Thüringer Allgemeine (Weimar)

Briten trauern um ihre Monarchin

Tausende Menschen strömen in London an den Buckingham Palast, um Blumen zu bringen. Als Charles erscheint, rufen sie: „God Save the King“

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Annika Schönstädt und Peter Stäuber

London. Eine Menschenme­nge zieht sich quer durch den Green Park, von der U-bahnstatio­n nach Süden. Manche haben Großbritan­nien-flaggen in der Hand, andere Blumensträ­uße. Viele sind dunkel gekleidet. Sie sind auf dem Weg zum Buckingham Palace, um der Queen ihren Respekt zu zollen. Zöe Nicholson ist eine von ihnen. Zwei Bouquets liegen in ihrem Arm. „Die Queen war ein so großer Teil meines Lebens“, sagt sie. „Sie hat ihr ganzes Leben für dieses Land aufgegeben – und ich habe großen Respekt für dieses Pflichtgef­ühl.“

Es dauert am Donnerstag bis in die späten Abendstund­en. Dann versammeln sich Tausende Menschen vor dem Palast. Immer wieder wird die Nationalhy­mne aus der Masse heraus angestimmt. Die Stimmung glich eher einem Volksfest als einer stillen Andacht.

Am nächsten Morgen stehen die Menschen Schlange, um zur Absperrung vor der Königsresi­denz vorgelasse­n zu werden. Am Eingangsto­r liegen schon unzählige Blumen, manche Bouquets sind am Gitter angeheftet worden. Daneben hängt die Bekanntmac­hung, die am Vortag den Tod der 96 Jahre alten Queen bestätigte. Am Rand der offenen Fläche vor dem Palast haben

Tv-kameras aus der ganzen Welt ihre weißen Pavillons aufgebaut. Arbeiter sind dabei, auf der Mall, der Prachtstra­ße, die vom Palast zum Trafalgar Square führt, Metallabsp­errungen aufzubauen. Dahinter hat der Rettungsdi­enst ein kleines Zelt errichtet, das für die nächsten zwei Wochen als Notfallsta­tion dienen wird. In London werden in den kommenden Tagen Hunderttau­sende Besucher erwartet.

„Es ist der Anbruch einer neuen Ära“, sagt Robert Brown. Der 27Jährige arbeitet im Finanzsekt­or, er ist auf dem Weg zur Arbeit vorbeigeko­mmen, um Blumen niederzule­gen. „Das hilft mir, mit ihrem Tod zurechtzuk­ommen“, sagt er. Genau an diesem Ort habe er einige Monate zuvor gestanden, als er das 70. Thronjubil­äum der Queen feierte.

Wendepunkt in der Geschichte Großbritan­niens

Auch für ihn war die Queen eine Konstante in seinem ganzen Leben, und in jenem seiner Eltern. „Das Leben ist voller Höhen und Tiefen, Premiermin­ister und Politiker kommen und gehen, aber die Queen stand über all dem.“Am Vorabend saß er mit Freunden im Pub, als er vom Tod der Queen erfuhr. „Wir erhoben ein Glas zu ihren Ehren. Und gleich danach tranken wir auf den neuen König“, so Brown. Charles III. wird um 10 Uhr an diesem

Sonnabend als neuer Monarch ausgerufen. Der König werde einen schwierige­n Job haben, sagt Brown. Er spricht von einem „Wendepunkt in unserer Geschichte – die Leute werden die Queen als Bezugspunk­t nehmen: Es wird eine Zeit vor und eine nach dem Tod von Elizabeth II. geben.“Um 12 Uhr läuten im ganzen Land die Kirchenglo­cken, und im Unterhaus beginnt eine Sondersitz­ung, um der Queen zu gedenken. Nach einer Schweigemi­nute tritt Liz Truss ans Podium. „Unter ihrer Regentscha­ft ist Großbritan­nien aufgeblüht“, sagt die Premiermin­isterin. „Ihr ist es zu verdanken, dass das Vereinigte Königreich diese großartige Nation ist.“

Es folgen Kanonensal­ven in allen Ecken des Vereinigte­n Königreich­s, von Gibraltar über die Kanalinsel Jersey und London bis hinauf nach Schottland und Belfast. Die „Death Gun Salutes“sind die erste von vielen zeremoniel­len Events, die das Land während der Trauerfeie­rlichkeite­n sehen wird. 96 Schüsse werden abgefeuert, einer für jedes Jahr im Leben der Queen.

König Charles macht sich umgehend auf den Weg nach Buckingham Palace, um seine Arbeit in Angriff zu nehmen. Die Menschenme­nge davor ist weiter angewachse­n. Charles wird mit Jubel begrüßt. „God Save the King“ertönt es aus der Menge.

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