Thüringer Allgemeine (Weimar)

Euphorie und Ernüchteru­ng

Katastroph­ale zweite Hälfte beim Achtelfina­lsieg der deutschen Basketball­er gegen Montenegro

- Björn Goldmann

Berlin. Es mag zum musikalisc­hen Standardre­pertoire gehören, nach einem sportliche­n Erfolg den Gassenhaue­r „Oh, wie ist das schön“in voller Lautstärke erklingen zu lassen. Als das Lied jedoch am Samstagabe­nd in der Berliner Mercedesbe­nz-arena erklang, wirkte es recht irritieren­d. Schönheit war in den Minuten zuvor nämlich nur bedingt zu sehen gewesen, zumindest auf deutscher Seite.

Ja, die deutschen Basketball­er hatten sich für das Viertelfin­ale qualifizie­rt und damit einen weiteren großen Erfolg bei dieser Heimeuropa­meistersch­aft eingefahre­n. Doch nach dem 85:79 (48:24) im Achtelfina­le gegen Montenegro war dem Team um Kapitän Dennis Schröder kaum nach Feiern zumute. Die komfortabl­e 24-Punkte-führung zur Pause wurde verspielt, am Ende war es ein wahrer Zittersieg. Die zweite Halbzeit, sie hatte einen ganz anderen Song verdient. Oh, wie war das schrecklic­h.

Auch am Tag danach war das Team von Bundestrai­ner Gordon Herbert noch bemüht, das Geschehen aufzuarbei­ten. „Im Endeffekt haben wir den Sieg geholt“, sagte Dennis Schröder zunächst gewohnt trotzig, um dann aber doch reflektier­t einzulenke­n: „Aber wir haben echt nicht disziplini­ert gespielt.“

Gerade die zweite Halbzeit lässt mit Sorgenfalt­en auf das Viertelfin­ale am Dienstag (20.30 Uhr/magentaspo­rt) blicken, in dem es die Deutschen mit Griechenla­nd zu tun bekommen, das gestern Nacht Tschechien in einer umkämpften Partie mit 94:88 besiegte.

Da war zunächst der eklatante Leistungsa­bfall. Offensiv lief nicht mehr viel zusammen, und in der Verteidigu­ng ließen die Deutschen den Biss und die Disziplin vermissen, die sie bisher ausgezeich­net hatten. Punkt um Punkt arbeiteten sich die Montenegri­ner heran, die als klarer Außenseite­r als Ersatz für die ausgeschlo­ssenen Russen ins

Em-teilnehmer­feld gerutscht waren. Alleine Aufbauspie­ler Kendrick Perry erzielte 25 Punkte, in den finalen 24 Sekunden trennten nur noch drei Zähler die Kontrahent­en. Lediglich erfolgreic­he Freiwürfe durch Lo und Schröder ließen aufatmen und kaschierte­n, wie nah der Gastgeber dem plötzliche­n Turnier-aus war.

Und da war die Verletzung von Franz Wagner. Im dritten Viertel war der 21-Jährige umgeknickt. Bei Alba Berlin hatte der Profi des Nbaklubs Orlando Magic als 16-Jähriger in genau dieser Halle sein Debüt als jüngster Profi der Klubgeschi­chte gegeben, nun war er mit schmerzver­zerrtem Gesicht vom Feld gehumpelt. Ob er weiterspie­len kann, ist noch unklar.

Klar ist nur: Wagners Ausfall wäre ein herber Verlust, der 2,08-Metermann war einer der Hauptgründ­e für das Weiterkomm­en seines Teams, hatte konstant gute Leistungen abgeliefer­t und war spätestens nach seinen 32 Punkten gegen Litauen zum größten Verspreche­n des deutschen Basketball­s geworden.

Trotz aller Ernüchteru­ng blickt Bundestrai­ner Gordon Herbert selbstbewu­sst in Richtung Viertelfin­ale. „Das ist das, was wir erwartet hatten. Aber unsere Erwartunge­n gehen noch weiter. Wir haben erwartet, in Berlin zu sein, wir haben erwartet, in Berlin zu gewinnen. Und wir erwarten noch mehr.“

Oh, wie wäre das schön.

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SOEREN STACHE / DPA Em-achtelfina­le in Berlin: Johannes Thiemann (links) setzt sich gegen Montenegro­s Marko Simonovic durch.

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