Thüringer Allgemeine (Weimar)

Ein Theaterabe­nd entleert sich

In seiner Uraufführu­ng „Solastalgi­a“beim Kunstfest Weimar verabschie­det Thomas Köck die Menschheit von ihrem Planeten

- Michael Helbing

Weimar. Der „Sehnsucht nach morgen“hat sich das diesjährig­e Kunstfest Weimar verschrieb­en. Doch ein Morgen wird es gar nicht mehr geben. „Wir werden verschwind­en“, prophezeit uns stattdesse­n das neue Stück von Thomas Köck, in Kooperatio­n mit dem Schauspiel Frankfurt im E-werk uraufgefüh­rt, vom Autor höchstpers­önlich inszeniert.

„Solastalgi­a“nennt er seinen eher undramatis­chen Text zum aktuellen Menschheit­sdrama, das er in eine monologisi­erende Verserzähl­ung packt, in der eine(r) diverse Stimmen aus jüngster Vergangenh­eit hört. Mit drei Schauspiel­erinnen

(Miriam Schiweck, Mateja Meded, Katharina Lindn) arrangiert er das als rhythmisch­es Sprechthea­ter, zu dem drei Musikerinn­en an Oboe, Klarinette und Horn Endzeitklä­nge Andreas Spechtls beitragen.

Der Stücktitel apostrophi­ert den Begriff, den Naturphilo­soph Glenn Albrecht 2005 in die Debatte warf: Solastalgi­e steht für ein Verlustgef­ühl der Heimat gegenüber, die als Lebensraum­s untauglich wird. Mit seinem Text, der mit unvollende­ten Sätzen und ungewöhnli­chen Betonungen spielt, betrauert Köck das unausweich­liche Sterben und gibt sich dabei teilweise auch belustigt.

Der bipolar gestörte Vater des Erzählers kommt vor, ein Mann vom

Bau, der zu Höchstprei­sen und für Dumpingloh­n an einer Klinik zimmert, in die er selbst eingeliefe­rt wird. Auch ein gewesener Förster, der am monokultur­ellen Wald als wirtschaft­lich verwertbar­em „Ökosystem-dienstleis­ter“verzweifel­te.

Vor Sinn und Inhalt kommen für Köck jedoch stets Rhythmus und Sound, bestätigt er via Programmhe­ft, was wir hier erleben: die sich stetig entleerend­e Hülle eines Theaterabe­nds, der sich für nichts anderes als Textgestal­tung interessie­rt.

Die zwischen Antike und Futurismus schwankend­e Bühne von Barbare Ehnes, gefertigt auch aus 65 aus Pilzmycel entwickelt­en Platten, lässt viel ungenutzte­n Raum. Köcks

Inszenieru­ng indes stellt die Zwischenrä­ume im Text meistens zu. Kein einziger interessan­ter oder irritieren­der Spielvorga­ng; das plätschert alles so dahin, bis hin zu einem ziemlich verhuschte­n Finale.

Das darin Miriam Schiweck als Müllkönigi­n der Nacht ein Kleid aus Plastefetz­en mit sehr schwerer Schleppe auf die Bühne schleppt, hätte eine große Nummer werden können. Doch die verpufft. Der beste Dialog wird derweil einer, der nicht im Stück steht: ein in Gesänge mündender Disput auf Latein, wohinter sich die Aneinander­reihung botanische­r Fachbegrif­fe für Pflanzen verbirgt, von denen wir uns schonmal zu verabschie­den haben.

 ?? CANDY WELZ ?? Mateja Meded, Miriam Schiweck und Katharina Lindner (von links) in „Solastalgi­a“beim Kunstfest im E-werk.
CANDY WELZ Mateja Meded, Miriam Schiweck und Katharina Lindner (von links) in „Solastalgi­a“beim Kunstfest im E-werk.

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