Thüringer Allgemeine (Weimar)

Das Gespenst des Bürgerkrie­ges

Vor den Zwischenwa­hlen spitzt sich die Konfrontat­ion zwischen Donald Trump und Joe Biden zu. Mit unabsehbar­en Folgen

- Peter Dethier

Washington. Die Rhetorik ist giftig wie nie. Us-präsident Joe Biden wirft seinem Erzrivalen Donald Trump „Extremismu­s“und „Faschismus“vor – der Ex-präsident sei eine Gefahr für die amerikanis­che Demokratie. Im Gegenzug nennt Trump den Chef des Weißen Hauses einen „Staatsfein­d“. Der Amtsinhabe­r, ein Demokrat, und sein Vorgänger, ein Republikan­er, kämpfen dieser Tage mit harten Bandagen. Es handelt sich um eine Art Generalpro­be für ein Duell, das sich die beiden 2024 liefern könnten. Bei den Zwischenwa­hlen zum Kongress am 8. November wird es aber zunächst darum gehen, welche Partei in den Parlaments­kammern künftig das Sagen hat. Biden und Trump verstehen sich als Fahnenträg­er ihrer Parteien und rühren für deren jeweilige Kongresska­ndidaten die Werbetromm­el.

Lange Zeit hatte der „Elder Statesman“Biden versucht, über den Dingen zu stehen. Er ignorierte Trumps feurige Reden, in denen der Republikan­er immer wieder die „große Lüge“einer gestohlene­n Wahl wiederholt­e. Spielte der Präsident jemals auf seinen Vorgänger an, dann nannte er ihn lediglich „the other guy“, also „den anderen Typen“.

In den letzten Wochen hat sich das Blatt aber gewendet, und zwar dramatisch. Der sonst eher behutsam und diplomatis­ch agierende Biden bläst zum Angriff. Immer wieder. Und lockt damit Donald Trump aus der Reserve. In einer Fernsehans­prache, die er kürzlich während der abendliche­n Primetime hielt, nahm Biden kein Blatt vor den Mund. Erstmals war nicht mehr von dem „anderen Typen“die Rede. Er nannte das Übel beim Namen. „Donald Trump und die Maga-republikan­er (‚Make America Great Again‘-republikan­er) repräsenti­eren einen Extremismu­s, der weder die Verfassung noch die Ergebnisse freier Wahlen respektier­t.“Es handele sich um einen „Extremismu­s, der die Fundamente unserer Republik zu erschütter­n droht“, zog der Präsident vom Leder und schimpfte über die „Quasifasch­isten“in der Opposition­spartei.

Trumps Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Bei einem Auftritt im Bundesstaa­t Pennsylvan­ia wetterte er in scharfem Ton gegen seinen Nachfolger. „Kein anderer Präsident in der Geschichte hat jemals eine Rede gehalten, die so boshaft und spaltend ist“, schimpfte der Unternehme­r. Biden sei ein „Staatsfein­d“. Seine Rede sei eine gewesen, „die der Teufel hätte halten können – voller Hass und Wut“.

Aber was bringen diese aufgeladen­en Auftritte? Politische Beobachter sind sich einig, dass Trump und Biden die Siegeschan­cen ihrer Parteikoll­egen eher schmälern. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass Trump-anhängerin Sarah Palin, die vor 14 Jahren Vizepräsid­entschafts­kandidatin von John Mccain war, in Alaska sensatione­ll eine Stichwahl für den Kongress gegen eine Demokratin verlor. Während der letzten Wochen sind die Chancen mehrerer von Trump unterstütz­ter Senatskand­idaten laut Umfragen gesunken. Dazu zählen der ehemalige Football-star Herschel Walker in Georgia sowie der umstritten­e Tv-arzt und Ratgeber Mehmet Oz in Pennsylvan­ia. Um die Mehrheit im Senat zurückzuer­obern, sind aber Siege in beiden Staaten für die Republikan­er unverzicht­bar.

Die sinkende Popularitä­t der Trumpisten liegt nicht zuletzt an den skandalöse­n Schlagzeil­en, für die der Ex-präsident seit der Fbirazzia auf seinem Anwesen Mar-alago gesorgt hat. Wie aus dem teilweise veröffentl­ichten Durchsuchu­ngsbefehl hervorgeht, hat Justizmini­ster Merrick Garland nämlich den Verdacht, dass Trump streng vertraulic­he und für die nationale Sicherheit kritische Dokumente in seinem Privatkell­er verstaut haben könnte. Zwar bescherte ein Bunschwäch­ung desrichter in Florida Trump einen Etappensie­g. Er entschied, dass ein unabhängig­er Beobachter über die beschlagna­hmten Dokumente zu wachen hat. Das könnte eine Anklage gegen Trump verzögern. Gleichwohl sind die republikan­ischen Kandidaten darüber frustriert, dass in einem Wahlkampf, der von Rezessions­ängsten und der hohen Inflation dominiert sein sollte, nun plötzlich wieder Trump im Mittelpunk­t steht.

„Linke Medien“und „Fakenews-organisati­onen“beherrscht­en jetzt die Agenda mit Berichten über Trumps Probleme, klagen die Republikan­er. Dabei würden die Wähler doch viel lieber über die hohen Lebensmitt­el- und Benzinprei­se sowie „Bidens Rezession“sprechen, wie sie die konjunktur­elle Ab

„Staatsfein­d“, ruft Ex-präsident Donald Trump. „Faschismus“, konternt Joe Biden.

nennen. Der Trumpintim­us Lindsey Graham, Senator aus South Carolina, warnte vor „Krawallen auf den Straßen“, sollte der Ex-präsident angeklagt werden. Manche sahen darin eine indirekte Drohung. Seit Trumps Brandrede am 6. Januar 2021, der die Erstürmung des Kapitols durch einen rechten Wut-mob folgte, wabert das Gespenst eines Bürgerkrie­gs durch das Land.

Als politische Hypothek könnte sich aber auch Biden erweisen. Zwar ist sein Ansehen Umfragen zufolge wieder gestiegen. Dabei spielt offenbar das neue Klimageset­z ebenso eine Rolle wie Bidens Vorschlag, Studenten die Darlehenss­chulden teilweise zu streichen. Der republikan­ische Stratege Ron Bonjean sieht darin jedoch keinen Vorteil. Schließlic­h bekomme Biden trotz des jüngsten Höhenflugs in Umfragen nach wie vor von mehr als der Hälfte der Amerikaner schlechte Noten. Besser als Trump steht Biden aber nach wie vor da. Noch vor einem Monat schien ein Sieg der Republikan­er und damit ein Machtwechs­el in beiden Kongresska­mmern unvermeidl­ich. Mittlerwei­le haben die Demokraten in Umfragen gleichgezo­gen.

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ALEX EDELMAN / AFP Seit der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 wächst in den USA die Furcht vor einer weiteren Eskalation.
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