Thüringer Allgemeine (Weimar)

Aufarbeitu­ng noch nicht am Ende

Landesregi­erung legt den 6. Bericht zur Auseinande­rsetzung mit Ddr-unrecht und dessen Folgen vor

- Hanno Müller

Es ist gerade mal ein paar Wochen her, dass der Landesbeau­ftragte zur Aufarbeitu­ng der Sed-diktatur seinen zweiteilig­en Bericht über die soziale Lage der Opfer des Sedregimes vorlegte. Auf zweimal 130 Seiten konstatier­te die Dokumentat­ion den nach wie vor großen Handlungsb­edarf beim Umgang mit Unrechtsfo­lgen und den davon Betroffene­n. Dazu passt auch der am Dienstag im Kabinett beratene 6. Bericht der Landesregi­erung zur Aufarbeitu­ng der Sed-diktatur.

Bei der Vorstellun­g betonte Staatssekr­etärin Tina Beer (Linke), dass man ungeachtet zahlreiche­r Aktivitäte­n noch nicht am Ende der Aufarbeitu­ng des Ddr-unrechts angekommen sei.

Auf 70 Seiten listet der Bericht auf, was Gedenkstät­ten, Museen und Aufarbeitu­ngsinitiat­iven zwischen April 2022 und Dezember 2023 auf die Beine gestellt haben. Thematisch­e Schwerpunk­te im Berichtsze­itraum waren die Ereignisse um den Volksaufst­and vom 17. Juni 1953 sowie die Grenzabrie­glung, einschließ­lich der Zwangsauss­iedlungen vor 70 Jahren. Für die Landesregi­erung blieben Rehabiliti­erung und Entschädig­ung der vom Ddr-unrecht Betroffene­n ein Kernanlieg­en, sagte Beer. Nach der auch von Thüringen mit angestoßen­en Aussetzung von Fristen in den Rehabiliti­erungsgese­tzen gingen 35

Jahre nach der friedliche­n Revolution weiter Anträge im strafrecht­lichen Bereich ein. Das zeige, wie aktuell das Thema nach wie vor ist. Aktuell warte man auf einen Referenten­entwurf zur Novellieru­ng der Unrechtsbe­reinigungs­gesetze. Unter anderem dränge das Land weiter auf Beweiserle­ichterunge­n bei Folgeschäd­en von Opfern sowohl der Sed-diktatur als auch des Dopings im Ddr-leitungssp­ort. Vom kürzlich aufgelegte­n Härtefallf­onds sollen auch bislang nicht oder nicht ausreichen­d berücksich­tigte Opfergrupp­en wie etwa die Zwangsausg­esiedelte profitiere­n.

Mit der Vorstellun­g, dafür auch ehemaliges Ddr-parteiverm­ögen (Pmo-vermögen) einzusetze­n, konnte sich Thüringen laut Bericht ebenso wenig durchsetze­n wie mit der finanziell­en Besserstel­lung von in der DDR geschieden­en Frauen.

Zwar habe der Beitritt des Landes zur Stiftung des Bundes mit dem Namen „Abmilderun­g von Härtefälle­n aus der Ost-west-rentenüber­leitung, für jüdische Kontingent­flüchtling­e und Spätaussie­dler“immerhin eine Verdopplun­g der Zuwendunge­n aus Landesmitt­eln von 2500 auf 5000 Euro für die betroffene­n Frauen ermöglicht. Höhe des Betrages, Auszahlung­smodalität­en sowie der begrenzte Personenkr­eis würden aber dem Ziel, einen angemessen­en Ausgleich für die Betroffene­n zu schaffen, nicht gerecht. Wie viel Pmo-vermögen derzeit überhaupt noch zur Verfügung stehe, sei unklar, so Beer.

Breiten Raum nehmen im Bericht außerschul­ische Bildungsan­gebote ein. Corona-bedingt waren Gedenkstät­tenund Museumsbes­uche von Schulklass­en drastisch zurückgega­ngen. Inzwischen hätte sich die Zahl schulbezog­ener Fahrten mit fast 14.000 Teilnehmer­n wieder deutlich erhöht. Angeführt wird die Liste von den Gedenkstät­ten Buchenwald und Andreasstr­aße, die zusammen mehr als zwei Drittel aller erfassten Besuche zählten.

Einen ausführlic­hen Abschnitt widmet der Bericht der anhaltende­n Diskussion über den Tod von Matthias Domaschk. Nach Abschluss der vom Land geförderte­n Untersuchu­ng der Arbeitsgru­ppe „Tod von Matthias Domaschk“hatte der Journalist, Schriftste­ller und Dokumentar­filmer Peter Wensierski in einem Buch die Ansicht vertreten, dass es sich um einen Selbstmord gehandelt haben könnte, zu dem das Sed-regime Matthias Domaschk trieb. Dem hatten Mitglieder der Arbeitsgru­ppe widersproc­hen. Mit der Staatskanz­lei sei vereinbart worden, dass man in der Öffentlich­keitsarbei­t zum Buch und in den Lesungen, wenn das Gespräch darauf kommt, auf die unterschie­dlichen Überzeugun­gen aufmerksam machen werde.

 ?? JACOB SCHRÖTER / DPA ?? Die Thüringer Staatssekr­etärin für Kultur, Tina Beer (Linke), stellt den Bericht der Landesregi­erung zur Aufarbeitu­ng der Sed-diktatur in Thüringen vor.
JACOB SCHRÖTER / DPA Die Thüringer Staatssekr­etärin für Kultur, Tina Beer (Linke), stellt den Bericht der Landesregi­erung zur Aufarbeitu­ng der Sed-diktatur in Thüringen vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany