Silber, Schallplatten und eine Pulle Sekt
Die Siegesgöttin wird wohl ein wenig angelaufen sein, vermutet Wolfgang Löwe. Genau weiß er es nicht. Die 50 Jahre alte Silberplakette von München liegt im Schrank in der Wohnung im Leipziger Norden. Die glänzenden Erinnerungen daran aber werden gerade wach.
Vielfach zeichnete das Fernsehen die Ereignisse der 20. Sommerspiele dieser Tage nach. Bilder vom Volleyballturnier waren nicht darunter. Dabei war es von historischer Bedeutung, jedenfalls für die damalige Ddr-auswahl, die mit dem Jungspund aus Suhl Silber gewann. Die einzige Olympia-medaille für deutsche Volleyball-herren bis heute.
„Wahnsinn, im Prinzip hatte uns das niemand zugetraut“, schwärmt Löwe im Rückblick.
Das kleine Wunder wurde im Finale gegen Japan wahr, auch wenn beim 1:3 nicht viel zu holen gewesen ist. Das Team aus Fernost kombinierte, brillierte. „Uns hat das letzte Quentchen gefehlt“, so der heute 69-Jährige. Die Freude über Silber war vorher schon groß, die Sause aber hielt sich in Grenzen. „Eine Pulle Sekt haben wir weggepietscht, mehr nicht“, erinnert sich „Mücke“. In der freien Zeit hat er ohnehin lieber Plattenläden durchstöbert.
Den Spitznamen haben ihm seine Mitspieler verpasst. Den Grund kennt er nicht so recht. Ob es daran lag, dass der 1,84 Meter große Zuspieler
ziemlich hochsteigen konnte? Den Ball hätte er locker in einen Basketball-korb stecken können.
Gerade die Sprungkraft ist Suhls Trainer Karl-heinz Petermann seinerzeit an dem schmächtigen Burschen in der Leichtathletik aufgefallen. Er holte ihn mit 14 zum Volleyball. Von da an ging’s nach oben. Mit 17 zum SC Leipzig, Junioren-auswahl, Vierter der Junioren-em, Nationalmannschaft, Olympia, Finale.
„Mücke“Löwe, mehr Kontrast im Namen geht kaum. Vielmehr Kontrast als München ‘72 geht ebenfalls kaum. Auf der einen Seite Begeisterung, mit der die Isar-metropole die Welt willkommen hieß. Auf der anderen Seite Tod durch Terror. Die Ddr-volleyballer erlebten ihn hautnah. Im Haus gegenüber robbten sie unter der Balkonbrüstung, um ihre dort hängenden Sachen zu holen. Bilder maskierter Männer mit Maschinenpistolen brannten sich ein.
So makaber es klingt, das Attentat trug in den Augen der Ddr-spieler zu ihrem Triumph bei. Wie Kapitän Rudi Schumann im Volleyball-magazin erzählte, gewannen sie wegen der Unterbrechung einen Tag zum Training. Das half, um die BRD wie Rumänien zu schlagen. Im Halbfinale wartete Russland. Die Titelverteidiger schienen die Sache nicht so ernst zu nehmen. „Wenn wir zum Training gefahren sind, haben sich die Russen gesonnt“, erzählt Löwe. „Bevor sie dann ins Geschäft kamen, hatten sie schon verloren.“
Silber war sicher, der i-punkt auf die olympische Feuertaufe, die Löwe in der Vorrunde gegen Brasilien erlebte. Und was für eine. Beim 1:1 nach Sätzen und 4:13 brachte Trainer Herbert Jenter die junge Garde um Löwe. Die ließ einen Punkt zu, gewann 16:14 und das Spiel 3:1.
„Wir haben es genossen“, sagt der Diplom-sportlehrer. Wäre nicht das glänzende Mitbringsel, fühlte sich heute einiges fast ein wenig unwirklich an. „Wobei, ich müsste sie mal polieren“, fällt ihm ein, „aber das ist ja ein Zeichen, dass sie echt ist.“
In unserer Serie erinnern wir an Thüringer Medaillengewinner sowie besondere Sportler und Ereignisse bei den Olympischen Spielen 1972 in München