagt Werner. Nach der Senkung der Mehrwertst­euer für Periodenpr­odukte von 19 auf sieben Prozent sei es Zeit für den nächsten Schritt. „Es ist selbstvers­tändlich, dass in öffentlich­en Toiletten Toilettenp­apier zur Verfügung steht, genauso wie Seife zum Hände waschen. Warum sollte es nicht auch mit Periodenpr­odukten so sein?“Das sagte sie allerdings auch schon 2019 in einem Interview.

Doch eine Umfrage in Thüringen blieb ergebnislo­s. „Wir haben uns bei den verschiede­nen städtische­n

Einrichtun­gen oder Ämtern erkundigt, ob kostenlose Hygieneart­ikel in den Waschräume­n ausgelegt werden. Aktuell ist dies nicht der Fall“, hieß es etwa aus Jena. Auch in Weimar ist seitens der Stadt laut Verwaltung nichts geplant. Auch in den Häusern der Klassik-stiftung sind Gratis-binden und -Tampons einer Sprecherin zufolge aktuell noch kein Thema. Die Stadt Erfurt antwortete, wie andere Städte, erst gar nicht auf die Anfrage.

Laut Karola Stange, Mitglied der Linke-fraktion im Erfurter Stadtrat, steht das Thema aber schon auf den Plänen und wird sicher bald im Stadtrat auf der Agenda stehen. Auch bei den Rückmeldun­gen in Jena habe es „durchaus positive Resonanz in Bezug auf das Thema“gegeben, wie die Stadtsprec­herin weiter mitteilte. „Es wäre demnach denkbar, dass gesamtstäd­tisch eine solche Ausgabe einmal diskutiert und geprüft wird.“Auch für die Klassiksti­ftung Weimar handelt es sich „durchaus um ein Thema, das man diskutiere­n sollte“.

Im Erfurter Club „Kalif Storch“legt Mitbegründ­er und Geschäftsf­ührer Hubert Langrock bereits seit drei Jahren Tampons auf der Toilette aus. Warum? „So Sachen sollten einfach kostenfrei sein“, sagt Langrock. Außerdem habe ihn seine Frau darauf hingewiese­n. Für Langrock fühlt es sich „irgendwie richtig an“. „Ich habe da ja keinen Bedarf, aber ich weiß, dass der Bedarf da ist“, sagt der Unternehme­r. Außerdem sei die Menstruati­on immer noch ein Tabuthema. Dabei setze sie auch gerne mal spontan bei einem Tanzabend ein, „und dann steht man halt doof da“. Das wolle er in seinem Club nicht – für niemanden.

Nachfrage in Erfurter Club ist vorhanden

Die Maßnahme sei nicht nur bei Gästen, sondern auch bei Mitarbeite­rinnen gut angekommen. Zwar bekomme er keine Referenzen à la „tolle Tampons auf der Toilette“, aber dass das Körbchen stetig aufgefüllt werden muss, zeige ihm, dass das Angebot durchaus angenommen werde. Langrock zählt die Tampons nicht nach. Der verhältnis­mäßige Verbrauch zeige ihm aber auch, dass das Angebot nicht ausgenutzt werde. Bei ihm wird das Toiletten-sortiment also weiterhin aus Seife, Klopapier, Hygienebeu­teln und Tampons bestehen.

Auch an der Uni Jena seien die Ergebnisse bisher durchweg positiv, sagt Sprecher Burchardt. Man habe auch schon einiges gelernt – etwa Binden nur noch einzeln und hygienisch verpackt zu ordern. Da die Testphase in die Corona-pandemie fiel, soll sie auf das Sommerseme­ster ausgeweite­t werden. „Denn wir wissen bis heute noch nicht, wie hoch der Bedarf im Normalfall sein wird.“Die Uni rechnet aber mit rund 10.000 Euro Kosten jährlich für Produkte für rund 11.000 Studierend­e und Angestellt­e der Uni.

Wenn es nun bei vollem Unibetrieb weiter gut läuft, geht das Projekt „problemlos in den Regelbetri­eb über“. „Wir bieten etwas an, das hoffentlic­h bald Alltag in Deutschlan­d wird“, sagt Burchardt. Er sieht die Entwicklun­g auf dem richtigen Weg. Das, was man sich vor zwei Jahren gewünscht habe, andere nach Erfahrungs­werten zu fragen, sei nun der Fall, nur dass die Uni Jena nun regelmäßig für Umsetzungs­tipps angefragt werde – „die beantworte­n wir gerne“.

 ?? FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA ?? Periodenpr­odukte liegen in einer Toilette an der Friedrich-schiller-universitä­t Jena. An der Uni wird es auch in diesem Sommerseme­ster Binden und Tampons kostenlos in den Toilettenr­äumen geben.
FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA Periodenpr­odukte liegen in einer Toilette an der Friedrich-schiller-universitä­t Jena. An der Uni wird es auch in diesem Sommerseme­ster Binden und Tampons kostenlos in den Toilettenr­äumen geben.

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