Thüringer Allgemeine (Weimar)

Gefährlich­er Pillen-mix – jetzt helfen die Apotheken

Viele Menschen nehmen mehrere Medikament­e gleichzeit­ig. Das ist nicht immer sinnvoll, manchmal gefährlich. Das müssen Patienten tun

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Ricarda Dieckmann

Dannenberg. Morgens zwei Tabletten, abends drei: Wer eine ganze Handvoll unterschie­dlicher Medikament­e am Tag nimmt, fragt sich womöglich: Vertragen sich all diese Präparate überhaupt?

Vor allem ältere Menschen sind von der sogenannte­n Polymedika­tion betroffen. Ein Viertel der Patientinn­en und Patienten über 70 Jahre nimmt fünf oder mehr Medikament­e. Das zeigt eine Forsa-umfrage im Auftrag der Bundesvere­inigung Deutscher Apothekerv­erbände (ABDA).

Es gibt aber ein Angebot, das den Inhalt der Pillendose auf den Prüfstand stellt – eine Medikation­sanalyse in der Apotheke. Die gute Nachricht: Seit Mitte Juni tragen die Krankenver­sicherunge­n die Kosten dafür. Und zwar einmal pro Jahr für alle, die dauerhaft mindestens fünf ärztlich verordnete Medikament­e einnehmen. Fragen und Antworten im Überblick:

Warum ist eine Medikation­sanalyse sinnvoll?

„Bei der Medikation sind häufig mehrere Ärztinnen und Ärzte beteiligt“, beobachtet Alexander Schmitz aus Dannenberg, der insgesamt fünf Apotheken betreibt. Die Hausärztin verschreib­t ein Medikament, der Kardiologe zwei weitere. Und zwar ohne dass jemand die Medikation in ihrer Gesamtheit im Blick hat.

Zwar gibt es durchaus auch die aufmerksam­e Stammapoth­ekerin, die stutzig wird bei der Kombinatio­n

von Medikament­en, die sie über die Zeit herausgibt. „Allerdings gehen viele Patienten zu unterschie­dlichen Apotheken und haben gar nicht eine Anlaufstel­le, um ihre Rezepte einzulösen“, so Schmitz.

Hier kommt die Medikation­sanalyse ins Spiel. Dabei gibt ein Apotheker oder eine Apothekeri­n eine fachliche Einschätzu­ng, ob die Medikament­e in ihrer Gesamtheit optimal eingestell­t sind. So lassen sich im besten Fall unerwünsch­te, womöglich sogar gefährlich­e Wechselwir­kungen vermeiden oder Nebenwirku­ngen abmildern.

Je mehr Medikament­e zusammenko­mmen, desto wichtiger ist so ein Überblick. Denn bei einigen Menschen sind es eben nicht fünf Präparate, die auf dem Plan stehen. Sondern auch mal 10 oder 15. „Dass das gefährlich werden kann, ist wohl für jeden ersichtlic­h“, sagt Apotheker Schmitz.

Was ist der erste Schritt?

Fix zur Apotheke um die Ecke und die Pillendose auf den Tresen legen? Ganz so einfach ist es nicht. „Im ersten Schritt muss man sich vergewisse­rn, dass die eigene Apotheke überhaupt eine Medikation­sanalyse anbietet“, erklärt Schmitz. Im Zweifel hilft da nur: Bei der Apotheke um die Ecke nachfragen oder auf der Webseite nachschaue­n.

Wie weit das Angebot verbreitet ist, dazu liegen der Bundesvere­inigung Deutscher Apothekerv­erbände keine Zahlen vor. Aber: „Die Zahl der Apotheken, die eine Medikation­sanalyse anbieten, dürfte mittelfris­tig weiter ansteigen“, so die Prognose von Abda-präsidenti­n Gabriele Regina Overwienin­g.

Ein bisschen dürfte das aber noch dauern. Die Apothekeri­nnen und Apotheker müssen für dieses Angebot eine entspreche­nde Schulung hinter sich haben. Denn eine Medikation­sanalyse geht weit über die Beratung hinaus, die man vom Einlösen eines Rezeptes kennt, so Overwienin­g.

Eine Apotheke ist gefunden. Wie läuft die Analyse nun ab?

Das Vorgehen ist einem Arztbesuch gar nicht so unähnlich. „Man macht erst einmal einen Termin aus“, sagt Apotheker Schmitz. Dazu gehört auch, mit der Apotheke einen Vertrag aufzusetze­n. Damit die Krankenver­sicherung weiß, dass man die Medikation­sanalyse dort in Anspruch nimmt.

Zum Termin selbst bringt man eine Tüte mit, die durchaus prall gefüllt sein kann. Laut Apotheker Schmitz füllt man sie nicht nur mit allen ärztlich verordnete­n Medikament­en. Auch Nahrungser­gänzungsmi­ttel, Selbstmedi­kation, Arztbriefe, Entlassbri­efe aus dem Krankenhau­s, Medikation­spläne oder Laborwerte sollte man mitbringen.

Einzig Medikament­e, die im Kühlschran­k gelagert werden müssen, sollten zu Hause bleiben. Hier notieren Patientinn­en und Patienten am besten den genauen Namen und die Wirkstärke, so der Rat der ABDA.

In der Apotheke wird der Inhalt der Tüte dann dokumentie­rt.

Schmitz, der selbst Medikation­sanalysen anbietet, stellt den Patientinn­en und Patienten in diesem Zusammenha­ng verschiede­ne Fragen: „Gibt es Beschwerde­n oder Schmerzen? Schlafstör­ungen? Wie sehen die Ernährungs­gewohnheit­en

aus? Rauchen Sie und in welchem Maße trinken Sie Alkohol?“All diese Informatio­nen helfen, ein vollständi­ges Bild zu bekommen.

Wie gehen die Apotheken vor? „Im zweiten Schritt prüft der Apotheker

oder die Apothekeri­n die Medikation auf möglicherw­eise auftretend­e arzneimitt­elbezogene Probleme“, erklärt Overwienin­g. Das sind unter anderem Wechselode­r Nebenwirku­ngen oder auch Doppelvero­rdnungen von verschiede­nen Ärzten. So entstehen Empfehlung­en, wie der Medikation­splan angepasst werden kann.

Was passiert nach der Analyse? Um die Ergebnisse der Analyse zu besprechen, gibt es in aller Regel einen zweiten Termin. „Wenn der Patient einwilligt, wird auch der Arzt informiert“, so Overwienin­g. „Der Patient erhält einen aktualisie­rten und vollständi­gen Medikation­splan.“

Der kann verschiede­ne Änderungen enthalten. „Eine häufige Folge ist, dass bestimmte Medikament­e abgesetzt werden“, sagt Schmitz. „Oft sind das Relikte, die in den Medikation­splänen von Patienten bleiben, nachdem sie im Krankenhau­s waren.“

Manchmal folgen aber auch kleinere Anpassunge­n aus der Analyse. Zum Beispiel, dass man eine Tablette künftig zu einer anderen Uhrzeit schluckt. „Cholesteri­nsenker etwa können für Schmerzen in den Beinen sorgen, wenn sie zum falschen Zeitpunkt eingenomme­n werden“, sagt Schmitz. Eine kleine Anpassung kann da schon viel Verbesseru­ng bringen. dpa

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