Wände voller Kunst aus Scherben
Geraer Künstler schafft mit keramischen Bruch- und Fundstücken eine faszinierende Bilderwelt
Gera. In den 80er-jahren entdeckt der Geraer Künstler Bernd Lehmann beim Graben Scherben. Er ist gerade dabei, den alten Obstgarten der Schwiegereltern wieder auf Vordermann zu bringen. In der Folge fördert er immer mehr Ton- und Porzellanscherben zu Tage. Keramischer Abfall, der etwa von den Vorgängergenerationen mit dem Mist aufs einstige Feld gebracht wurde. Früher landete eben nicht nur Biomüll auf dem Misthaufen.
Die Scherben, die Bernd Lehmann findet, reinigt und sammelt er zu Hause. Mit den Kindern werden Bilder gelegt, bis der Künstler eines Tages ein erstes Blumenstrauß-stillleben schafft. Peu a peu entstehen weitere Scherbenbilder. Eines erwirbt sogar die Geraer Adventsgemeinde. Doch erst 2012 wendet sich der Maler ausschließlich den keramischen Fund- und Bruchstücken zu. Mittlerweile füllen Lehmanns
Körbe mit Scherben.
faszinierende Scherbenbilder fast eine ganze Wohnung im familieneigenen Mehrgenerationenhaus. Die Werke hängen dicht an dicht an Wänden wie an Decken.
Es ist ein Gesamtkunstwerk, das Lehmann in zehn Jahren schuf. „Ein Generalthema“, wir er es nennt, „mit vielen Varianten.“„Gefäß Mensch“lautet der Titel seines beeindruckenden Werkskomplexes. Er symbolisiere die Zerbrechlichkeit des Menschen. Zentrales wiederkehrendes Motiv sind Gefäße aller Art: Karaffen, Vasen, Schalen, Deckel und Henkel werden in unterschiedlichsten Formen, Größen
und Farben dargestellt. Mitunter schleichen sich auch ironische Töne ein: Da henkeln sich zwei Henkel unter, da balancieren Deckel tollkühn auf dem Deckelknauf.
Lehmanns Scherbenbilder sind inspiriert von der Bibel. Das Göttliche versinnbildlicht er mit Goldscherben und regenbogen-farbenen Farbverläufen. Gottes großes Festmahl für alle Völker ist hier ebenso Thema wie das Triumphkreuz, jenes kirchliche Kruzifix, das auf den Sieg des auferstandenen Christus über den Tod verweist.
In den passgenauen Scherben-arrangement steckt viel Puzzlearbeit, wie der 70 Jahre alte Künstler sagt. Dabei schafft er aus zersprungenen Gefäßen neue zweidimensionale Behältnisse, die in ihrer klaren Form fast grafisch anmuten.
Für die Fülle an Bildern reichten Lehmanns Scherbenfunde im Garten bald nicht mehr aus. Verwandte und Bekannte versorgten ihn mit Zu-bruch-gegangenem. Und auch am Wegesrand entdeckte er mit geschultem Sammlerblick die ein oder andere Scherbe.
Es war ein langer Prozess, bis Bernd Lehmann sich vollends auf die Scherbenkunst einlassen konnte. Für einen Maler fühle es sich wie ein Sakrileg an, den Pinsel aus der Hand zu legen, sagt er. Im kommenden Jahr plant er, Teile seiner großen Werkgruppe in der Trinitatiskirche Gera auszustellen. Danach würde er gern seine Bilder in der Klosterkirche Thalbürgel zeigen.
Geboren 1952, wuchs Bernd Lehmann wohlbehütet bei Bautzen auf. Beim Kunststudium in Berlin-weißensee lernt er seine Frau kennen, eine gebürtige Geraerin. Mit ihr geht er 1978 nach Ostthüringen. Hier arbeitet er freischaffend, malt unter anderem die Geraer Wendeoberbürgermeister Horst Jäger und Andreas Mitzenheim. Heute, so sagt der Künstler, scheint es ihm, als habe er nie etwas anderes gemacht als Scherbenbilder.