Zur Person
Der Atomausstieg war eine Reaktion auf die Reaktorkatastrophe in Fukushima. Das war keine klimapolitische Entscheidung. Und im Anschluss haben wir zehn neue Kohlekraftwerke in Deutschland gebaut. Das hätte man sicher besser machen können, aber das ließ die Situation politisch eben nicht zu. Wenn Sie mich fragen, ob der Atomausstieg klimapolitisch vertretbar war, sage ich ganz klar: ja. Ich glaube nicht, dass die Kernenergie eine Zukunftstechnologie ist. Aber man hätte den Ausstieg anders machen können und müssen, nämlich gleichzeitig den Co2-preis für die Kohlekraftwerke erhöhen, um damit den Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen.
Noch sind wir nicht komplett ausgestiegen. Sollten die drei verbliebenen Meiler weiterlaufen?
Man sollte darüber diskutieren, ob die Laufzeiten kurzfristig verlängert werden. Die Lage in der Versorgungssicherheit im Stromsektor wird in den nächsten Wochen aller Voraussicht nach dramatischer. Ich
Ottmar Edenhofer (61) stammt aus Niederbayern. Der diplomierte Volkswirt kann auf eine lange Karriere als Ökonom zurückblicken. Sein Schwerpunkt ist die Klimapolitik. Edenhofer erforscht Strategien, um den Klimawandel einzudämmen. Dazu gehören auch Fragen des Wirtschaftswachstums und der Co2-bepreisung. Seit 2005 ist er Chefökonom des Potsdam-instituts für Klimafolgenforschung, dem er seit 2018 auch als Direktor vorsteht. 2020 wurde ihm für sein Engagement zum Klimaschutz der Deutsche Umweltpreis verliehen. Edenhofer lebt mit seiner Familie in Potsdam. heg
bin zwar skeptisch, was eine Verlängerung bringt – viel Gas kann man damit nicht einsparen. Aber es kann sein, dass wir die Meiler brauchen für die Versorgungssicherheit im Stromsektor. Ich habe große Zweifel, ob der sogenannte Streckbetrieb funktioniert und kann nicht beurteilen, wie schnell neue Brennstäbe zu beschaffen sind und ob für den Weiterbetrieb die sicherheitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind. Aber es muss klar sein: Eine Laufzeitverlängerung ist nur sinnvoll, wenn sie eine kurzfristige Versorgungskrise im Stromsektor verhindern hilft. Wir sollten keine Debatten führen, die von den wirklichen Problemen ablenken und unter der Hand letztlich den Wiedereinstieg in die Kernenergie befördern wollen. Das ist absurd. Es gibt langfristig in Deutschland keine Zukunft für Kernenergie. Der Ausstieg als Ganzes darf auf keinen Fall in Frage gestellt werden.
Schaffen wir es, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen?
1,5 Grad wird richtig knapp. Wenn man Paris ernst nimmt mit dem Ziel ‚deutlich unter zwei Grad‘, dann ist das machbar. Aber mehr als die Ziele beschäftigt mich die Umsetzung. Wir sind gut im Versprechen. Wir sind schlecht im Einhalten. Wir sollten lernen unsere Versprechen einzuhalten.