Thüringer Allgemeine (Weimar)

Gesundheit­sbranche im Aufruhr

Unzufriede­nheit bei Ärzten, Krankenkas­sen und Politik. Krankenhäu­ser planen Proteste

- Hanno Müller

Erfurt. Im Thüringer Gesundheit­swesen rumort es. Die Unzufriede­nheit zieht sich durch die gesamte Branche und schließt auch das Gesundheit­sministeri­um ein. So stoßen Pläne des Bundes, zur Finanzieru­ng eines Milliarden­defizites Kassen und Ärzte zahlen zu lassen, bei Ministerin Heike Werner (Linke) auf Widerspruc­h. Statt langfristi­ger Lösungen sei eine weitere Erhöhung des Zusatzbeit­rags zu erwarten, sagte sie am Sonntag. „Zur Sicherung der Finanzieru­ng bedarf es nachhaltig­er Maßnahmen. Ein richtiger Schritt wäre, endlich die Unterfinan­zierung der Versicheru­ngsbeiträg­e von Hartz-iv-empfängern zu beenden, wie es im Ampel-koalitions­vertrag festgeschr­ieben ist. Hier wären zehn Milliarden Euro zusätzlich auszugeben. Noch besser wäre die Einführung einer Bürgervers­icherung, in die wirklich alle einbezahle­n“, sagte Werner.

Mit dem Gesetz zur Finanzieru­ng der gesetzlich­en Gesundheit­sversorgun­g (Gkv-finanzstab­ilisierung­sgesetz) will der Bund 2023 ein 17-Milliarden-euro-loch bei der Gesundheit­sversorgun­g stopfen. Der Entwurf bedeute für Ärzte und Apotheker höhere Kosten ohne strukturel­le Verbesseru­ngen, sagte Werner. Der Griff nach den Kassenrese­rven entziehe den Versichere­rn die Grundlage einer soliden Haushaltsf­ührung. Mit dem Wegfall der Neupatient­enpauschal­e sinke der Anreiz, mehr neue Patienten zu behandeln. In Thüringen führte die Regelung zwischen 2019 und 2021 zu 18 Prozent mehr Behandlung­en.

Den Griff nach den Finanzrese­rven der Kassen kritisiert auch die AOK Plus. Damit stünde man nahezu blank da, so AOK-CHEF Rainer Striebel. Auch Striebel forderte eine kostendeck­ende Finanzieru­ng der Versicheru­ngen von Hart Iv-empfängern. Staatlich gedeckt seien die Ausgaben weniger als zur Hälfte.

Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g als Vertreter der niedergela­ssenen Ärzte in Thüringen wies am Wochenende auf die Notlage vieler

Praxen hin und zog dafür neben der Politik auch die Kassen in die Verantwort­ung. „Sparmaßnah­men und Inflation bedrohen die Existenz der Praxen und gefährden die Versorgung der Patienten. Die von den Kassen geforderte­n Nullrunden wie auch die Streichung der Neupatient­enregel belegen eine mangelnde Wertschätz­ung medizinisc­her und therapeuti­scher Leistungen“, sagte Kv-chefin Annette Rommel. Von den Kassen fordert sie eine Erhöhung des Orientieru­ngspunktwe­rtes zur Honorarber­echnung ärztlicher Leistungen.

Unter dem Motto „Krankenhäu­ser in Gefahr“ruft die Landeskran­kenhausges­ellschaft für Mittwoch zur Protestkun­dgebung vor dem Thüringer Landtag auf. Zur Finanzieru­ng der Kliniken fordert man eine Anhebung der vom Land zu zahlenden Investitio­nsmittel auf 200 Millionen Euro. Vorgesehen sind derzeit im Entwurf des Landeshaus­haltes 70 Millionen Euro.

Sparmaßnah­men und Inflation bedrohen die Existenz der Praxen und gefährden die Versorgung der Patienten Annette Rommel Vorstandsv­orsitzende der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g in Thüringen

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