Die Welt im Fantasyfieber
„Die Ringe der Macht“ist die teuerste Serie aller Zeiten – und Höhepunkt eines Hypes
Es geht bildgewaltig los. Bis zur ersten Schlachtenszene vergehen gerade mal fünf Minuten und 20 Sekunden. Dann stechen Elben in Ritterrüstungen mit klirrenden Schwertern auf böse, spitzohrige Orks ein, ein Drache stürzt zu Boden, und die junge blonde Elbenkriegerin Galadriel säuselt geheimnisvoll aus dem Off: „Man sagte, es würde schnell vorüber sein. Doch der Krieg legte Mittelerde in Schutt und Asche und dauerte Jahrhunderte.“
So beginnt sie, die Premierenfolge der Prestigeserie „Die Ringe der Macht“, in die der Streaminganbieter Amazon so viel investiert wie nie. Wer sich fragt, wie diese Reihe sagenhafte 465 Millionen Dollar für eine einzige Staffel kosten kann – das Budget geht vor allem für prachtvolle Kostüme und computergenerierte Kulissen drauf. Starschauspieler mit besonders hohen Gagen gibt es hingegen nicht.
„Die Ringe der Macht“ist die teuerste Serie des Fernsehzeitalters. Sie erzählt die Vorgeschichte der „Herr der Ringe“-filmtrilogie von Regisseur Peter Jackson (60), die Anfang des Jahrtausends sechs Milliarden Dollar einspielte und 17 Oscars abräumte. Gerade sind die ersten Folgen veröffentlicht worden, Amazon ist vom kommerziellen Erfolg überzeugt. Bereits jetzt sind fünf Staffeln angekündigt, das Projekt wird am Ende wohl eine Milliarde Dollar kosten.
Die Elben und Orks haben gute Gesellschaft. Auf mehreren Plattformen treiben gerade Fabelwesen und fliegende Monster ihr Unwesen: Allein im August liefen „House
Morfydd Clark (33) verkörperten Elbenkriegerin aus „Die Ringe der Macht“. Die modernen Fantasystoffe seien „der Ersatz für Sagen und Märchen und alle anderen Formen der Volkspoesie“, wie es der Literaturwissenschaftler und Fantasyspezialist Wolfgang Biesterfeld formuliert.
Die Faszination fürs Fantastische begann in Deutschland in den 70erjahren – damals erschien J. R. R. Tolkiens „Herr der Ringe“als Taschenbuch. In den 80ern fesselte etwa die Verfilmung von Michael Endes „Unendlicher Geschichte“das Kinopublikum, und vor 25 Jahren veröffentlichte Joanne K. Rowling (57) den ersten „Harry Potter“-band. In den folgenden zehn Jahren stand fast ununterbrochen eines ihrer Bücher
Vor zwei Jahrzehnten wurde Fantasy zum Mainstream
Als 2001 die erste „Harry Potter“-verfilmung und fast zeitgleich der erste Teil von „Herr der Ringe“ins Kino kam, sei das der Beginn des Fantasybooms gewesen, glaubt Petra Schrackmann, Lehrbeauftragte am Institut für Populäre Kulturen der Universität Zürich. Plötzlich sei es nicht mehr nur Kinderkram gewesen, Fan mythischer Wesen zu sein. Ein Trend, der bis heute anhält – und sich dieser Tage erneuert.
Der Erfolg von „Die Ringe der Macht“lässt sich kaum messen, denn niemand weiß, wie viele Abonnenten nur wegen dieser Serie ein Streamingabo abschließen. Dennoch glaubt man bei Amazon, dass sich der Milliardenaufwand lohnt. Allein schon, weil jeder Fantasyfan darüber spricht – und sich an den epischen Schlachten erfreut.