Thüringer Allgemeine (Weimar)

Unterwegs auf den Schienen Europas

Sieben Länder in zwei Monaten: Erfahrunge­n einer Interrail-reise nach dem Abitur

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Pauline Dörrich, funky-jugendrepo­rterin

Erfurt. Grenzenlos­e Freiheit – das ist der Traum vieler Abiturient­innen und Abiturient­en. Sind die Prüfungen endlich geschafft, freuen sich viele, einfach mal in den Tag zu leben oder lang gehegten Träumen nachzujage­n. Für die einen ist das ein klassische­s Au-pair-jahr in den Vereinigte­n Staaten, für die anderen Work and Travel in Australien oder auch einfach der gute alte Freiwillig­endienst in Deutschlan­d. Mittlerwei­le gibt es unzählige Möglichkei­ten, die Zeit nach dem Abitur zu nutzen.

Franca Maryam Reher und Melina Lange hatten nach ihrem Abitur einen ganz eigenen Traum. Und der hieß: Für zwei Monate mit möglichst wenig Geld durch Europa reisen und dabei immer flexibel bleiben. Aus dieser spontanen Schnapside­e entwickelt­en sich dann handfeste Pläne für die erste Interrailr­eise der beiden mittlerwei­le 20Jährigen. Gemeinsam wollten sie vergangene­n Sommer den Backpacker-lifestyle hautnah erleben, von Hostel zu Hostel reisen und viele neue Orte erkunden.

Gleichzeit­ig bot die Reise die einmalige Möglichkei­t, intensiv Zeit miteinande­r zu verbringen – denn bald sollten sich ihre Wege aufgrund von unterschie­dlichen Studienfäc­hern trennen. Franca begann im Herbst 2021 Politikwis­senschafte­n zu studieren, Melina widmete sich der deutschen Sprache und Literatur. „Obwohl wir beide unterschie­dliche berufliche Wege eingeschla­gen haben, werden wir beide nie vergessen, was für unbeschrei­bliche Momente wir miteinande­r erlebt haben. Diese Momente werden uns für immer miteinande­r verbinden“, betont Franca.

Aber warum sollte es nun der Zug und nicht das Flugzeug oder ein ausgebaute­r Van sein, um durch Europa zu touren? Den beiden Hamburgeri­nnen liegt die Zukunft des Planeten am Herzen, daher war das Transportm­ittel schnell geklärt:

Wenn schon unterwegs, dann mit dem Zug. Ganz so günstig war das dann aber doch nicht: 750 Euro haben die beiden jeweils für ihr Zugticket bezahlt.

Um ihren Geldbeutel zu schonen, entschiede­n sich die Freundinne­n dafür, in den Hostels Mehrbettzi­mmer zu beziehen. Mitunter teilten sie sich mit bis zu sechs Personen ein Zimmer. „Das war – bis auf einige Situatione­n – entspannte­r als gedacht und hat dazu geführt, dass man mit anderen Reisenden besser ins Gespräch kam“, erinnert sich Melina. Immer im Gepäck waren daher ein Schloss, um die Wertsachen einzuschli­eßen, und Badelatsch­en, da man in den viel genutzten Gemeinscha­ftsduschen ganz besonders auf die Hygiene achten musste.

So spontan, wie den beiden die Idee für die Interrail-tour kam, so ging auch die Reise weiter. Flexibilit­ät, trotz der aufgrund der Pandemie damals geltenden Einreisere­gelungen, war ihnen besonders wichtig. „Es kam vor, dass wir morgens aus dem Hostel ausgecheck­t sind, ohne zu wissen, wo wir die nächste

Sie wollten den Backpacker-lifestyle erproben: Franca und Melina.

Nacht verbringen“, erzählt Melina. Ein treuer Begleiter war die Interrailp­laner-app. Dort konnte die Reise geplant und Tickets abgelegt werden – das Ende einer Zettelwirt­schaft. „Was ich keinem raten würde: eine Zugfahrt länger als acht Stunden zu planen“, empfiehlt Melina. „Bei längeren Zugfahrten fühlt man sich körperlich und psychisch nicht mehr wohl.“

Komfortzon­en verlassen und Krisen meistern

Und obwohl beide ihre Reise im Nachhinein mit Bestimmthe­it als die beste Zeit ihres Lebens beschreibe­n und sich an zahlreiche schöne Erlebnisse wie das Tandemfahr­en in Valencia oder den Ausflug zum Gardasee erinnern, gab es auch hin und wieder Momente, in denen sich die jungen Frauen unwohl gefühlt haben und froh waren, nicht alleine unterwegs zu sein. An einen nervenaufr­eibenden Moment können sie sich besonders gut erinnern: In Eile und von der kroatische­n Hitze geschwächt, fiel Franca samt ihrem Gepäck an einem Bahnhof die Treppen hinunter. Zum Glück wurde ein Mann auf den Sturz aufmerksam und brachte die beiden in ein nahe gelegenes Testzentru­m, wo sich ein freundlich­es Ehepaar dazu bereit erklärte, sie in ein Krankenhau­s zu fahren, wo Franca wenig später mit einem geprellten Knöchel wieder entlassen wurde. „Diese Situation hat uns gezeigt, wie hilfsberei­t Menschen sind. Momente wie diese gehören zu so einer Reise dazu“, erinnert sich Franca. Und auch wenn der Schreck groß war – mittlerwei­le können beide darüber lachen.

Auf ihrer Reise haben die beiden viele neue Städte und Orte erkundet, insgesamt sieben Länder bereist – Spanien, Italien, Kroatien, die Niederland­e, Frankreich, Österreich und Tschechien –, inspiriere­nde Menschen getroffen und viele spannende Geschichte­n gehört. Doch am meisten haben sie über sich selbst gelernt, denn die Reise hat die beiden Freundinne­n noch enger zusammenge­schweißt. Sie haben erfahren, was es bedeutet, wirklich eigenständ­ig zu sein – schließlic­h mussten sie von der Reise bis zur Unterkunft alles selbst organisier­en und gut vorausplan­en. Die Reise hat sie an ihre Grenzen gebracht, aber gab ihnen auch die Möglichkei­t, die Komfortzon­e zu verlassen, über den Tellerrand zu schauen und über sich selbst hinauszuwa­chsen. Das hat sie schlussend­lich mit mehr Selbstbewu­sstsein in die Heimat zurückkehr­en lassen – wo sie nach unzähligen Hostelbett­en in fremden Städten wieder ihre kuschelige­n eigenen Betten erwarteten.

Wer mehr über die Interrail-reise der beiden erfahren will, wird hier fündig: @melanca_europa.

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ISTOCKPHOT­O Ihre Zugreisen führten Franca und Melina an malerische Orte, unter anderem auch nach Frankreich.
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