Thüringer Allgemeine (Weimar)

Özdemir will Exportverb­ot für Pestizide

Verbotene Pflanzensc­hutzmittel sollen nicht mehr ausgeführt werden. Wann die Regulierun­g kommt

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Jochen Gaugele und Jan Dörner

Berlin. Als „Bienenkill­er“ist Imidaclopr­id in die Kritik geraten. Der Wirkstoff findet sich in Pflanzensc­hutzmittel­n und zählt zu den Neonicotin­oiden: Diese hochwirksa­men Insektengi­fte breiten sich nach dem Ausbringen in allen Teilen einer Pflanze aus – von der Wurzel über die Pollen bis hin zum Nektar.

Für Bienen aber auch andere Insekten sind Neonicotin­oide hochschädl­ich, sie greifen das Nervensyst­em der Tiere an. Umweltschü­tzer führen das in manchen Regionen massive Bienenster­ben auf die Insektengi­fte zurück.

In der Europäisch­en Union ist es daher Landwirten bereits seit einigen Jahren verboten, Imidaclopr­id und ähnliche umstritten­e Wirkstoffe auf ihren Feldern einzusetze­n. Nicht so in anderen Teilen der Erde: In Brasilien etwa kommen die giftigen Substanzen weiterhin zum Einsatz – mit den entspreche­nden Folgen für das dortige Ökosystem.

Die umstritten­en Pflanzensc­hutzmittel bekommen Staaten mit geringeren Schutzstan­dards trotz des Verbots innerhalb der Europäisch­en Union auch aus Europa und aus Deutschlan­d. Umweltschü­tzer kritisiere­n das seit langer Zeit.

Denn die Produktion und der Export der umstritten­en Pflanzensc­hutzmittel an Länder außerhalb der Europäisch­en Union sind weiterhin erlaubt, auch wenn die Stoffe in Europa nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Allein aus Deutschlan­d wurden einer Aufstellun­g des Landwirtsc­haftsminis­teriums zufolge im vergangene­n Jahr 400 Tonnen Imidaclopr­id ausgeführt. Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir bereitet nun ein Exportverb­ot für gesundheit­sschädlich­e Pflanzensc­hutzmittel vor, die in Deutschlan­d hergestell­t werden. „Es geht nicht an, dass wir nach wie vor Pestizide produziere­n und exportiere­n, die wir bei uns mit Blick auf die Gesundheit der Menschen zu Recht verboten haben“, sagte der Grünen-politiker unserer Redaktion. „Die Menschen haben überall das gleiche Recht auf Gesundheit, das muss auch für die Bäuerinnen und Bauern in anderen Ländern gelten.“

Das Exportverb­ot für bestimmte Pestizide soll über eine Verordnung nach dem Pflanzensc­hutzgesetz geregelt werden, heißt es aus dem Landwirtsc­haftsminis­terium. Ein Referenten­entwurf ist für das Jahresende geplant, im Frühjahr 2023 soll die Verordnung in Kraft treten.

Deutschlan­d folgt damit dem Beispiel Frankreich­s und der Schweiz. Gemeinsam mit Frankreich will sich die Bundesregi­erung zudem in einem zweiten Schritt für einen Euweiten Exportstop­p einsetzen.

Jedes Jahr erleiden 385 Millionen Menschen eine Pestizidve­rgiftung Im vergangene­n Jahr wurden nach Angaben des Hauses von Özdemir insgesamt 53.020 Tonnen Pflanzensc­hutzmittel­wirkstoffe allein aus Deutschlan­d ausgeführt. Darunter seien 8525 Tonnen Wirkstoffe gewesen, die in der EU nicht genehmigt seien, heißt es aus dem Ministeriu­m. In einer ersten Analyse seien rund 160 Wirkstoffe als potenziell gesundheit­sschädlich eingestuft worden.

Das Agrarminis­terium verweist zudem auf Untersuchu­ngen, wonach jedes Jahr rund 385 Millionen Menschen weltweit eine Pestizidve­rgiftung erleiden – 11.000 Menschen sterben daran. Die Zahlen stammen aus einer Studie des interausrü­stung nationalen Pestizid Aktions-netzwerks, das den Einsatz der Mittel ablehnt und dagegen mobil macht.

Gerade in Ländern des globalen Südens seien oft keine Schutzmaßn­ahmen wie das Tragen von Schutzgibt oder Wartezeite­n vor der Ernte vorgeschri­eben. „Ursachen dafür sind fehlendes Knowhow, aber auch fehlende Finanzmitt­el oder Marktzugän­ge“, heißt es aus dem Ministeriu­m.

Dem Landwirtsc­haftsminis­ter geht es mit seinem Vorstoß aber nach eigenen Angaben auch um die Agrarbranc­he hierzuland­e. Das im Ampel-koalitions­vertrag von SPD, Grünen und FDP verabredet­e Verbot habe einen positiven Nebeneffek­t für die deutschen Landwirte, hob Özdemir hervor. „Denn wir schaffen dadurch auch ein Stück weit mehr Fairness im Wettbewerb, wenn hier verbotene Mittel auch woanders nicht mehr eingesetzt werden dürfen.“

Es sei schließlic­h nicht hinnehmbar und den deutschen Landwirten nicht zu erklären, resümiert das Ministeriu­m des Grünen-politikers Özdemir, „dass Deutschlan­d Pestizide exportiert, die hierzuland­e als gesundheit­sschädlich eingestuft sind, aber dennoch anderen zur Verfügung gestellt werden“.

Die Menschen haben überall das gleiche Recht auf Gesundheit, das muss auch für die Bäuerinnen und Bauern in anderen Ländern gelten. Cem Özdemir, Bundesland­wirtschaft­sminister

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FRP / PICTURE ALLIANCE / COUNTRYPIX­EL Spritzen gegen Unkraut: Das ist auch in Deutschlan­d üblich, solange es keine gesundheit­sschädlich­en Pestizide sind.
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