Truss löst erstes Milliarden-versprechen ein
Neue Premierministerin sagt in Energiekrise enorme staatliche Unterstützung zu. Offen ist die Finanzierung
London. Weniger als 48 Stunden, nachdem sie in der Downing Street das Ruder übernommen hatte, trat Liz Truss am Donnerstag ans Rednerpult im Unterhaus. Sie hielt eine Ansprache, die wohl die ersten Monate ihrer Regierungszeit prägen wird. Die Premierministerin kündigte ein massives Hilfspaket an, um die Krise der exorbitanten Energiepreise einzudämmen.
Demnach soll der Energiepreisdeckel am 1. Oktober nicht mehr auf 3500 Pfund pro Jahr ansteigen, sondern nur auf 2500 Pfund. Wie viel die Unterstützung kosten wird, darüber sagte Truss überraschenderweise nichts. Laut Schätzungen dürften es weit über 100 Milliarden Pfund (umgerechnet etwa 115 Milliarden Euro) sein.
Der Energiepreisdeckel für einen durchschnittlichen Haushalt, der jeweils von der Energieaufsichtsbehörde Ofgem festgelegt wird, wäre ab 1. Oktober von derzeit 1971 Pfund auf über 3500 Pfund erhöht worden – ein Anstieg von 80 Prozent. Mit dem jetzigen Preisdeckel, der mindestens zwei Jahre beibehalten werden soll, spart ein Haushalt 1000 Pfund.
Dass Truss überhaupt ein staatliches Rettungspaket geschnürt hat, ist ein großer Gewinn. Während des Wahlkampfs hatte sie ihre Abneigung
gegen staatliche Unterstützung in Form von „Almosen“zum Ausdruck gebracht. Als libertär gesinnte Politikerin ist sie zudem wenig begeistert von Interventionen in den freien Markt – vielleicht spricht die Regierung deshalb von einer „Energiepreisgarantie“anstatt von einem Deckel. Aber es war ihr wohl nichts anderes übrig geblieben, als eine Kehrtwende zu vollziehen. Ökonomen hatten mit zunehmender Dringlichkeit gewarnt, dass katastrophale Verhältnisse drohen, wenn die astronomischen Gas- und Stromrechnungen nicht begrenzt würden.
Aber es wurde bereits Kritik laut an den Plänen der Regierung. Viele
Details fehlen, vor allem die Finanzierung, die Truss in ihrer Ankündigung komplett ausließ. Sie verlor kein Wort darüber, wie viel das alles kosten wird und wer letztendlich dafür bezahlen wird.
Für eine Maßnahme in diesem Umfang ist dies ungewöhnlich. „Ich kann nicht recht glauben, dass wir nichts über die Kosten gehört haben“, so Paul Johnson, Vorsitzender des Thinktanks Institute for Fiscal Studies. Die Premierministerin verwies nur auf eine Ankündigung ihres Finanzministers, die in einigen Wochen folge. Truss bekräftigte jedoch, dass sie auf keinen Fall eine Zufallsgewinnsteuer für Energiekonzerne einführen werde.