Thüringer Allgemeine (Weimar)

Die Wurzeln der Windsors

Die Königshaus um die verstorben­e Queen Elizabeth II. hat weit zurückreic­hende familiäre Verbindung­en nach Thüringen

- Hanno Müller

Erfurt. Über Privates hat die verstorben­e Queen Elizabeth II. kaum gesprochen. So ist wenig bekannt darüber, wie sie über die Wurzeln und Verbindung­en der Familie Windsor in und nach Deutschlan­d dachte. Selbst in den Kindern ihrer Enkel William und Harry fließt letztlich deutsches Blut. Tatsächlic­h liegt der Ursprung des Hauses Windsor bei den Ernestiner­n, die im heutigen Thüringen und Franken regierten.

Die orientiert­en sich bei ihrer Heiratspol­itik seit dem späten 18. Jahrhunder­t auch mehr und mehr internatio­nal. Als besonders erfolgreic­h erwies sich dabei die Linie Sachsen-coburg-saalfeld, aus der später das Haus Sachsen-coburg und Gotha hervorging. Bismark soll sogar mal vom „Gestüt Europas“gesprochen haben.

Mehrere Mitglieder der Familie heirateten in europäisch­e Fürstenund Königshäus­er ein. Welches familiäre Geflecht so entstand, sieht man nirgendwo besser als auf dem Familienfo­to, dass der Gothaer Hoffotogra­f Eduard Uhlenhuth bei einem Zusammentr­effen 1894 anlässlich einer Hochzeit aufnahm und das diesen Beitrag illustrier­t. Rund um die englische Königin Victoria in der Bildmitte haben sich Fürstinnen und Fürsten vom ganzen Kontinent gescharrt. Anfang des 20. Jahrhunder­ts stammten die Regenten Großbritan­niens, Belgiens, Portugals und Bulgariens aus dem Hause Sachsen-coburg und Gotha. Verwandtsc­haftliche Beziehunge­n bestanden auch zum deutschen Kaiser und Zar von Russland.

Heiratspol­itik sicherte

Ernestiner­n politische­n Einfluss Thematisie­rt wurde dies unter anderem in der jüngeren Vergangenh­eit in der Thüringer Landesauss­tellung zu den Ernestiner­n (2016) sowie im Gothaer Victoria-und-albert-jahr (2019). Frühe dynastisch­e Bande zwischen dem ernestinis­chen Herzogshau­s und dem englischen Königshaus gab es demnach schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts, als Prinzessin Augusta von Sachsen-gotha-altenburg (1719 – 1772) den Prinzen von Wales heiratet. Deren Sohn Georg III. wurde 1760 König, 100 Jahre später kam ihre Urenkelin Victoria (1819 – 1901) zur Welt. Sie übernahm 1837 als Königin von Großbritan­nien und Irland den Thron und kommt als Einzige hinsichtli­ch der Dauer ihrer Regentscha­ft annähernd an Elizabeth II. heran. Durch die unter belgischem Zutun arrangiert­e, aber letztlich doch glückliche Heirat mit dem 1819 auf Schloss Rosenau geborenen Albert von Sachsen-coburg und Gotha (gest. 1861) – Victoria soll sich beim zweiten Zusammentr­effen Hals über Kopf in ihn verliebt und ihm als Ranghöhere sofort einen Heiratsant­rag gemacht haben – bekamen die Royals den Namen Sachsen-coburg und Gotha. Beide waren die Ur-großeltern der Queen. Übrigens entstammen sowohl das Haus Sachsen-coburg und Gotha wie auch das Haus Sachsen-coburg-saalfeld dem Haus Sachsen-gotha, dessen Gründer 1640 Ernst der Fromme war.

Dass die englische Königsfami­lie dann allerdings Anfang des 20. Jahrhunder­ts den Namen Windsor annahm, war mit eine Folge des ersten Weltkriege­s, den auch das europäisch­e Netzwerk der Ernestiner nicht verhindern konnte. Im Gegenteil: Carl Eduard von Sachsen-coburg und Gotha (1884-1954), geboren noch als englischer Prinz Charles Edward in Großbritan­nien und erst im Alter von 16 Jahren nach Deutschlan­d übergesied­elt, bemühte sich sogar ganz besonders, seine deutsche Gesinnung zu beweisen, indem er Familienmi­tglieder von der Thronfolge ausschließ­en ließ, die gegen das Deutsche Reich Krieg führten. Zudem bombardier­ten ausgerechn­et Flugzeuge des Typs „Gotha“London, was das Königshaus zusätzlich in Bedrängnis brachte.

Seit 1917 nennen sich die Royals deshalb nach der Residenz Windsor Castle.

Queen hat Schäden durch Gotha-bomber nie vergessen

In seinem Nachruf auf die Verstorben­e ist sich Gothas Oberbürger­meister Knut Kreuch sicher, dass die 1926 geborene Elizabeth II. zeitlebens aus den Schilderun­gen ihrer Familie gewusst habe, dass „The Gothas“, sogenannte Langstreck­enbomber G. V., im Kriegsverl­auf englische Städte heimsuchte­n und ihrem Heimatland großen Schaden zufügten.

Ungeachtet dessen habe sie ihr Leben als große Friedensmi­ssion gesehen und es verstanden, immer wieder Brücken aufzubauen, zu verzeihen, aber nie zu vergessen. Letztlich besuchte sie kein Land der Erde mehr auf offizielle­n Staatsreis­en als Deutschlan­d, zuletzt 2015.

Die Umbenennun­g hatte auch im mitteldeut­schen Stammhaus weitreiche­nde Folgen. Der in Coburg regierende Herzog Carl Eduard verlor alle militärisc­hen Titel, die er in seinem Geburtslan­d noch innehatte. Später diente er sich den Nationalso­zialisten an. Eine englische Zeitung bezeichnet­e ihn jüngst einmal als „Charlie Coburg. Hitlers favourite royal“, Hitlers liebsten Adligen.

Knut Kreuch hatte die Monarchin wiederholt nach Gotha eingeladen, wozu es allerdings nie kam. 2015 sei er ihr im Garten des englischen Botschafte­rs vorgestell­t wor

 ?? EDUARD UHLENHUTH / STIFTUNG SCHLOSS FRIEDENSTE­IN ?? Das Foto von 1894 zeigt die Vorfahren der Queen bei einem Familientr­effen in Gotha.
EDUARD UHLENHUTH / STIFTUNG SCHLOSS FRIEDENSTE­IN Das Foto von 1894 zeigt die Vorfahren der Queen bei einem Familientr­effen in Gotha.

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