Die Queen ist tot: Ein Leben für den Thron
Sie war die älteste Herrscherin der Welt: 70 Jahre lang regierte Elizabeth II. Jetzt starb die britische Königin im Alter von 96 Jahren
London. Queen Elizabeth ist tot. Die britische Königin starb im Alter von 96 Jahren am Donnerstagabend auf Schloss Balmoral. In ihren letzten Stunden war ihre Familie bei ihr. Prinz Charles und dessen Ehefrau Camilla, Prinzessin Anne, Prinz Andrew, Prinz Edward und Prinz William eilten zu ihr. Auch Prinz Harry, der mit seiner Ehefrau Meghan und den beiden Kindern in den USA lebt, reiste nach Balmoral. Meghan kam britischen Medien zufolge nicht dazu. Herzogin Kate blieb bewusst bei den Kindern in Windsor.
Die Queen hinterlässt vier Kinder, acht Enkelkinder und zwölf Urenkelkinder. Ihr Vermögen wird auf 350 Millionen Euro geschätzt. Sie war das Staatsoberhaupt von 16 Ländern, von so vielen wie niemand sonst. Neben dem Vereinigten Königreich herrschte sie auch über Kanada, Australien, Neuseeland und mehrere Inselstaaten in der Karibik und im Pazifik.
Die Königin war eine Dienerin – unermüdlich im Einsatz für ihr Reich. Noch 2015 hatte sie so viele Termine, wie das Jahr Tage hat. Als sie die 90 überschritt, waren es immer noch knapp unter 300. „Man muss gesehen werden, um geglaubt zu werden“, war ihr Motto. Ihr Pflichtbewusstsein war das einer vergangenen Epoche – sie klagte nie, aber sie erklärte sich auch nie. Mit der Queen stirbt somit nicht nur ein Mensch, sondern eine der größten Symbolfiguren der vergangenen 100 Jahre, die prägendste Repräsentantin der westlichen Zivilisation. Sie war die Konstante in Jahrzehnten, in denen sich die Welt ein paarmal komplett veränderte.
2022 war das Jahr des 70. Thronjubiläums. Da war sie schon längst die älteste und die am längsten regierende Monarchin der Welt. Denn den Rekord ihrer Ururgroßmutter Königin Victoria brach sie bereits 2015. Und kein britischer Thronfolger hing so lange in der Warteschleife wie der neue König von Großbritannien, Elizabeths Erstgeborener Charles. Noch nie war ein britischer König beim Amtseintritt so alt wie der 73-Jährige.
Die Queen erlebte 15 Premierminister von Winston Churchill bis
Liz Truss. Noch am 6. September ernannte sie Truss formal zur neuen Premierministerin. Zum ersten Mal in ihrer kompletten Regentschaft passierte dieses Ritual auf Schloss Balmoral.
Mit Margaret Thatcher verband sie die eiserne Disziplin – das Verhältnis der beiden wurde als unterkühlt beschrieben. Zudem überlebte die Queen einen Weltkrieg und 1981 bei ihrer Geburtstagsparade sechs Schüsse, die ein 17-Jähriger auf sie abfeuerte. Es waren Platzpatronen. Ein Jahr später stand ein verwirrter
Die kleine Elizabeth 1937 mit ihrer gleichnamigen Mutter. 2019 wird ihr achter Urenkel geboren: Archie ist der Sohn von Enkel Harry und seiner Frau Meghan. Mit im Bild: Meghans Mutter Doria Ragland und Prinz Philip. Eindringling in ihrem Schlafzimmer. Die Queen verwickelte ihn in ein Gespräch, bis der Sicherheitsdienst endlich seinen Job tat. Sie überstand auch den Verlust ihres Empires. Von dem größten Reich der Geschichte, das einst ein Viertel der Erdoberfläche ausmachte, blieben zuletzt nur das Kernland, Gibraltar und ein paar verstreute Inseln. Sie erlebte aber auch den Eintritt ihres Landes in die EU – und den Austritt. Den Brexit soll sie nicht gutgeheißen haben.
Elizabeth II. war auch Popkultur, 1993 mit Prinz Charles, ihrem ältesten Sohn und Nachfolger. ihr ikonisches Porträt zierte exotische Währungen, Kaffeetassen und Kunstwerke von Andy Warhol bis Lucian Freud. Sie wurde verspottet von Punkbands wie den Sex Pistols, eine bald ebenfalls legendäre Rockband benannte sich nach ihr. Helen Mirren gewann 2006 den Oscar für ihre Titelrolle im Kinofilm „The Queen“, die Netflix-serie „The Crown“erzählt die Saga ihrer Familie. Ihre Kombinationen aus farbenfrohen Mänteln und Hüten, den Handschuhen und Handtaschen waren ihr zeitloses Markenzeichen.
Mit Philip auf dem Maifeld am Berliner Olympiastadion, 1965.
Mit ihrer Schwiegertochter Prinzessin Diana, 1987.
Noch am 6. September ernannte die Queen Liz Truss formal zur neuen Premierministerin.
Die Art, wie sie ihre Handtasche hielt, diente ihrer Entourage als ein Geheimcode. Ein Armwechsel etwa bedeutete: Ich will weiter.
Ihren größten Quälgeistern, den Boulevardblättern, konnte sie nicht entkommen. Doch wie ein Fels in der Brandung trotzte sie den Skandalen. Denn ihre Verwandtschaft führte sich auf wie in einem Shakespeare-drama – und immer öfter wie in einer Seifenoper. „Wie alle besten Familien haben wir unseren Anteil an Exzentrizitäten, an ungestümen und eigensinnigen Jugendlichen und an familiären Meinungsverschiedenheiten“, seufzte sie.
Allerdings verdankte sie einem Skandal überhaupt erst ihr Amt: Ihr Onkel König Eduard wirft 1936 hin und brennt mit der geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson durch. Ihr Vater George, ein Stotterer, übernimmt – plötzlich ist der Teenager Kronprinzessin.
Mit 25 Jahren bestieg sie den britischen Thron
Eine Schule besuchte sie nie, sie wurde am Hof auf ihre Rolle vorbereitet. Mit 14 hielt sie ihre erste Radioansprache. Zu schade ist sie sich für nichts: Lässt sich als junge Frau als Automechanikerin und Kraftfahrerin ausbilden. Als ihr Vater 1952 mit nur 56 Jahren stirbt, besteigt die 25-Jährige den Thron. Ihre Krönung 1953 wird das erste Großereignis des noch jungen Mediums Fernsehen – 300 Millionen weltweit sehen zu. Mit Disziplin und Würde meistert sie fortan in turbulenten Jahrzehnten ihre Aufgabe. Das schlimmste Jahr war für die Queen 1992: Schloss Windsor brennt, in Schutt und Asche liegen auch die Ehen ihrer Kinder. Andrew trennt sich von seiner Frau Sarah. Zuvor waren Bilder aufgetaucht, auf denen ein Liebhaber an Fergusons Zeh nuckelt. Charles trennt sich von seiner Frau Diana. Es kommt noch schlimmer: Die einst so scheue Schwiegertochter rächt sich für im Palast erlittene Schmach mit Buch und Interview. Als „Königin der Herzen“inszeniert sie sich nun und wird beliebter als die Royal Family. Als Diana 1997 verunglückt, gerät ein Land in den Ausnahmezustand. Die Queen verschanzt sich, kümmert sich um die verstörten Enkel. Doch das Volk fordert eine Gefühlsregung. Die Queen gibt nach, hält eine Ansprache und kittet in letzter Minute den Riss zwischen ihr und den Briten. Es ist ihre größte Krise.
Ihre Popularität steigt wieder, und ihre Ausdauer zollt selbst Monarchiegegnern Respekt ab. Die Skandale in der Familie reißen jedoch nicht ab. Zuletzt machen der Queen ihr abtrünniger Enkel Harry und ihr Sohn Andrew, der in ein Missbrauchsverfahren verwickelt ist, Kummer.
Wie alle Familien haben wir unseren Anteil an Exzentrizitäten. Queen Elizabeth II.
Als im April 2021 ihre Ehemann stirbt, sieht die ganze Welt ihre Tränen. 73 Jahre waren sie und Prinz Philip verheiratet, die längste Ehe in der Geschichte der Monarchie.
Als Mutter soll sie eher kühl gewesen sein. Doch als Großmutter war sie liebevoll. Ansonsten liebte sie ihre Corgis, Pferde, Autos, Earl Grey Tea, Toastbrot (ohne Kanten), Krimis, Fußball. Und sie hatte einen trockenen Humor. Ihre Parodien der Premierminister waren eine Gaudi, erzählt man.
Politisch äußern durfte sie sich nie. Einige sehen sie jedoch als treibende Kraft hinter dem Ende der Apartheid Südafrikas. Ihr Irlandbesuch 2011 galt als wichtiges Symbol der Aussöhnung. Und natürlich setzte sie als mächtige Frau weltweit auch ein mächtiges Zeichen. So weigerte sie sich, dem erwarteten Frauenbild – nahbar, adrett, nett – zu entsprechen. „Es ist unfair“, stellte sie einmal fest. „Wenn ein Mann nicht lächelt, gilt er als ernsthaft, nicht als mies gelaunt.“
Die Queen wird wohl noch für Jahrhunderte Teil des kollektiven Gedächtnisses bleiben. Als Identitätsstifterin hat sie ihr Land geeint, jetzt sind die Briten vereint in Trauer. „Trauer ist der Preis, den wir für die Liebe zahlen“, sagte sie einmal.