Mittachtziger zurück in Kulturstadt
Goetheschüler des Absolventenjahrganges 1952 kommen zum Klassentreffen zusammen
Weimar. Solche Jubiläen feiern sich selbst in der Kulturstadt nicht alle Tage: Zur 70. Wiederkehr ihres Schulabschiedes an der Amalienstraße trafen sich in dieser Woche Weimarer Goetheschüler des Absolventenjahrganges 1952.
Die einstige 34-köpfige Abschlussklasse 8c, in der ausschließlich Jungen lernten, hatte einen sehr bewegten Start durchlebt. Nach der Einschulung im Kriegsjahr 1944 erforderten es Zerstörungen durch Bombenabwürfe sowie die Umnutzung von Schulhäusern etwa als Lazarett, dass die Kinder gleich mehrfach umziehen mussten. Längst nicht alle lernten von Beginn an bei Goethe. Der heute 84-jährige Bernd Dreßler, der sich den Hut aufsetzte, das Klassentreffen zu organisieren, begann in der Schule am Sophienstiftsplatz gegenüber dem Theater. Damals trug die heutige Jenaplanschule den Namen des Nazi-bildungsfunktionärs Fritz Wächtler.
Die wenigsten Schüler blieben in Weimar
Nicht lange, da wurde der junge Bernd in der „Groschenbude“gegenüber der alten Feuerwache an der Erfurter Straße unterrichtet, auch in der Herder-, Schiller- und Pestalozzischule – bevor sich seine Klasse nach Kriegsende 1945 an der Amalienstraße zusammenfand. „Die Kriegswirren bekamen wir Kinder auch beim Lernen zu spüren. Unsere Ranzen mussten wir in den Fenstern stapeln. Für den Fall, dass durch Bomben die Scheiben zerspringen, sollten sie uns vor Splittern schützen“, erinnert sich der Weimarer. Auch ansonsten sei der Unterrichtsalltag mit gelegentlichen Risiken daher gekommen. So war es damals durchaus üblich, dass diejenigen, die den Lehrern nicht den nötigen Respekt erwiesen, den Rohrstock auf den Fingern zu spüren bekamen.
Nach Abschluss der 8. Klasse verstreute es die jungen Männer in alle Richtungen. Die wenigsten seien hier geblieben. Viele siedelten in den Westen über. Inzwischen leben die Alt-goetheaner in der Lüneburger Heide, in Baden-württemberg, in Franken, in Sachsen und einer sogar in Südafrika. Aus allen ist etwas geworden – ob Betriebswirt, Techniker, Sportlehrer, Pfarrer oder Diplom-fluglehrer.
Es dauerte bis zum Jahr 1979, dass einer der Schulkameraden die Initiative ergriff, die alten Kontakte aufzufrischen. Der promovierte Historiker Busso von der Dollen, Wissenschaftler an der Uni Bonn, Geschäftsführer der Deutschen Burgenvereinigung und nicht zuletzt Burgvogt auf der Marksburg am Mittelrhein südlich von Koblenz, beauftragte in Weimar einen Unterstützer, um die Adressen seiner ehemaligen Mitschüler ausfindig zu machen.
Es dauerte drei Jahre, bis alle Betreffenden gefunden waren und das erste Klassentreffen organisiert werden konnte. 1982, genau 30 Jahre nach dem Abschied, feierte die Klasse ihr Wiedersehen in Weimar. Angesichts der deutschen Teilung und des Problems, dass nicht jedem Hiergebliebenen in der Runde ein nachweislicher West-kontakt förderlich gewesen wäre, traf man sich damals beinahe konspirativ in einem privaten Garten.
Kabarett mit Ulf Annel im Gasthof Vollradisroda
„Beim nächsten Klassentreffen 1987 waren wir mutiger. Da haben wir im Webicht in der Fasanerie gefeiert und auch unsere Frauen dabei gehabt“, schildert Bernd Dreßler. Der Burgvogt vom Rhein habe damals ganz nebenbei bemerkt, dass er die Klassenkameraden aus dem Osten, wenn sie als Rentner in den Westen reisen dürften, gern einmal zu sich einladen würde. Die Offerte erfüllte sich schneller als gedacht – ohne in den Ruhestand eintreten zu müssen: Gleich nach der Wende sagte sich die 8c 1990 auf der
Marksburg an. Aus dem anfangs fünfjährigen Rhythmus der Treffen wurde später ein dreijähriger und inzwischen ein zweijähriger. Immer organisierte die Klasse ein besonderes Highlight: mal einen Ausflug mit 22 Trabis zur Kranichfelder Niederburg, mal eine Lanz-bulldog-tour zur Ordensburg Liebstedt oder auch eine Kutschfahrt durchs Ilmtal von Hetschburg nach Taubach. Diesmal zog es sie zum Waldgasthof Vollradisroda, um sich dort vom Erfurter Kabarettisten Ulf Annel gut unterhalten zu lassen.
Wie oft sich die Mittachtziger noch sehen können, ist freilich eine Schicksalsfrage. Einige Mitschüler sind schon verstorben, in diesem Jahr auch der Urheber der Klassentreffen, Busso von der Dollen. Doch jene, die noch da sind, fühlen sich frisch genug, um nicht ans Ende zu denken. Horst Eichhorn etwa, den es in die Nähe von Fürth gezogen hat, ist mit 83 Jahren noch immer aktiver Gleitschirmflieger.