Mutter erhält Bewährungsstrafe für getötetes Baby
Gericht sieht keine Handlungsunfähigkeit nach Geburt in Toilette
Erfurt. Ein Kind ist tot. Es starb im April 2019 nach der Geburt im Klo. Laut der 1. Strafkammer des Landgerichtes könnte das Mädchen leben, wenn die Mutter für angemessene Versorgung und Hilfe gesorgt hätte. Weil sie es nicht tat, wurde sie wegen Totschlag durch Unterlassung in minderschwerem Fall zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Zudem muss sie die Prozesskosten tragen. Strafmildernd wirkten die Ausnahmesituation, dass die Frau nicht vorbestraft ist und dass die Tat nicht geplant war. Revision ist möglich.
Die in lesbischer Beziehung lebende Frau hatte erklärt, die Schwangerschaft nach einem Onenight-stand nicht bemerkt zu haben. Die Geburt habe sie überrascht und geschockt. Richter Markus von Hagen sagte, der Sachverhalt sei nicht genau festzustellen gewesen. Die Frau sei aber nicht handlungsunfähig gewesen. Das Gericht gehe von bedingtem Vorsatz aus. Der Tod des Säuglings wurde billigend in Kauf genommen.
In der Urteilsbegründung ging von Hagen auch auf Ermittlungen und Prozess ein. Bei der Staatsanwaltschaft kritisierte er eine Tendenz, die Schuld mit Mutmaßungen bei anderen statt bei der Angeklagten zu suchen. So sei ein Zerrbild entstanden. Einem Ermittler warf er Kompetenzüberschreitung und Einschätzungen vor, die nicht seines Amtes seien. Auch die von der Verteidigung erwogene Möglichkeit einer aktiven Tatbeteiligung der Lebensgefährtin komme nicht in Betracht. Ein Gutachten zur Schuldfähigkeit sei mangelhaft und widersprüchlich, dass man sich darüber hinwegsetzte. Kritisch sah der Richter auch die späte Anklageerhebung. Diese Verfahrensverzögerung sei nicht in Ordnung.
Das Landgericht am Erfurter Jurigagarin-ring.