Kiew will mehr als 300 Milliarden Dollar
Justizminister Denys Maljuska fordert Kriegsentschädigung. Hoffnung auf Hilfe von Deutschland
Michael Backfisch
Berlin. Die Ukraine strebt einen internationalen Vertrag an, um von Russland mehr als 300 Milliarden Dollar Kompensation für Kriegsschäden einzutreiben. „Unser Ziel ist es, auf einer Sondersitzung der Un-generalversammlung im Oktober eine Resolution zu erreichen, die den Grundstein für einen internationalen Wiedergutmachungsmechanismus legen wird“, sagte der ukrainische Justizminister Denys Maljuska unserer Redaktion.
„Wir wollen eine Kompensation für alle Schäden, die Russland in der Ukraine durch seinen Angriffskrieg verursacht hat. Die direkten Schäden etwa durch die Zerstörung von Infrastruktur, Wohngebäuden oder Industrie betragen derzeit mehr als 300 Milliarden Dollar“, so Maljuska. „Hinzu kommen Umweltschäden und persönliche Schäden, die den Kriegsopfern zugefügt wurden, die derzeit nicht ermessen werden können. Wir gehen davon aus, dass Hunderttausende Menschen aufgrund des Krieges gestorben sind. Die Angehörigen haben ein Anrecht auf Entschädigung.“
Der ukrainische Justizminister fordert hierzu auch den Zugriff auf die Reserven der russischen Zentralbank in Höhe von rund 300 Milliarden Dollar, die bereits in den G7staaten eingefroren sind. „Zweitens sollten ausländische Vermögenswerte russischer Staatsunternehmen wie Gazprom oder Rosneft in diesen Fonds fließen.“Darüber hinaus solle auch das Geld von Auslandskonten russischer Oligarchen und deren Vermögen herangezogen werden.
Nach der Un-sondersitzung sollten Verhandlungen mit Regierungen über die Abfassung und Ratifizierung
eines Abkommens stattfinden, sagte Maljuska. „In dem internationalen Vertrag müssten die Gründe zur Aufhebung staatlicher Immunität für die Auslandsvermögen eines Aggressorstaates wie Russland festgelegt werden“, erklärte der Justizminister. Danach sollte eine internationale Kommission zur Prüfung von Anträgen auf Schadensersatz von den betroffenen Personen und der Regierung der Ukraine gebildet werden. Auf der Grundlage des internationalen Vertrags sollten Änderungen an der nationalen Gesetzgebung jedes Landes vorgenommen werden, das dem Vertrag beitrete, so Maljuska.
„Wir rufen Deutschland auf, in der Un-vollversammlung dies zu unterstützen und für die Resolution zu Reparationen und Beweissicherung des Schadens zu stimmen“, betonte der Minister. „Deutschland sollte andere Länder auffordern, seinem Beispiel zu folgen. Andere Eu-länder würden sofort mitmachen – das wäre ein ‚Gamechanger‘. Bislang kam von der Bundesregierung kein Signal in diese Richtung.“
Während eines Überraschungsbesuchs in Kiew kündigte Us-außenminister Antony Blinken weitere Milliardenhilfen für die Ukraine und ihre Nachbarn an. Die Us-regierung wolle das von Russland angegriffene Land sowie 18 Staaten in Ost- und Südeuropa mit 2,2 Milliarden Dollar langfristig militärisch stärken, teilte das amerikanische Außenministerium am Donnerstag mit.
Nur wenige Stunden zuvor hatte der Us-verteidigungsminister Lloyd Austin bereits weitere militärische Hilfe für den Abwehrkampf der Ukrainer gegen Russland zugesagt. Es gehe um ein neues Waffenpaket mit einem Volumen von rund 675 Millionen Dollar, sagte Austin auf dem Usmilitärstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein. Austin hatte dort die Mitglieder der sogenannten Ukraine-kontaktgruppe zu einer Konferenz eingeladen, an der die Vertreter von rund 50 Ländern teilnahmen.
Deutschland wird die Ukraine künftig bei der Minenräumung unterstützen. Gemeinsam mit den Niederlanden werde man ein Ausbildungsprogramm starten, in dem ukrainische Soldaten in Deutschland beim Räumen von Minen und der Entschärfung von Sprengfallen ausgebildet werden sollen, sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bei der Konferenz der Ukraine-kontaktgruppe in Ramstein.
Das Training soll im baden-württembergischen Stetten am kalten Markt in der Kampfmittelabwehrschule der Bundeswehr erfolgen. Dabei werde Deutschland gemeinsam mit den Niederlanden nicht nur Know-how, sondern auch Material zur Verfügung stellen, sagte die Ministerin. Darüber hinaus werde Deutschland die Ukraine durch „Winterpakete“beispielsweise mit Material zur Stromerzeugung sowie mit Zelten und Winterausrüstung unterstützen, fügte Lambrecht hinzu. Zudem werde „alsbald“die zweite Lieferung schon zugesagter Gepard-panzer sowie von Brückenlegepanzern des Typs Biber erfolgen.