Thüringer Allgemeine (Weimar)

Wenn Grillen schrillen…

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Frank Quilitzsch fühlt sich in seine Kindheit zurückvers­etzt

Ich traue meinen Ohren nicht. Da zirpt, nein, schrillt jemand in den höchsten Tönen. Kommt das aus dem Radio? Nein, aus dem Garten…

Eine Grille etwa? Lange nicht gehört. Während ich von Strauch zu Strauch schleiche, wird das Geräusch bald leiser, bald lauter. Kalt – heiß, denke ich. In den Baumkronen vielleicht?

In meiner Kindheit gehörten die unsichtbar­en Lautmaler zum Sommerglüc­k. Große Ferien, Großeltern, warme Nächte und Grillen. Die fröhlich für uns sangen. Ja, so will ich das mal nennen. Im Kinderbuch fiedelten sie. Ich weiß, dass sie Heimchen oder Schrecke genannt werden und ihre Töne mit den Flügeln erzeugen. Aber wie genau?

Ich öffne meinen Klapprechn­er und gebe „Grillen“in die Suchmaschi­ne ein. Roste und Bratwürste springen mich an. Unterhalb der „besten Grillrezep­te“findet sich der Wikipedia-eintrag „Echte Grillen“. Klick. „Die Echten Grillen (Gryllidae) sind eine Familie der Insekten und gehören zur Ordnung der Langfühler­schrecken“, erfahre ich. Und dass die Männchen die Weibchen anlocken, indem sie „eine gezähnte Schrillade­r auf der Unterseite des rechten Vorderflüg­els rasch über die Hinterkant­e des anderen Vorderflüg­els hin und her“bewegen. Eine reizende Art von Minnesang.

Ich habe ihn vermisst. Durch den Verlust ihrer Lebensräum­e war die wärmeliebe­nde Schrecke vielerorts schon ausgestorb­en. Der Klimawande­l bringt sie zurück. Vielleicht performt bald auch die Mittelmeer­feldgrille oder die eingewande­rte Japanische Singgrille in meinem Garten. Bitte nicht im Massenchor!

Frank Quilitzsch: Alter, du wirst abgehängt. Die besten Kolumnen, Klartextve­rlag, 176 S., 16,95 Euro

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