Ein Theaterabend entleert sich
In seiner Uraufführung „Solastalgia“beim Kunstfest Weimar verabschiedet Thomas Köck die Menschheit von ihrem Planeten
Weimar. Der „Sehnsucht nach morgen“hat sich das diesjährige Kunstfest Weimar verschrieben. Doch ein Morgen wird es gar nicht mehr geben. „Wir werden verschwinden“, prophezeit uns stattdessen das neue Stück von Thomas Köck, in Kooperation mit dem Schauspiel Frankfurt im E-werk uraufgeführt, vom Autor höchstpersönlich inszeniert.
„Solastalgia“nennt er seinen eher undramatischen Text zum aktuellen Menschheitsdrama, das er in eine monologisierende Verserzählung packt, in der eine(r) diverse Stimmen aus jüngster Vergangenheit hört. Mit drei Schauspielerinnen
(Miriam Schiweck, Mateja Meded, Katharina Lindn) arrangiert er das als rhythmisches Sprechtheater, zu dem drei Musikerinnen an Oboe, Klarinette und Horn Endzeitklänge Andreas Spechtls beitragen.
Der Stücktitel apostrophiert den Begriff, den Naturphilosoph Glenn Albrecht 2005 in die Debatte warf: Solastalgie steht für ein Verlustgefühl der Heimat gegenüber, die als Lebensraums untauglich wird. Mit seinem Text, der mit unvollendeten Sätzen und ungewöhnlichen Betonungen spielt, betrauert Köck das unausweichliche Sterben und gibt sich dabei teilweise auch belustigt.
Der bipolar gestörte Vater des Erzählers kommt vor, ein Mann vom
Bau, der zu Höchstpreisen und für Dumpinglohn an einer Klinik zimmert, in die er selbst eingeliefert wird. Auch ein gewesener Förster, der am monokulturellen Wald als wirtschaftlich verwertbarem „Ökosystem-dienstleister“verzweifelte.
Vor Sinn und Inhalt kommen für Köck jedoch stets Rhythmus und Sound, bestätigt er via Programmheft, was wir hier erleben: die sich stetig entleerende Hülle eines Theaterabends, der sich für nichts anderes als Textgestaltung interessiert.
Die zwischen Antike und Futurismus schwankende Bühne von Barbare Ehnes, gefertigt auch aus 65 aus Pilzmycel entwickelten Platten, lässt viel ungenutzten Raum. Köcks
Inszenierung indes stellt die Zwischenräume im Text meistens zu. Kein einziger interessanter oder irritierender Spielvorgang; das plätschert alles so dahin, bis hin zu einem ziemlich verhuschten Finale.
Das darin Miriam Schiweck als Müllkönigin der Nacht ein Kleid aus Plastefetzen mit sehr schwerer Schleppe auf die Bühne schleppt, hätte eine große Nummer werden können. Doch die verpufft. Der beste Dialog wird derweil einer, der nicht im Stück steht: ein in Gesänge mündender Disput auf Latein, wohinter sich die Aneinanderreihung botanischer Fachbegriffe für Pflanzen verbirgt, von denen wir uns schonmal zu verabschieden haben.