„Habecks Ideologiepolitik schadet dem Land“
Cdu-fraktionschef Voigt wirft der Ampel Stückwerk vor. Seinem Konkurrenten Mohring verspricht er, Wort zu halten
Erfurt. Der Chef der Cdu-fraktion im Thüringer Landtag, Mario Voigt, sieht die Bundespartei unter Friedrich Merz auf einem guten Weg. Eine Woche nach dem Bundesparteitag sollen ihn die heimischen Delegierten beim Parteitag in Pößneck zum Vorsitzenden wählen.
Herr Voigt, nennen Sie ihren Bundesvorsitzenden insgeheim auch schon Friedrich Merkel, weil ihm sein konservatives Profil abhanden zu kommen scheint?
Nein, Friedrich Merz spricht Klartext und legt die Tatenlosigkeit und das Zögern der Ampel beim Kampf gegen die Inflation und die Energiekrise offen. Er macht einen guten Job und hat in der Oppositionsrolle schnell Tritt gefasst.
In der Oppositionsrolle als Fraktionschef vielleicht. Aber von der angekündigten Modernisierung der Partei kann doch bislang keine Rede sein. Das sehe ich anders. Er macht auch als Parteivorsitzender eine sehr gute Arbeit und hat die Union wieder aufgerichtet. Wir sind mitten in einer Programmreform, und wir erneuern uns strukturell und organisatorisch. Mit dem neuen Grundsatzprogramm, an dem ich selbst mitarbeite, werden wir die Unterschiede zu den anderen Parteien wieder klarer herausstellen und unser konservatives Profil schärfen.
Die Verankerung der Frauenquote in der Cdu-satzung ist bereits vor Hannover kontrovers diskutiert worden. Warum haben Sie sich dafür ausgesprochen?
Wir brauchen mehr Frauen in Verantwortung. Das macht unsere Politik noch besser, denn Frauen bringen oft auch andere Perspektiven ein. Ich bin kein Fan der Quote in der Sache, aber ich führe da auch keine Abwehrkämpfe. Die offene Debatte über das Thema in der CDU sehe ich völlig entspannt.
Aber der Sprung über die 30-Prozentmarke will nicht gelingen.
Wir haben im größten Bundesland Nordrhein-westfalen die Wahl gewonnen und in Schleswig-holstein 43 Prozent geholt. Das zeigt doch, dass die Union wieder da ist und wir sogar das Potenzial weit über 30 Prozent haben. Im Bund wird 2025 gewählt, bis dahin werden wir weiter zulegen.
Das mag sein, aber bis dahin müssen sie SPD, Grüne und FDP beim Regieren zuschauen. Und das Trio hat gerade erst ein großes Entlastungspaket auf den Weg gebracht, das sogar die kalte Progression in Angriff nimmt. Die Union hätte es kaum anders gemacht.
Doch. Was die Ampel vorgelegt hat, ist nur Stückwerk, und entscheidende Entlastungen für die hart arbeitenden Menschen fehlen. Wir sind am Beginn einer existenziellen und bedrohlichen Krise für unser Land. Ich habe den Eindruck, weder der Kanzler noch die Ramelow-regierung in Thüringen haben den Ernst der Lage wirklich erkannt. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Mittelthüringen spricht völlig zu Recht von organisierter Verantwortungslosigkeit. Wir brauchen jetzt einen sofortigen Finanzschub für unsere mittelständische Wirtschaft. Das ist vor allem für den Osten ungemein wichtig, weil die Krise hier die kleinen Unternehmen und die Bürger viel härter trifft. Wir brauchen eine Grundwärmegarantie für die Bürger in Thüringen, damit es warm bleibt. Wir brauchen einen Schutzschirm für die Versorgungsunternehmen in Thüringen, und schließlich müssen wir alle Energieressourcen, auch die Kernkraft, nutzen.
Sie wollen Atomkraftwerke nicht nur länger laufen lassen, sondern auch neue bauen. Richtig?
Habecks sture Ideologiepolitik schadet dem Land. Es ist völliger Irrsinn, dass wir in einer Energiekrise mit steigenden Strompreisen Kernkraftwerke vom Netz nehmen. Die Politik folgt nicht dem gesunden Menschenverstand, sondern verantwortungsloser grüner Ideologie. Ein modernes Industrieland muss sichere Energie zu bezahlbaren Preisen anbieten können. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir sogar langfristig nicht auf Kernkraft verzichten können. Es geht um Energieressourcen und Technologieoffenheit: Wir müssen auch deutsches Gas als nationale Reserve fördern, und beim Biogas muss endlich die Deckelung wegfallen.
Der sächsische Ministerpräsident und Cdu-bundesvize Michael Kretschmer will möglichst schnell wieder zurück zum Gashandel mit Russland und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine einfrieren. Und Sie?
Russland führt einen brutalen und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen ein Land, das unsere völlige Solidarität hat. Aber es ist doch ignorant zu glauben, dass wir ohne
Gespräche auskommen. Dass Olaf Scholz keine diplomatische europäische Initiative startet, halte ich für einen riesigen Fehler. Angela Merkel hat damals Wladimir Putin an den Verhandlungstisch gezwungen, weil sie die Europäer hinter einer gemeinsamen Position vereinen konnte.
Ihr Motto lautet also „mehr Merkel“? Das wird Friedrich Merz sicher gefallen.
Wir brauchen ein geschlossenes europäisches Vorgehen mit Deutschland an der Spitze, weil wir gewählt sind, unsere Bürger und die deutschen Interessen zu vertreten. Ich wünsche mir, dass vom Bundesparteitag das klare Signal ausgeht, einen Impuls in der Energiepolitik zu setzen als Gegenpol zur Unentschlossenheit und Planlosigkeit der Ampelregierung.
Und welches Signal soll vom Landesparteitag in einer Woche in Pößneck ausgehen, bei dem Sie sich zum Vorsitzenden wählen lassen wollen?
Wir werden zeigen, die CDU ist wieder da und wir wollen Verantwortung übernehmen. Damit Thüringen endlich wieder nach vorn kommt. Die Wahrheit ist doch, dass Thüringen in vielen Bereichen immer weiter zurückfällt und die Ramelow-regierung nur noch den Stillstand verwaltet. Diese Auseinandersetzung mit der Koalition führen wir als eine breite Mannschaft.
Das heißt?
Der bisherige Vorsitzende Christian Hirte soll neuer Vize werden und die drei Stellvertreter Thadäus König, Beate Meißner und Raymond Walk treten wieder an. Unsere Mannschaft wird insgesamt eine Mischung aus erfahrenen und neuen Gesichtern. Ich will die kommunale Basis und mehr Frauen enger einbinden und eine Mitglieder-werbekampagne starten.
Und das Signal?
Ich will, dass wir uns geschlossen auf den Weg machen, um 2024 Rotrot-grün abzulösen. Die Chancen stehen gut. Die Unzufriedenheit der
Bevölkerung mit der Ramelow-regierung ist so hoch wie nie.
Blenden Sie nicht etwas Entscheidendes aus? Die CDU liegt in der Wählergunst hinter Linke und AFD lediglich auf Position drei, und Sie sind als potenzieller Spitzenkandidat weitgehend unbekannt.
In der jüngsten Umfrage sind wir gleichauf mit der Partei des Ministerpräsidenten. Wir haben noch zwei Jahre Zeit, stärker zu werden. Dabei setze ich auf das persönliche Gespräch mit den Wählerinnen und Wählern. Auf einer großen Zuhörtour durch ganz Thüringen will ich die Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort aufnehmen und Lösungen aufzeigen. Mein Anspruch ist, Betroffene zu Beteiligten zu machen.
Sie haben zugesagt, Ihren ewigen Konkurrenten und Vorgänger als Fraktionschef, Mike Mohring, der auch Landesvorsitzender war, wieder stärker einzubinden. Passiert ist bislang nichts. Weshalb?
Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich meine Zusagen einhalte. Das weiß auch Mike Mohring und deshalb gibt es da keinen Diskussionsbedarf. Wir entscheiden das im September. Aber die Menschen in Thüringen haben auch wirklich andere Sorgen.
Vor dem Parteitag?
Ich habe dazu alles gesagt. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir Inflation und Energiekrise bekämpfen. Die Menschen haben die Nase voll davon, dass Politik sich mit sich selbst beschäftigt.
Wird darüber am Dienstag im Landesvorstand entschieden?
Ich denke, ich habe mich deutlich ausgedrückt.
Befürchten Sie nicht, dass die Stimmung kippt, wenn Sie das Problem nicht vorher lösen und Ihnen die Delegierten bei der Wahl zum Vorsitzenden einen Denkzettel verpassen?
Es geht mir um die beste Aufstellung für Partei und Fraktion. Als rationaler Optimist bin ich sehr zuversichtlich, was die Unterstützung für unsere Führungsmannschaft angeht. Sicher ist es für die CDU wichtig, bei den Vorstandswahlen ein Zeichen der Geschlossenheit auszusenden. Aber es geht nicht um das eine oder andere Prozentpünktchen. Wir haben einen inneren Anspruch, dass wir für unsere Heimat anpacken wollen. Das geht nur gemeinsam. Mit heißem Herzen und kühlen Kopf.