Der Tod in schriller Ästhetik
Tomo Sugao inszeniert für das Nordhäuser Theater den „Jedermann“in einer Musicalversion
Nordhausen. Aus der Not eine Tugend machen – Künstler können das. Nordhausens Theater ist eine Baustelle. Die Saison startet trotzdem. Die Sankt-blasii-kirche wird zur Bühnenstätte. Das Gotteshaus ist die imposante Kulisse für die Geschichte vom „Jedermann“– das legendäre Spiel vom Sterben eines reichen Mannes.
Hofmannsthals Theaterstück ist das Fundament. Das Nordhäuser Publikum erlebt jedoch die Musicalversion, die 2014 in Erfurt das Licht der Welt erblickte. Nicht mehr Gott hat die Fäden in der Hand, sondern der Tod.
Regisseur Tomo Sugao begegnet dem Thema mit Leichtigkeit. Bühnenbild und Kostüme sind schrill und bunt, fast schon überbordend. „Das Stück erlaubt es“, meint Sugao. „Es schreit nach schriller Ästhetik.“ Und obwohl er den Tod ins Zentrum der Geschichte rückt, ist ihm die Heiterkeit wichtig.
Emanuel Jessel verkörpert den Jedermann. Der Darsteller ist in Nordthüringen kein Unbekannter, zählte er doch zu den Musketieren der jüngsten Schlossfestspiele in Sondershausen. Als Jedermanns Geliebte konnte das Theater die Gastsängerin Jeannette Wernecke verpflichten. Für die gebürtige Nordhäuserin ist dies eine vielversprechende Heimkehr.
Die Produktion nähert sich ihrer spannendsten Phase. Die Klavierhauptprobe steht bevor. Zum ersten Mal sind alle Kostüme im Einsatz. Lichttechnik und Bühnenbild erleben ihre gemeinsame Feuertaufe. Viel Theorie sucht ihren Weg in die szenische Praxis.
„Ich bin begeistert, was hier technisch alles möglich ist“, sagt Sugao mit Blick ins Kircheninnere. „Und wir sind der Kirchengemeinde sehr dankbar, dass wir hier so intensiv proben dürfen.“
Den Jedermann in einem Gotteshaus zu inszenieren, habe ihn von Anfang an sehr gereizt, verrät der Regisseur. Der Ort habe auch eine spürbare Kraft, meint er. Diese zu nutzen, sei sein Ziel.
Sprach-tempo muss sich besonderem Hall anpassen
Die Akustik sei ebenso speziell. Sugao spricht von einem „besonderen Hall“. Dem müsse man Musik- und Sprach-tempo anpassen. „Wir wollen eine gute Balance finden.“
Tomo Sugao ist im japanischen Sapporo geboren. Seit 2008 lebt er in Deutschland. Als Spielleiter war er vier Jahre an der Komischen Oper in Berlin engagiert. Seit 2012 ist er als freischaffender Regisseur international unterwegs. Bei den Domstufen-festspielen in Erfurt inszenierte er im vergangenen Jahr „Die Jungfrau von Orléans“.
Dass er sich als Künstler immer wieder mit Stoffen befasst, die sich kirchlichen Themen nähern, ist kein Zufall. „Ich bin christlich erzogen“, berichtet Sugao, „aber nicht gläubig, eher skeptisch gegenüber der Institution.“
Er mag den deutschen Mut zum experimentellen Theater. Auch er habe darauf große Lust. Ein Grund, warum ihn sein Lebensweg einst nach Europa führte. In Nordhausen arbeitet er zum ersten Mal. Es gefällt ihm sehr. Und er könnte sich sehr gut vorstellen, hier in Zukunft häufiger zu wirken.
Premiere: 23. September, 19.30 Uhr, in der St.-blasii-kirche. Weitere Vorstellungen: 24. September, 30. September, 2. Oktober, 7. Oktober, 8. Oktober. Karten gibt es unter anderem im Nordhäuser Pressehaus der TA.