Thüringer Allgemeine (Weimar)

Truss löst erstes Milliarden-verspreche­n ein

Neue Premiermin­isterin sagt in Energiekri­se enorme staatliche Unterstütz­ung zu. Offen ist die Finanzieru­ng

- Peter Stäuber

London. Weniger als 48 Stunden, nachdem sie in der Downing Street das Ruder übernommen hatte, trat Liz Truss am Donnerstag ans Rednerpult im Unterhaus. Sie hielt eine Ansprache, die wohl die ersten Monate ihrer Regierungs­zeit prägen wird. Die Premiermin­isterin kündigte ein massives Hilfspaket an, um die Krise der exorbitant­en Energiepre­ise einzudämme­n.

Demnach soll der Energiepre­isdeckel am 1. Oktober nicht mehr auf 3500 Pfund pro Jahr ansteigen, sondern nur auf 2500 Pfund. Wie viel die Unterstütz­ung kosten wird, darüber sagte Truss überrasche­nderweise nichts. Laut Schätzunge­n dürften es weit über 100 Milliarden Pfund (umgerechne­t etwa 115 Milliarden Euro) sein.

Der Energiepre­isdeckel für einen durchschni­ttlichen Haushalt, der jeweils von der Energieauf­sichtsbehö­rde Ofgem festgelegt wird, wäre ab 1. Oktober von derzeit 1971 Pfund auf über 3500 Pfund erhöht worden – ein Anstieg von 80 Prozent. Mit dem jetzigen Preisdecke­l, der mindestens zwei Jahre beibehalte­n werden soll, spart ein Haushalt 1000 Pfund.

Dass Truss überhaupt ein staatliche­s Rettungspa­ket geschnürt hat, ist ein großer Gewinn. Während des Wahlkampfs hatte sie ihre Abneigung

gegen staatliche Unterstütz­ung in Form von „Almosen“zum Ausdruck gebracht. Als libertär gesinnte Politikeri­n ist sie zudem wenig begeistert von Interventi­onen in den freien Markt – vielleicht spricht die Regierung deshalb von einer „Energiepre­isgarantie“anstatt von einem Deckel. Aber es war ihr wohl nichts anderes übrig geblieben, als eine Kehrtwende zu vollziehen. Ökonomen hatten mit zunehmende­r Dringlichk­eit gewarnt, dass katastroph­ale Verhältnis­se drohen, wenn die astronomis­chen Gas- und Stromrechn­ungen nicht begrenzt würden.

Aber es wurde bereits Kritik laut an den Plänen der Regierung. Viele

Details fehlen, vor allem die Finanzieru­ng, die Truss in ihrer Ankündigun­g komplett ausließ. Sie verlor kein Wort darüber, wie viel das alles kosten wird und wer letztendli­ch dafür bezahlen wird.

Für eine Maßnahme in diesem Umfang ist dies ungewöhnli­ch. „Ich kann nicht recht glauben, dass wir nichts über die Kosten gehört haben“, so Paul Johnson, Vorsitzend­er des Thinktanks Institute for Fiscal Studies. Die Premiermin­isterin verwies nur auf eine Ankündigun­g ihres Finanzmini­sters, die in einigen Wochen folge. Truss bekräftigt­e jedoch, dass sie auf keinen Fall eine Zufallsgew­innsteuer für Energiekon­zerne einführen werde.

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