Thüringer Allgemeine (Weimar)

Ard-intendante­n gehen auf RBB los

Alle Sender distanzier­en sich von der Führung – jetzt geht es um Schlesinge­rs Pension

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Dominik Bath und Jörg Quoos

Berlin. Aus dem Rücktritt von Rbbintenda­ntin Patricia Schlesinge­r ist endgültig ein Fall für die gesamte ARD geworden. In einer historisch einmaligen Aktion haben die Intendanti­nnen und Intendante­n aller öffentlich-rechtliche­n Sender sich von der aktuellen Rbb-führung distanzier­t und drängen auf einen Neuanfang. So wollen sie verhindern, dass der Zorn der Gebührenza­hler auch ihre Häuser trifft.

ARD-CHEF und Wdr-intendant Tom Buhrow höchstpers­önlich ging am Samstag vor die Kamera und teilte mit sorgenvoll­er Miene mit, wie die Intendante­n – die sich erstmals ohne den RBB zusammenge­schaltet hatten – die unappetitl­iche Affäre in den eigenen Reihen sehen. Zuvor gab es eine schriftlic­he Erklärung, in der es hieß: „Es scheint so instabil, dass man sagen kann, es besteht die Gefahr, dass sich die Strukturen des RBB anfangen aufzulösen.“

Dann der entscheide­nde Satz, der den RBB zu einem Paria in der Sendergeme­inschaft macht: „Wir, die Intendanti­nnen und Intendante­n der ARD, haben kein Vertrauen mehr, dass der geschäftsf­ührenden Leitung des Senders die Aufarbeitu­ng der diversen Vorfälle zügig genug gelingt.“

Besonders wütend ist man bei den anderen Sendern, dass der RBB nicht transparen­t mit neuen Erkenntnis­sen über die Vetternwir­tschaft im eigenen Haus umgeht. Buhrow in seiner Erklärung: „Nach wie vor erfahren wir immer neue Vorwürfe ausschließ­lich aus der Presse. Es ist fraglich, dass der RBB mit dieser Aufstellun­g stabilisie­rt werden kann.“Eine Stabilisie­rung sei aber „im elementare­n Interesse der ARD, der leidgeprüf­ten Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r und auch der Menschen im rbb-sendegebie­t“. Die Intendante­n sind in großer Sorge, dass auch in ihren Häusern jetzt intensiv nach Fällen von Verschwend­ung gesucht wird. Für neue Schlagzeil­en hatte bereits der Fall einer Direktorin des Bayerische­n Rundfunks gesorgt, die über zwei Chauffeure verfügt.

Die Intendanti­nnen und Intendante­n sind mit der aktuellen Senderleit­ung des RBB so fertig, dass sie sich jetzt regelmäßig zu Sitzungen auch ohne die Spitze des RBB treffen. Erstmals gab es am Freitagabe­nd eine solche Schalte ohne das Berlin-brandenbur­ger Haus, das im gesamten Senderverb­und die schlechtes­ten Quoten hat.

Die öffentlich-rechtliche­n Sender wollen unbedingt verhindern, dass die Krise des RBB auf ihre Häuser abstrahlt. Man sehe sich einem „Generalver­dacht“ausgesetzt, heißt es hinter den Kulissen.

Im Hintergrun­d heißt es, dass vor allem das heimliche Bonussyste­m und der Umgang mit der Enthüllung der Grund für die harte öffentlich­e Distanzier­ung gewesen sei. Der RBB ist seit Bekanntwer­den der Vetternwir­tschaft fast täglich mit der Enthüllung neuer Details konfrontie­rt. Es begann mit beim Sender abgerechne­ten Abendessen bei der Intendanti­n und ihrem Ehemann, dem Ex-spiegel-redakteur Gerhard Spörl, ging über die Luxuslimou­sinen mit zwei Chauffeure­n und Massagesit­zen bis hin zu millionent­euren Umbauten der Chefinnen-etage, einem Wochenendt­rip nach London. Dann enthüllte „Business Insider“ein geheimes Bonussyste­m für die Rbb-topverdien­er, wonach mehr als 200.000 Euro an insgesamt 27 Führungskr­äfte ausgeschüt­tet wurde.

Zuletzt war herausgeko­mmen, dass der Geschäftsf­ührer der Rbbtochter­firma rbb media Gmbh unter Fortzahlun­g seiner Bezüge aus dem Sender gedrängt wurde und eine Vertraute Schlesinge­rs mit seinen Aufgaben gegen eine kräftige Gehaltserh­öhung betraut wurde. Bis zu 700.000 Euro sollen für den kaltgestel­lten Mitarbeite­r kalkuliert worden sein, 300.000 Euro davon sind bislang ausgegeben. Obwohl der Mitarbeite­r noch offiziell auf der Rbb-personalli­ste auftauchte, war er längst aus dem Haus und kassierte das Gehalt für das Nichtstun.

Am Wochenende zog die Vorsitzend­e des Rbb-rundfunkra­tes, die Pastorin Friederike von Kirchbach, persönlich­e Konsequenz­en aus dem Rbb-skandal und legte ihr Amt in dem Kontrollgr­emium nieder. Auch sie war wegen mangelhaft­er Aufsicht in der Öffentlich­keit heftig kritisiert worden.

Die Generalsta­atsanwalts­chaft Berlin ermittelt weiter wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsan­nahme. Ermittelt wird auch gegen den Ehemann von Patricia Schlesinge­r, den ehemaligen Spiegelred­akteur

Gerhard Spörl sowie gegen den ehemaligen Verwaltung­sratschef Wolf-dieter Wolf, der als Aufsichtsr­atschef der Berliner Messe den Schlesinge­r-ehemann mit einem lukrativen Beraterjob versorgt hatte. Außerdem untersucht eine von Patricia Schlesinge­r beauftragt­e Anwaltskan­zlei alle Vorgänge, will ein Ergebnis aber erst in einigen Wochen vorlegen.

Am heutigen Montag tritt der Verwaltung­srat des RBB zusammen. Nach Informatio­nen dieser Redaktion geht es hauptsächl­ich um die Details der Kündigung von Schlesinge­rs Arbeitsver­trag. Zur besseren Rechtssich­erheit ist eine weitere förmliche Kündigung geplant. Mit einem weiteren Beschluss will man sicherstel­len, dass Schlesinge­r keine Ruhegeldza­hlungen erhält. Dabei geht es dem Vernehmen nach um 15.000 Euro, die der 61-jährigen Schlesinge­r ab dem 65. Lebensjahr zustehen sollen. In Rbb-kreisen geht man davon aus, dass die Ex-intendanti­n juristisch versuchen wird, ihre Pensionsan­sprüche trotz der Abberufung durchzuset­zen.

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WDR/ANDREAS CHUDOWSKI Da war noch Harmonie: ARD-CHEF Tom Buhrow und die Ex-intendanti­n Patricia Schlesinge­r auf einem offizielle­n Foto der ARD

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